Kapitel 9

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Ich schaute ihn ausdruckslos an. Hoffentlich würde diese blöde Tablette wirken.
"Was hat dieser Einbruch mit dem Hotel zu tun", fragte Victor und ich spürte, wie er versuchte in meinen Kopf einzudringen. Ich spürte die Macht, die von ihm ausging. Da ich dieser Tablette nicht ganz vertraute, verstärkte ich noch einmal selber meine Abschirmung. Meine Abschirmung war eigentlich auch ohne die Tablette schon super stark, da ich wegen meiner Arbeit sehr oft übte mich abzuschirmem.
"Nichts", antwortete ich auf seine Frage. Sollte ich so tun, als würde ich ihm nur wegen seiner Gabe antworten, oder würde er das merken?
Er versuchte es immer wieder und ich spürte, wie er immer wieder gegen meine Abschirmung prallte. Vielleicht hatte er sie auch bereits durchbrochen und ich hatte es nur nicht gemerkt? Ich hielt mir die Hände vor mein Gesicht und stützte mich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab. Ja, das tat gut. Ich schloss meine Augen. Jetzt sah ich nichts als Dunkelheit. Das ganze Gerede von Victor und den anderen verschlimmerte den Kopfschmerz jedoch wieder.
Auf einmal kam Uriel rein und setzte sich zu uns.
Er sagte irgendwas davon, dass ich meine Abschirmung nicht mehr länger halten konnte, weil ich sonst nicht so aussehen würde. Ich kam mir auch ziemlich dumm vor, die Hände so vorm Gesicht und die Ellbogen auf den Tisch so gestützt. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass ich jemals so dolle Kopfschmerzen gehabt hatte.
Jetzt versuchten alle vier gegen meine Abschirmung anzukommen. Gleich würde mein Kopf explodieren.
Und dann passierte es. Ich war selbst Schuld. Sie hätten es nicht geschafft gegen meine Abschirmung anzukommen, hätte ich sie nicht fallen gelassen. Aber ich konnte es nicht mehr ertragen. Jahrelang habe ich keine Gefühle gezeigt. Sie hatten sich alle hinter meiner Abschirmung aufgestaut und jetzt wollten sie raus. Meine Abschirmung wurde also nicht von Außen sondern von Innen zerstört. Da Uriel der erste war, der es schaffte in diese Barriere einzudringen, wurde auch seine Gabe zuerst benutzt.
Erinnerungen, die ich lieber niemandem zeigen wollte, strömten hinter der Abschirmung hervor.

Mein Vater, der meine Mutter schlug.
Mein Vater der mich schlug.
"Wenn du etwas verrätst, töte ich ihn."
"Ich werde dich für immer lieben." Jaspers Stimme.
"Ich habe meinen Seelenspiegel gefunden. Mit ihr werde ich für immer glücklich sein." Nochmal Jaspers Stimme.
Meine Tränen.
Mein Vater, der meine Schwester schlug.
Das Messer.
Das Schlafzimmer.
"Du hast ihn getötet." Die entsetzte Stimme meiner Mutter.

Ich schrie. Ich katapultierte sie allesamt aus meinem Geist heraus. Dann stand ich auf. Ich wollte aus diesem Zimmer. Weg von ihnen. Ich rannte zur Tür, aber es versperrte mir jemand den Weg und ich schubste ihn zur Seite. Ich öffnete die Tür und rannte aus dem Haus, vorbei an Antje, Eduard und Joris.
Ich erblickte einen großen Baum und versteckte mich hinter ihm. Dann fing ich an zu weinen und hielt mir meine Hände vors Gesicht, die immer noch zusammen gekettet waren. Hör auf damit, du bist stark, sagte ich mir immer wieder und wischte dann die Tränen weg.
Dann ging ich wieder in das Haus. Sieben Augenpaare richteten sich auf mich und ich bemühte mich, meinen Gesichtsausdruck neutral und emotionslos wirken zu lassen.
"Ich habe euch doch gesagt, sie kommt wieder", sagte Antje und fügte per Telepathie hinzu: Geht es dir gut?
Ja, sagte ich, was natürlich gelogen war. Ich wollte nicht darüber reden, was da drinnen passiert war.
"Wie wäre es, wenn ihr erstmal jemand anderen verhören würdet?" Fragte Antje.
"Hm, okay. Dann kommt er mit", sie gingen alle vier in diesen Befragungsraum und zerrten Eduard mit sich. Wir warteten ein paar Sekunden und dann sagte Antje leise: "Also gut. Ihr wollt also ihre Erinnerungen löschen?"
Wir nickten. Offenbar hatten sie eben schon darüber geredet, als ich verhört worden war.
"Irgendeine Idee wie ihr das anstellen wollt?" Fragte sie und wir legten uns einen Plan zurecht.
Schon bald kamen alle fünf wieder aus dem Befragungsraum. Antje stand neben dem Tisch und direkt daneben stand Joris. Was alle außer Joris, Antje und mir nicht wussten war, dass Joris ein Messer hinter seinem Rücken hielt. Ich stand ein paar Meter weiter entfernt an einer Wand gelehnt, damit nichts verdächtig wirkte.
Sie kamen auf uns zu und in diesem Moment reagierte Joris. Es sprang etwas hinter Antje und dann sah es fast so aus, als würde er sie von hinten umarmen, würde er ihr nicht ein Messer an die Kehle halten.
"Stehen bleiben!" Rief er. "Und Hände hoch, sonst schneide ich ihr die Kehle durch!"
Antjes Augen waren vor Schock geweitet und würde jemand sie so gut kennen wie ich, würde ihn das misstrauisch machen, da Antje- egal was passierte- meistens genauso emotionslos schaute wie ich.
Die Augen der vier Männer waren allerdings auch vor Schock geweitet und sie hoben langsam ihre Hände.
"Gut, sehr schön. Eduard, du darfst jetzt ihre Erinnerungen löschen", sagte Joris und Uriel sog schockiert die Luft ein.
Eduard fing mit Trace, der direkt neben ihm stand, an. Dann sagte er: "Sie schirmen sich zu sehr ab."
"Dann werden sie jetzt damit aufhören", sagte Joris und rückte mit dem Messer noch näher an den Hals von Antje ran, um seine Worte zu unterstreichen.
Antje wimmerte und ich fragte mich, ob sie sich schon einmal überlegt hatte, sich bei einer Schauspiel-Agentur anzumelden.
Ich sah das Zögern in ihren Augen, merkte dann aber, wie sie ihre Abschirmung fallen ließen.
Eduard berührte Trace noch einmal und schloss die Augen. Einen Moment später kippte Trace um.

Forgetting DonnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt