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"Danke Niall", sagte ich zu ihm, als ich gerade den Wald verlassen hatte.

"Is doch kein Problem", meinte er daraufhin nur.

Ich lief weiter mit dem Telefon am Ohr den Pfad entlang, der aus dem Wald herausgeführt hatte und stieß auf eine kleine Gasse. Das war aber nicht der Weg, den ich normal ging. Etwas verwirrt sah ich mich um, nichts kam mit bekannt vor. Wo war ich hier bitte?

"Niall?", flüsterte ich ängstlich, "Ich hab mich verlaufen."

"Wo bist du?"

"Ich weiß nicht, warte mal", ich hielt inne und sah mich erneut um. Rechts von mir erkannte ich eine kleine Hütte, vielleicht auch ein Schuppen. Die alten Holzbalken waren morsch und die Tür hing schief in ihren Angeln. Links von mir eine Lagerhalle, die alten Fenster waren eingeschlagen. Ich lief weiter an der Hütte vorbei, in der Hoffnung ein Straßenschild oder irgendeinen anderen Anhaltspunkt zu finden.

"Hier ist eine alte Lagerhalle und ein Schuppen, aber ansonsten nichts."

"Kein Straßenschild?", er klang inzwischen echt besorgt.

"Ich glaub, da war mal eins", ich sah auf eine verrostete Metallplatte, die an einer Hausecke am Ende der Gasse hang, "aber das ist unlesbar."

"Und an der Lagerhalle?"

Ich lief den Weg zurück zur Lagerhalle, ich brauchte etwas, aber dann entdeckte ich ein kleines Schild neben der großen Eisentür. "Hier ist was, aber es ist schwer zu lesen Breadland Way, Broadland Way oder so ähnlich." Ich hörte ein Rascheln am Ende der Leitung. "Ich komme, bleib einfach da und pass auf dich auf" Dann sah ich auf einmal drei Gestalten auf mich zu kommen, ich bekam wieder Panik: "Da kommt jemand, bitte beeil dich."

"Mach dir keine Sorgen, ich b-", war das letzte, was ich von ihm hörte, dann war die Verbindung weg.

"Niall? Niall, bist du noch dran?"

Erst ein paar Sekunden später merkte ich, dass mein Handy ausgegangen war. "Scheiße." Ich fluchte leise vor mich hin, bis ich bemerkte, dass die Gestalten immer näher kamen. Ich sah mich ängstlich nach einem Versteck um, aber bis auf die Scheune und die alten Häuser war hier weit und breit nichts. Ich nahm all meinen Mut zusammen und rannte rüber zur Scheune, in der Hoffnung, dass sie mich nicht gesehen hatten. Mühelos ließ sich die alte Holztür öffnen und ich schlüpfte schnell hinein. Drinnen war es noch dunkler als draußen, nur das Mondlicht tauchte das gesamte Gebäude in ein schummriges Licht. Ich schloss die Tür hinter mir und lehnte mich von innen gegen sie. Mein Atem ging stoßweise und ich lauschte den Schritten, die immer näher kamen. Ich hörte Stimmen, aber ich konnte nichts Genaues verstehen, geschweige denn sie jemandem zuordnen. Die Schritte kamen näher und näher, bis sie direkt vor der Tür stehen blieben. Ich hielt den Atem an.

"Ist es das?", hörte ich jemanden fragen.

"Ich denke schon", erwiderte ein anderer.

"Wie du denkst? Wir hatten eine Abmachung, ich habe meinen Teil erfüllt. Deine Aufgabe war es nur diese verfickte Scheune zu finden und selbst dafür bist du wohl zu blöd." Ich hörte nur ein Keuchen, dann einen dumpfen Aufschlag.

"Lass ihn los und gib mir zwei Minuten, dann hab ichs", eine dritte Stimme.

"Ja, DU hast es, aber ER sollte es raussuchen!", er haute fest gegen die Holztür, sodass ich erschrocken aufkeuchte.

Augenblicklich wurde es draußen still.

"Was war das?", fragte der, der eben noch gegen die Tür geschlagen hatte, "Ist hier etwa jemand?"

Ich hielt die Luft an und hörte, wie er näher an die Tür trat und die Hand auf die Klinke legte. In diesem Moment klingelte zum Glück sein Handy und er ging wieder ein paar Schritte zurück. Erleichtert atmete ich wieder aus und versuchte zu verstehen, was er sagte, aber er war einfach zu weit weg. Das Einzige, was ich von ihm noch hörte war: "Leute, das ist die Flasche Scheune, wir sind im komplett falschen Stadtteil!" Dann hörte ich ihn laut fluchend weggehen. Die zwei anderen blieben noch kurz stehen, aber dann gingen sie auch.

Erleichtert ließ ich mich an der Tür heruntergleiten. Meine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt und ich konnte Strohballen am anderen Ende der Scheune erkennen. Links von mir sah ich einen kleinen Holztisch, auf dem aller möglicher Krimskrams stand.

Ich rappelte mich auf und trat näher. Näher dran erkannte ich eine alte Öllampe und so machte ich mich auch die Suche nach Streichhölzern. Nach kurzer Zeit wurde ich fündig und die Scheune wurde durch das Feuer erhellt.

Mit der Lampe in der Hand ging ich zu den Strohballen und ließ mich auf einem nieder. Meine Schultasche legte ich daneben auf den Boden. Ich holte mein Handy raus und versuchte es wieder anzuschalten. Nichts.
Ich versuchte es noch einige Male vergeblich, bis ich es schließlich aufgab und mein Handy wieder verstaute. Ich wusste nicht, wie viel Zeit inzwischen vergangen war, aber bestimmt zwanzig Minuten oder sogar mehr. Langsam fragte ich mich, ob Niall noch kommen würde.

Als ich nach dreißig Minuten immer noch nichts von ihm gehört hatte, machte ich mir Sorgen. Was, wenn die Männer von eben ihn erwischt hatten? Ich redete mir ein, dass ihm bestimmt nichts passiert sei und er einfach nur weit von hier weg wohnte.

Nach vierzig Minuten tigerte ich ungeduldig vor dem Strohballen auf und ab. Ich traute mich nicht, nach draußen zu gehen, vielleicht war ja doch noch einer da und ich hatte mich nur verhört?

Nach fünfzig Minuten versuchte ich erneut mein Handy zu starten. Der Bildschirm flackerte zwar kurz auf, aber ging dann sofort wieder aus.

Nach sechzig Minuten hatte ich mich damit abgefunden, dass er wahrscheinlich nicht mehr kommen würde. Ich hatte inzwischen eine Wolldecke gefunden und meinen Rucksack als Kissen umfunktioniert.

Ich hatte es mir gerade bequem gemacht, da hörte ich erneut Schritte draußen, die auf die Scheune zukamen.




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