Kapitel 12

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Ich versuchte mir den Schock nicht anmerken zu lassen und setzte mich stattdessen auf einen Esszimmerstuhl. Jolanda setzte ich auf meinen Schoß. Das war also unserer Besuch. Ich hatte nicht mehr darüber nachgedacht, als meine Mutter sagte, es sei Besuch da, weil ich dachte, dass es irgendwie ein paar Freundinnen von meiner Mutter seien. Aber so war es nicht.
Ich konzentrierte mich wieder auf Jolanda und tröstete sie weiter. "Ballett ist kindisch? Das sollen sie mal den Profi-Balletttänzern erzählen. Ballett ist doch wundervoll. Jeder würde dich bewundern, wenn er dich tanzen sehen würde."
"Meinst du?" Fragte sie und ihre Miene hellte sich etwas auf .
"Na klar", sagte ich und lächelte sie an. Es war nicht einmal gezwungen. "Aber jetzt kannst du mir mal erzählen, wer das ist und was die hier machen", sagte ich und deutete zu den Sofas, wo die ganze riesen Familie gerade saß.
"Mama sagt, es sind irgendwelche Freunde von ihr. Eine von denen kann auch merken, wenn jemand lügt", sagte Jolanda, der das kein bisschen verdächtig vorkam.
"Hat sie etwa die gleiche Gabe wie ich?" fragte ich sie.
"Nee, irgendwas anderes komisches. In Jolandas Augen war alles komisch, was sie nicht verstand.
Dann kamen meine Mutter und eine kleine Frau, die ungefähr im Alter meiner Mutter war, aus der Küche und riefen uns allen zum Essen.
Die anderen kamen zum Tisch und warfen mir neugierige Blicke zu. Erkannten sie mich? Kamen ihre Erinnerungen zurück? Eduard hat gesagt, dass es sehr unwahrscheinlich sei, also beruhigte ich mich.
Ich hob Jolanda von meinem Schoß und setzte sie auf den Stuhl neben mir. Sie war ganz schön schwer geworden.
Meine Mutter setzte sich neben Jolanda und neben mich setzte sich Victor.
"Also Donny, das ist unser Besuch. Sie bleiben für eine Weile, weil ihnen ihr Hotel nicht gefallen hat und sie sich Antwerpen ein bisschen anschauen wollen. Ich kenne sie aus dem Savant-Netzwerk, beziehungsweise haben diese lieben Savants vor uns dieses Netzwerk gegründet. Du hast sicher schon davon gehört. Stellt euch doch alle einmal vor", sagte meine Mutter lächelnd. Nein, bitte nicht. Mir ist egal, wie sie heißen umd ich will nicht mit denen reden.
"Also ich bin Sky", sagte eine blonde, recht kleine Britin, die wohl so um die 17 Jahre sein sollte, lächelnd. "Und das hier ist mein Seelenspiegel Zed", stellte sie mir einen dunkelhaarigen Latino vor. Gut, die Männer waren alle Latinos, was mich auch hatte vermuten lassen, dass sie alle verwandt miteinander waren. Als Sky das Wort "Seelenspiegel" sagte, lächelte sie nur noch mehr.
Neben ihm stellte sich der Mann als Xavier heraus, der aber lieber Xav genannt werden wollte. Sein Seelenspiegel hieß Crystal oder so ähnlich und war ein Mix aus Ida und Emely. Damit meine ich: Sie hatte solche Haare, wie Emely, nur in einer anderen Haarfarbe und etwas länger und war so groß wie Ida.
Irgendwer hieß noch Diamond und eine oder einer hieß Phönix, aber ich hörte gar nicht mehr zu. Die Frauen hatten, abgesehen von der Mutter Karla, alle total seltsame Namen. Zufall? Der Vater der Jungs hieß wohl Saul oder so ähnlich. Die ganzen Namen konnte ich mir eh nicht merken.
"Und ich bin Jojo", sagte meine kleine Schwester grinsend.
"Nehmt euch Suppe, die wird sonst kalt", sagte meine Mutter und holte einen großen Topf aus der Küche.
"Und wer bist du?" Fragte Karla mich freundlich.
"Donny", sagte ich kurz.
"Schön dich kennenlernen", sagte Karla. Ich sagte nichts dazu, da die eine ja sowieso merken würde, wenn ich lügen würde. Mich interessierte gerade brennend, wer von ihnen das konnte. Auch die Gaben der anderen interessierten mich, aber ich wollte nicht fragen, also füllte ich mir stattdessen Suppe auf.
"Ihr habt eine wunderschöne Wohnung", sagte Diamond um ein Gesprächsthema zu haben. Vielleicht war es auch jemand anderes und ich verwechselte sie nur.
"Vielen Dank", sagte meine Mutter geschmeichelt, "Mein Mann hat früher sehr gut verdient und so konnten wir uns diese Wohnung leisten. Übrigens ist es die größte Wohnung in diesem Haus. Davor haben wir sechs Stockwerke weiter oben gewohnt."
Ich wünschte, es hätte jetzt jemand gescherzt, dass wir so immerhin nicht allzu viele Treppenstufen hoch laufen müssten, aber stattdessen sagte Crystal: "Früher? Verdient er jetzt nicht mehr so gut?" Sie lachte ein bisschen, um dem Satz die Anklage zu nehmen, aber ich wusste nicht, was daran so lustig war.
Ich verkrampfte mich und lies meinen Löffel klirrend in die Schüssel fallen. Ein Gefühl von Schuld kam in mir hoch und Tränen stiegen mir in die Augen. Ich blickte schnell auf meine Suppe, damit es niemand sehen konnte. Ich merkte aus den Augenwinkeln, wie Sky mich genau anschaute.
Mein Stuhl machte laute Geräusche, als ich ihn zurück schob und auf stand. Jetzt schauten alle zu mir.
"Ich geh nur schnell aufs Klo", nuschelte ich und verschwand im Badezimmer. Hinter mir schloss ich die Tür ab und betrachtete mich im Spiegel. Ein paar Tränen liefen mir über die Wangen und ich wischte sie hastig weg. Einen Moment lang stand ich noch so da und starrte mich an, bevor ich die Spülung betätigte und den Wasserhahn anstellte. Dann verließ ich das Bad wieder.

Forgetting DonnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt