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Am nächsten Morgen wurde ich allerdings nicht, wie gedacht, von meinem Wecker geweckt und als ich mein Handy suchte, sah ich den Zettel, der auf meinem Nachttisch lag.

Hey Schatz,

du hast heute morgen deinen Wecker nicht gehört und ich habe dich auch nach mehreren Versuchen nicht wachgekriegt. Schlaf dich erstmal aus, ich habe dich in der Schule krankgemeldet und Lexa bringt dir alles mit.
In der Küche stehen Pancakes für dich und irgendwo müsste auch noch Ahornsirup sein.
Dein Vater ist gestern Abend schon gegangen und holt am Wochenende nur noch seine restliches Sachen, aber er würde gerne noch mit dir reden, also ruf ihn bitte an.
Ich bin um 4 wieder da,

Kuss Mama

Na super, jetzt war er auch noch gegangen, ohne mir Tschüs zu sagen. Nen tollen Vater hab ich.
Ich soll ihn anrufen? Nein danke, ich verzichte.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits halb 11 war. Ich schälte mich aus meiner Jeans, mit der ich gestern eingeschlafen war und zog mir meine graue Adidas Jogginghose an. Darüber ein schwarzes Top und fertig.

Ich wollte zu meinem Lieblingsplatz im Wald, von wo aus man die ganze Stadt sehen konnte. (AN: Wir ignorieren jetzt alle mal, dass es so einen Platz in London nicht gibt, okay? Danke.) Es verirrte sich nur selten ein Mensch dorthin, weshalb ich bisher immer ungestört war.

Auf Pancakes hatte ich keine Lust, ich würde sie mir später warm machen, also schmierte ich mir zwei Brötchen und packte diese mit etwas zu trinken, einem Block, Stiften und meinem Handy in einen Rucksack.

Ich zog noch meine Chucks und eine Fliesjacke an, holte dann mein Fahrrad aus der Garage und los gings.

Unterwegs traf ich auf zwei Jogger, die ich freundlich grüßte, bevor ich weiterfuhr.

Kurz vor dem Felsvorsprung stieg ich vom Fahrrad ab und versteckte es wie immer in einem Busch. Das hört sich jetzt vielleicht egoistisch an, aber ich hatte nicht vor meinen Platz mit jemandem zu teilen. Es war mein Zufluchtsort und ich wollte niemanden sonst hier.

Die Sonne schien durch das dichte Blätterdach und eine kühle Brise wehte, als ich den Felsvorsprung betrat. Doch ich war nicht wie sonst alleine. Dort auf meinem Platz saß schon jemand.
Ich ging näher ran und erkannte einen Jungen, der mit dem Rücken zu mir saß und irgendwas links von ihm zu beobachten schien. Seine Haare waren unter einem schwarzen Hut versteckt und er trug ein grau-blaues Hemd mit kurzen Ärmeln und Leopardenmuster, das seine Tattoos, die mir sehr bekannt vorkamen, zum Vorschein brachte.

Ich nahm all meinen Mut zusammen und ging zu ihm. Mit einem "Hey" setzte ich mich neben ihn, doch er schenkte mir keine Beachtung und sah weiterhin auf das Waldstück links von ihm. Ich folgte seinem Blick und endeckte ein kleines Rehkids und seine Mutter.

"Wow", flüsterte ich und der Junge neben mir sprang mit einem Schrei erschrocken auf und fiel auf den Boden, weil er dabei über eine Wurzel stolperte.

Als mich dann aber sah, atmete er erleichtert aus. "Ach, du bist's nur", er rappelte sich auf und setzte sich wieder neben mich.

"Äh, kennen wir uns?", ich musterte ihn und er mir auch irgendwie bekannt vor, aber ich kam nicht darauf, woher ich ihn kannte. Er hatte sein Hemd ziemlich weit aufgeknöpft, sodass man zwei Vögel darunter herausblitzen sah, die mir au-

"Bist du dann fertig damit, mich abzuchecken?", meinte er und ich wurde bestimmt so rot wie eine Tomate.

"Ich uhm hab dich nicht-"

"Nein Quatsch überhaupt nicht", er schmunzelte als er merkte, wie nervös er mich damit machte. Warum er mich nervös machte fragt ihr mich? Ist doch offensichtlich. Ich hab ihn abgecheckt, aber was ich denn dafür, dass er so gu- Lynn! Nicht weiterdenken.

"Sorry", murmelte ich ergeben und drehte mich von ihm weg.

Es herrschte kurz Stille, bis er sie wieder brach: "Du hast die Rehe verscheucht."

"Denkst du nicht, dass du das eher warst mit deinem Mädchenschrei?",meinte ich und musste in Gedanken daran lachen. Diesmal war er es, der rot wurde, aber er verteidigte sich tapfer: "Das wäre nicht passiert, wenn du mich nicht erschrocken hättest."

Mir fiel keine Antwort darauf ein, also ließ ich meinen Blick über die Lichtung schweifen und blieb an seinen Haaren hängen. Er hatte inzwischen seinen Hut abgenommen und seine Harre standen gelockt in alle Richtungen ab, wie bei einem Wischmop. Warte. Wischmop? Das ist doch.. Nein, das kann nicht sein. Oder doch? Ich musterte ihn nocheinmal, dieses Mal unaufälliger.
Tatsache, neben mir saß dieser Harry von Wrong Direction oder so ähnlich. Shit.

"Was machst du eigentlich hier?", fragte er mich in diesem Moment.

"Gegenfrage: Was machst du hier?  Das ist mein Platz."

"Dein Platz? Ich war ja wohl zuerst hier!"

"Ach ja?"

"Ja."

"Also..?",ich sah ihn abwartend an.

"Also was?" Tut der nur so dumm oder war er es wirklich?

"Was machst du hier?"

"Du zuerst."

Ach kack drauf, das das Harry ist, er ist doch auch nur ein Mensch, oder?
"Na schön, hier findet mich keiner", meinte ich nur und zuckte mit den Schultern, "und die Aussicht ist genial."

"Das stimmt wohl."

"Was?"

"Beides. Hier kommen keine Paparazzo hin und man kann über ganz London sehen", er sah über die Stadt und schien sich in seinen Gedanken zu verlieren, weshalb er meine Frage anscheinend auch nicht mitbekam.

"Harry?"

"Hm?"

"Ist das wirklich so schlimm mit den Paparazzo?", ich wand meinen Blick von der Stadt ab und sah Harry an.


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