Delia
Ich rieb mir die Augen und setzte mich im Bett auf. Der Wellengang wurde von Tag zu Tag stärker und der Wind immer Eisiger. Gähnend streckte ich mich. Je länger wir auf diesem Schiff waren, desto sicherer war ich mir, dass ich niemals die See lieben werde. Ich fühlte mich wie in einem Dauerrausch. Alles wackelte hin und her, selbst das geradeaus laufen war ein Problem. Bei Sanjo sah das so einfach aus. Er rannte und sprang und kletterte. Sven und Nico hatte ich seit dem ersten Tag nicht mehr gesehen. Unterbewusst griff ich nach dem Anhänger. Das Band hatte mir Sven angelegt. Es klingt vielleicht abergläubisch, aber ich fühlte mich sicherer als davor. Ich hatte auch keine seltsamen Träume mehr, was am Anfang recht ungewohnt war. Mir war gar nicht aufgefallen, wie sehr ich mich daran gewöhnt hatte, schweißgebadet aufzuwachen. Ich tapste zitternd zum Spiegel und sah sogar meinen kalten Atem als ich ausatmete. Meine Füße froren und meine Ohren hatten das Zucken aufgegeben. Mein Nachthemd war ein zu groß geratenes T- Shirt aus einer der Lieferkisten. Barko war Feuer und Flamme, als ich ihn nach Kleidung fragte. "Aber ja, aber ja, natürlich! So war es abgemacht zwischen mir und Drachenglut." Ich muss gestehen, mir war es egal wieso ich das Zeug gekriegt habe. Er hatte mir eine ganze Kiste voller Klamotten auf meine Kabine bringen lassen. Das weiße Kleid war wunderschön aber auch sagenhaft dünn. Die Klamotten waren nicht ganz so anmutig, hielten aber deutlich wärmer. Ich wusch mein Gesicht mit dem Wasser, das in einer Schüssel auf der Kommode stand. Es war eiskalt und ich bekam sofort eine grässliche Gänsehaut. Ich kramte in der Kiste und zog einen flauschigen Fellpulli heraus. Er war hellbraun mit weißen Flauschen am Ende der Hand. Ganz schnell warf ich das seltsame T- Shirt ab und kuschelte mich in den weichen, flauschigen Pulli. Aus dem kleinen Bullauge schien nur das sachte Mondlicht. Ich suchte in der Kiste nach einer Hose, aber alles was ich fand, war eine viel zu große Jeans oder Fellröcke. "Was für Leute brauchen einen Rock aus Fell?", erbost warf ich den Rock wieder in die Kiste. "Entweder es ist warm genug für einen Rock oder zu kalt!". Wütend riss ich die Jeans aus der Kiste und hob sie vor mich. Das Licht konnte so schwach sein wie jetzt und ich würde trotzdem wie ein Trottel aussehen. Sie war mir viel zu weit und ging mir ewig über die Füße hinaus. Mürrisch zog ich sie dann noch an. Hatte ich eine andere Wahl? Es klopfte an der Tür. Auch das noch, wer will mich den bitte SO sehen? "Ja?" musste ich korrekterweise sagen, auch wenn ich lieber so still wie ein Mäuschen geblieben wäre. "Ich Bins Sanjo. Hast du kurz 'ne Minute?" Ich schaute in den Spiegel und wurde rot. So sollte mich eigentlich keiner sehen. Ich schaute mich hektisch um, riss alle Schubladen auf, schaute erneut in der Kiste, aber fand nichts. "Delia?" "Jaja Sekunde!" Eine Idee! Ich brauchte eine Idee und zwar schnell!" "Ich komm jetzt rein..." murrte es auf der anderen Seite. Hektisch sprang ich aufs Bett und deckte meinen Schoß zu. So sah man wenigstens nur den flauschigen Pulli und nicht diese seltsame Hose. Die Tür ging zaghaft und sehr langsam auf. Ich musste ein wenig schmunzeln. Mit der Hand vor den Augen trat ein Mann ein, mit braunen Haaren, ohne Mantel - seltsamerweise, der bei jedem Schritt sich erstmal vortastet. "In welche Richtung darf ich sprechen?" Ich brach in ein kleines Gelächter aus, ich konnte es mir einfach nicht verkneifen. Er lugte fast unmerklich durch seine Finger durch und kurz darauf lachte auch er und tat seine Hand vom Gesicht weg. Er räuspert sich und verbeugte sich albern. "Holde Maid belieben mich auf den Arm zu nehmen?" "Gewiss. Zu jeder Zeit an jedem Ort" ich lächelte zufrieden. Warum auch immer, aber diese Albernheit schien zu einem Ritual zwischen uns geworden zu sein. "Wir kommen in ein paar Stunden an. Ich würde dich bitten, alles was dein ist in die Kiste zu packen." ich nickte und hoffte inständig, dass die treubraunen Augen jetzt verschwinden mögen. "Wir sitzen oben an Deck und schauen uns die Sterne an. Sven und Nico sind auch endlich mal wieder aufgetaucht. Kommst du auch?" So ein Mist! Und gerade auf so eine Frage hatte ich keine Ausrede. "Ich hab eine lächerliche Hose an! So kann ich mich doch nicht vor die Matrosen stellen!" Er schaute mich seltsam an. Mist, hab ich das jetzt laut gesagt? Wieso bin ich den gerade so einfallslos. Er verschränkte die Arme und schaute mich amüsiert an. Zeig mal her. Wiederstrebend stellte ich mich hin und die Decke flog auf meine nackten Füße. Sofort hielt er sich die Hände vors Gesicht und lief rot an. Wütend nahm ich das Kissen und schmiss ihn damit ab. "Hör auf zu lachen man!" Dann schaute er seltsam ernst das Kissen an und rannte hinaus - mit samt den Kissen. Ich ließ mich auf mein Bett fallen und wünschte mir das Kissen zurück. Wie gern hätte ich jetzt in das Kissen geschrienen. Es räusperte sich etwas. Ich schaute auf und da stand Chrissi. Hinter ihm stand Sanjo, der nach wie vor das Atmen vergaß, weil er versuchte sich das Lachen zu verkneifen. Ich fühlte mich so entblößt. In einer kurzen Überlegung fragte ich mich, ob die Hose peinlicher war oder die Möglichkeit in Unterwäsche und diesem Pulli hoch zu gehen. "Och kommt schon Leute... helft mir lieber... mit diesem Ding kann ich nicht mal wegrennen, weil ich über mein Hosenbein stolpern würde. " nun musste auch ich lachen. Ich stellte mir gerade vor, wie ich Hose hebend durch den Schnee tapste und plötzlich - Gesicht voraus - in das weiße Geglitzer fiel. Chrissi lief auf die Kiste zu und zog ein Rock nach dem anderen aus der Kiste. "Hey geh da weg, das ist immer noch Privat!" Hätte ich doch bloß nicht fantasiert. Gerade gedacht - schon passiert. Ich machte nur einen kläglich, schnellen Schritt und flog mit den Rest meines Körpers nach vorn über. "Ich hätte eine Idee. Delia, passt die Hose obenrum?" Ich nickte murrend und setzte mich auf. Ich traute mich nicht, mich aufzustehen. "Gib mir die Hose." Ich errötete. "Jetzt?" Sanjo lehnte sich an den Rahmen und spielte den Unschuldigen vom Wäldchen. "Stell dich nicht so an. Ich weiß wie eine Frau aussieht." sagte Sanjo und grinste. Ich spielte mit meinen Haaren und war froh, als ihm Chrissi die Tür vor der Nase zuschlug.
Wir saßen in einem Kreis und schauten in die Sterne. Ich hatte mich mit der gebastelten Hose von Chrissi dann doch Hoch getraut. Er hat einen Rock aus Fell zerschnibelt und daraus Hosenteile für die Unterbeine gemacht. Meine Füße waren zwar immer noch kalt, aber daran konnte ich mich gewöhnen. Die Matrosen hatten einen Jubelchor ausgesungen als ich das Deck betrat. Ich wurde bedient mit Trauben, Wein, Wasser und Sogar Decken. Dankbar nahm ich die Trauben und setzte mich auf den Boden. Natürlich wurde ich auch dort Vertrieben und durfte mich erst setzen, nachdem einige Decken und Kissen den Boden zierten. Ich Verstand kein Stück was plötzlich los war. Sie Sangen schöne Lieder, eines hatte mir besonders gut gefallen.
" Wenn das Ungeheuer herauskommt und dich in die Tiefe verschlingt. Wenn das der Höhepunkt deines Lebens ist und du verstehst wer du bist. Wenn das Ungeheuer in dir Brennt. Wenn das der schönste Moment deines Lebens ist und du verstehst was du sein kannst. Wenn du verstehst, das ein Ungeheuer auch dein Glück sein kann."
Einer der Matrosen zog mich sanft hoch und tanzte mit mir. Die Stimmung war ausgelassen und auch ich fühlte mich seltsam frei. Es war ein ungewöhnliches Gefühl. Am liebsten hätte ich die Welt umarmen können. Der nächste Seemann bat um einen Tanz und so wurde ich alle zwanzig Sekunden abgelöst. Nico und Sven zog ich einfach von ihrem Platz und tanzte mit beiden gleichzeitig. Irgendwann konnte ich nicht mehr und Setzte mich wieder in meinen Haufen aus Kissen. Branko legte mir die Hand auf die Schulter und meinte "Dein Freund ist ein Guter Mann. Gute Seele." Na toll. Das Geheimnis war gelüftet. Aber bevor mir die Kissen weggenommen oder gar die Leiber vom Körper gerissen wurden, nickte ich brav und lächelte. Ich würde ihn den Kopf abreißen. Ich schaute in die Sterne und malte mir meine eigenen Sternbilder.
Ich war kurz weggedöst. Als ich die Augen abrupt aufschlug, lag ich mit dem Kopf an Sanjos Schulter. Schnell setzte ich mich auf und rutschte einen angemessenen Meter weg. Den Kopf ab zu reißen wäre zu Human, das hatte ich jetzt gemerkt. Dafür hatte ich eine weiche Decke um bekommen. Ich stand auf und rannte an die Reling. Dieser Sonnenaufgang war einmalig. Der Himmel war blutrot und ging in ein schönes Orange über. Meine Haare umspielten meinen Hals. "Da Hinten liegt Tanjovei." Chrissi stand neben mir. Und tatsächlich, jetzt sah ich am Horizont Land. "Was ist Tanjovei?" "Das wirst du in kürze selber Sehen."
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Avaranda - Stadt der Drachen
Fantasía"Du bist eine Fehlgeburt, die niemals hätte existieren dürfen!" - Wenn diese Worte nicht Teil eines verachteten Vorurteils sind, sondern auf einer allgegenwärtigen Tatsache basieren, beginnt ein Alptraum. Die Existenz wurde verspottet, geschändet un...