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Auf Zehenspitzen schlich ich in unser Zimmer. Als Gallipoli und ich durch das Portal zurück in der Abstellkammer gelandet waren, war es endgültig Nacht geworden. Gallipoli hatte mich noch Netterweise zurück auf halben Weg zurückgebracht, so dass ich die dunkelsten und gruseligen Stellen nicht alleine passieren musste. Vor allem nicht nach dem, was ich heute alles erfahren hatte. Ein falscher Zug und es war aus. Ich seufzte leise und versuchte so wenig wie möglich Krach zu machen, als ich die Holztreppe zu meinem Bett erklomm. "Na, wieder da, kleine Regelbrecherin." Mein Fuß rutschte von der Sprosse und ich hatte keinen Halt mehr unter den Füßen. Der Boden empfing mich hart und kalt. "Verdammt, Jessica!", zischte ich. Die Nachttischlampe wurde angeschaltet und Kora eilte zu mir, um mir aufzuhelfen. "Danke", sagte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. Mein Hintern schmerzte wie Sau. Ein Umschlag wurde mir unter die Nase gehalten. "Das kam heute per Eilpost zu dir." Verwirrt nahm ich Jess den Umschlag ab. Er war tief Schwarz mit goldenen Lettern darauf. "Cassandra Ryan." Das war alles was da stand. "Das sieht aus..." Jess sah mit gerunzelter Stirn über meine Schulter. "Stimmt....", murmelte auch Kora. "Das sieht wie eine Klub Einladung aus."
"Eine Klub Einladung?" Ich sehe die beiden fragend an.
"Allerdings kein Klub der mir bekannt wäre." Jess deutete auf das Wappen im Wachs, mit dem der Brief versiegelt wurde. Meine Augen wurde Groß. Ein verschnörkeltes Kreuz mit einem Stein in der Mitte. Genau das gleiche Symbol hatte ich schon mal in Rosy's Laden gesehen. Genauer gesagt in ihrem Büro. Ich brach das Siegel, aber bevor ich den Brief hinaus zog..."Wenn ihr mir noch näher auf die Pelle rückt weiß ich nicht, was ich als nächstes tun werde." Ich werfe beiden einen langen Blick zu. "Nun mach schon den verdammten Brief auf", sagte Jess und wollte mir gleichzeitig den Brief aus der Hand reißen. Blitzschnell zog ich ihn aus ihrer Reichweite. Konnte ich ihn wirklich einfach so vor ihnen lesen? Andererseits würden sie wohl kaum etwas verräterisches darein schreiben, wenn ihn doch jeder auf dem Weg bis zu mir ihn hätte lesen können. Mit einem Ruck ziehe ich das dünne Papier raus, nur dass es kein Papier war. Die schwarze Fläche leuchtete auf, als ich kurz mit dem Finger darüber strich. So eine Technik hatte ich noch nie gesehen. Vorallem da sie so leicht war. "Was ist das denn!" Ungehalten zeigte Jess auf das neue Feld, dass jetzt dort erschienen war. Eine leere Zeile und darüber stand: Passwort. Was für ein Passwort. Gallipoli hat mir nichts von einem Passwort gesagt! "Toll", murmelte ich. "Vielleicht im Umschlag", piepste Kora. Ich warf einen Blick rein und schüttelte den Kopf. Was nun? "Ich frag morgen mal einen Lehrer", seufzte ich und rieb mir über die Augen. Wenn ich jetzt nicht sofort ins Bett ging, würde ich hier und jetzt auf dem Boden einschlafen. Wie auf Kommando gähnte ich. Und Jess gleich mit. Mit schweren Augenlidern schüttelte ich den Kopf, wie um einen lässtigen Gedanken abzuschütteln. "Wie? Du willst das einfach darauf belassen!" Jess funkelte mich fassungslos an.
"Weist du was Jess?" Ich kickte meine Schuhe von den Füßen, zog mir Socken und Hose aus, marschierte an ihr vorbei und schlüpfte unter ihre Decke. "Was soll das werden, wenn ich fragen darf!?"
Ich gähnte erneut und wedelte schwach mit dem Schwarzen Screen. "Du kannst ja meinetwegen versuchen das Passwort zu knacken, aber ich will jetzt wirklich einfach nur schlafen." Außerdem bezweifelte ich es bis in mein Bett zu schaffen, ohne mir das Genick zu brechen. Obwohl ich wohl eher zu Kora hätte gehen sollen, weil Jess mich hier wohl kaum gestatten würde. Zu meiner größten Überraschung allerdings, wurde die Decke nur angehoben und Jess schlüpfte neben mich ins Bett. "Es ist dein Leben, nicht meines", murmelte sie und gähnte ebenfalls. Ich schob den Screen unter das Kissen. "Jetzt steh da nicht so herum Kora!" Jess rückte enger an mich und die Decke wurde erneut angehoben. "Erinnere mich daran deinem Vater einen Dankeschön Brief zu schicken, dafür, dass er dir extra ein größeres Bett ins Zimmer hatte liefern lassen." Mit diesen Worten driftete ich engültig ab.

"Was sollte das bringen!" Die Alte Dame warf die Hände in die Luft und lief wie ein verschrecktes Tier auf und ab. "Sie bekommen immer was sie wollen." Sie warf mir einen Tränen feuchten Blick zu. "Immer."
Nanna weinen zu sehen war ein Schock. Ich hatte sie nur als strenge, disziplinierte Frau in Erinnerung. "Und wenn sie dich erst mal komplett in Ihren Fängen haben..." Sie stoppte und sah sich panisch im Raum um. Als würde sie nach einem Wunder suchen. "Aber was ist...wenn Sie mich bereits in ihren Fängen haben?" Ich flüsterte so leise, dass ich mich selbst kaum verstand. Aber Nanna hatte gute Ohren. Sehr gute sogar. Scharf sah sie mich an. "Du redest von diesem Feuer Jungen, nicht wahr!?"
Meine Wangen färbten sich leicht Rosa. "Ich wusste es", donnerte die alte Dame, die noch erstaunlich lebendig für ihr Alter wirkte.
"Es ist nicht so, wie du denkst", verteidigte ich mich und sprang von meinem Stuhl auf. Der krachend umkippte. Mit noch wärmeren Wangen bückte ich mich und stellte ihn wieder richtig hin. "So?", sagte Nanna bedrohlich und kam näher. Das war der Moment, indem man von draußen lautes Gebrüll vernahm. Gebrüll, dass von keinem normalen Tier stammte. Nanna drehte sich erschrocken zur Tür um. Eiligen Schrittes ging sie drauf zu und ehe ich es mich versah, hatte sie bereits einen Dolch gezückt und stach sich damit in den linken Zeigefinger. Ihr Blut tropfte auf den Boden. Ein Tropfen, zwei Tropfen und beim dritten Tropfen drückte sie ihn gegen das Morsche Holz der Tür. Langsam verstand ich. Meine Augen weiteten sich. "Nanna...", wisperte ich. Das näher kommende Geräusch von Flügelschlägen weckte mich aus meiner Starre. Während das Bild an der Tür immer weiter Gestalt an nahm. "Nanna", flüsterte ich. Tränen traten mir in die Augen. "Hör auf."
Aber sie hörte er nicht auf. Jetzt murmelte sie auch noch was. Und mit jedem weiteren Strich, den sie auf die Tür malte, wurde sie lauter. "Hör auf", sagte ich, nun deutlich lauter. Und dann noch einmal. Bis ich sie laut an schrie. Das Dach erzitterte von den mächtigen Flügelstößen des Drachen.

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