Nico
Wir saßen alle zusammen in einer Kabine des Schiffes und feierten den gelungenen Abgang. Naja, fast alle. Delia wollte den Ausblick genießen. Wir dachten uns, dass sie ein wenig Ruhe gut gebrauchen kann und ließen sie deshalb allein. Hier auf diesem Schiff kann sie schwer verloren gehen, außer es macht platsch. Sven schenkte mir schon wieder neuen Wein ein und Sanjo war umringt von Matrosen. Er spielte mit seinen Dolchen und verdiente sich eine goldene Nase damit Wetten abzuschließen was er alles treffen kann. "Hey Nico, meinst du, wir würden überhaupt irgendetwas treffen?" Sven lallte schon ein kleines bisschen, was mich aber nicht störte. "Ne, ich glaube nicht. Selbst dann nicht, wenn das Schiff nicht so hin und her schaukeln würde." So ziemlich jeder hier war schon angetrunken bis betrunken. Nur bei den Matrosen sah man keine Veränderungen im Verhalten. Während Sven schon hinfliegt wenn er nur zehn Schritte ging und noch dazu seine Sätze immer unverständlicher wurden, tanzten die Matrosen und sangen die witzigsten Lieder die ich je gehört hab. Ich muss gestehen, ich trank nie wirklich viel Wein. Er brannte mir in der Kehle und hatte einen abartigen Nachgeschmack. Heimlich hatte ich immer ein wenig des Weins in Svens Krug gefüllt. Ich musste grinsen, als Sven schon wieder umfiel. Er lachte und lachte und grölte irgendetwas Unverständliches. Schuldbewusst leerte ich meinen Krug und verzog das Gesicht. Von jetzt an hatte ich beschlossen jeden weiteren Nachschenker abzulehnen. Alle Matrosen wurden still, als einer von ihnen auf den Tisch springt und rief: " Meister mit dem Silberdolch ich habe noch eine Wette für dich!". Jeder Pfiff und Jubelte, bis er mit einer Handgeste wieder alle zum Stillschweigen brachte. " Ich wette um was du willst! Wenn du es schaffst, soll dein sein was du möchtest!". Er klang so selbstsicher und grinste immer hämischer. Sanjo trat aus der Menschenmenge heraus und warf seinen Dolch immer wieder in die Luft, nur um in spektakulärer weise immer wieder zu fangen. Ich war mir ziemlich sicher, dass er nicht halb so bedrohlich gewirkt hätte, wenn er ihm mit seinen roten Haaren gegenüber gestanden hätte. "Nur zu mein bester. Was soll ich treffen?" Er sprang auf den Stuhl und zeigte mit der Dolchspitze auf einen Hut, der auf einem Tisch lag und ziemlich alt aussah. "Darf ich dir den Hut vom Skalp schießen?". Er drehte sich um und zeigte auf ein Gemälde an der Wand. "Oder soll ich dem seltsamen Mann im Bild die Kehle durchtrennen?" Wir saßen alle geschockt da und warteten gespannt, was der Matrose vorschlagen würde. "Ich wette, dass du nicht einen Griff des Steuerrates triffst, während du im Krähennest sitzt!" Von da oben?! Das Krähennest ist ganz oben in einem Mast, sogar über den Segeln, eigentlich zum Ausguck gedacht. Ein Matrose war öfters dort hoch gegangen, um das Wetter besser beobachten zu können. Aber nicht nur die Höhe dürfte ein Problem darstellen. Sondern auch auf eine so große Entfernung ein so kleines Ziel zu treffen. Das Steuerrat hat viele kleine "Auswüchse", die er wohl mit Griffen betitelt hatte. Sie dürften von dort Oben aussehen, wie ein Nadelkopf. Zudem ist das Nest in der Mitte des Schiffes, hinter dem zweiten Mast mit Segel, während das Steuerrad ganz hinten ist. "Sven hast du das mitbekommen?" ich drehte mich um und fand Sven nirgends. Doch dann erblickte ich ihn in einer Ecke. Er sah müde und geschafft aus, aber er ist alt genug. Wer trinken kann, muss den Rausch aushalten. Sanjo war zu dem Matrosen auf dem Tisch gesprungen und stand nun wenige Zentimeter von dem Mann entfernt. "Wie ist dein Name?" fragte er den Mann recht leise. "Branko" murmelte dieser. "So nun denn Branko, ich nehme deine Wette an!". Der Mann bekam große Augen und ein breites Grinsen. Er tappte auf der Stelle hin und her und rieb sich die Hände. "Inshiveri oni ronav!" sagte er streng und streckte mahnend den Finger vor sein Gesicht. Sanjo schüttelte den Kopf und grinste. Er legte die Hand auf die Brust und reckte die andere in den Himmel, " Shevai ashkavo sheveri binar sheveri Minirae! Inshiveri oni ronav!" Ich hatte kein Wort verstanden. Was für eine Sprache sollte das sein? "Er hat ihn grad geschworen, ehrlich und fair zu sein, auf Seemanssart." ich zuckte leicht zusammen als Chrissi so plötzlich neben mir stand. "Soll das eine extra Seemannssprache sein? Von sowas hab ich noch nie gehört." "Nein nein Nico. Das ist schon eine normale Sprache." -" Aber [...]" - "Du wirst es bald verstehen." und so klopfte mir Chrissi auf die Schulter und lief zu Sanjo. "Auf an Deck Leute!" rief dieser feierlich mit hoch erhobenen Armen. Alle Leute liefen schnurstracks Richtung Tür und hinaus. Im Gedrängel versuchte ich mich zu Svens Ecke zu schmuggeln. Als ich jedoch ankam, war dort keiner. So ein Mist, wo ist der hin? Da Hörte ich das Grölen von oben und meine Neugier trieb mich einfach hinaus.
Ich sah noch wie Sanjo schnell und sogar recht akrobatisch den Mast hochkletterte. Er liebte es sichtlich, sich austoben zu können. Schnell rannte ich zu Chrissi, der recht nah neben dem Steuerrad stand. Von Sven fehlte nach wie vor jede Spur. "Wir er echt [...] " - "Scht!" - unterbrach mich Chrissi abrupt ohne seinen Blick von Sanjo zu nehmen. "Du wirst es gleich sehen. Pass gut auf!". Jetzt war ich aber echt gespannt. Ich blicke nach oben und wurde kurz von der Sonne geblendet. Dann erkannte ich Sanjo, der mit seinem tiefschwarzen Mantel einfach aus der grelle der Sonne herausstach. Er winkte uns zu und ich sah kurz das aufglänzen eines Dolches. Branko scheuchte uns weiter weg vom Steuer. "Keiner soll die Chance haben, ihm helfen zu können!" hat er gerufen und dabei sehr ernst geschaut. Chrissi hatte mir dann erzählt, dass es bei Seeleuten um mehr als nur den Wetteinsatz ging. Gewann man eine Wette, auf die man geschworen hatte, so würde man für immer von der Crew akzeptiert. Mir erschien das allerdings fraglich. Als ich wieder in den Korb schaute, war Sanjo nicht mehr da. "Wo ist er hin?", rief der Matrose offensichtlich ärgerlich. "Hier oben ihr Blindnasen!" wir schauten den Mast noch weiterhoch und erblickten den schwarzen Mantel auf der Spitze des Mastes. Er hängte mit nur einer Hand daran fest. Seine linke Hand und auch sein linkes Bein baumelten leicht durch die Gegend. Wir hörten ein Lachen bevor er erneut schrie: "Bereit?". Alle schrien durcheinander, doch es hörte sich offensichtlich wie ein "Ja" an. Da war wieder das aufblitzen des Dolches. Jeder hielt den Atem an. Es war, als wollte selbst die See gespannt zuschauen. Eben war noch ein rechter Wellengang, nun war alles ruhig. Selbst der Wind schien zu warten. Eine Ruckartige Handbewegung - kaum zu erkennen. Ein leises und kurzes Pfeifen - dann ein ordentlicher knall. Das Schiff wurde ruckartig nach rechts gelenkt. Der Matrose rannte zum Steuerrat und hielt es abrupt fest, wodurch es aufhörte sich zu drehen. Ich konnte mich gerade noch an Chrissi festheben, der Gottseidank, gut gestanden hatte. Eine Menge der Leute waren umgefallen. Andere hatten sich an der Reling festgeklammert. Der Matrose starrte den Dolch an, als wäre es ein Geist. Ein Nebel. Wasserdampf. Irgendetwas seltsam unwirklich Scheinendes. Er streckte zitternd die Hand danach aus aber hielt sie nur über den Dolchgriff, als würde er es nicht wagen, ihn zu berühren. Ein Poltern verriet, dass Sanjo wohl wieder auf dem Boden angekommen war. Mit einem Satz, ich muss zugeben bemerkenswert, balancierte er schnellen Schrittes das Geländer der Treppe hinauf zu uns. So unwirklich saß er auf dem Geländer, gebückt und trotzdem Elegant und nicht verbuckelt. Chrissi lachte auf und lief zu ihm. Er flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf auch Sanjo zu lachen schien. Der Blick des misstrauischen Branko lag auf Sanjo. Langsam, fast ängstlich, lief er auf ihn zu. Als er dann mit der Hand ausholte, machte ich schon einen Schritt zu ihm. Unbegründet. Branko lachte auf und klopfe Sanjo anerkennend mit der ausgeholten Hand auf die Schulter. "Das hat er gut gemacht." brummte es neben mir. Ich erschrak und hätte ihn gerne für sein anschleichen aber noch mehr für ein verschwinden geköpft. "Sven! Wo warst du?" Doch meine Frage ging in Jubelschreien unter und auch Sven schmuggelte sich zu den Leuten, die in einem Kreis um Sanjo standen um ihn zu beglückwünschen. Er gehörte jetzt wohl offensichtlich zu der Sorte Mensch, denen die Matrosen ihr Vertrauen schenken. Ich schmuggelte mich heimlich in meine Kabine, was recht einfach war, da sowieso jeder nur auf Sanjo achtete. Das Bett war hart und unbequem, aber es reichte aus. Ich zählte die Rillen in der Decke und konnte nicht anders, als zu schmollen. Sanjo war ein Meister mit dem Dolch und ein ausgezeichneter Läufer. Sven hatte Kraft für drei große Männer und konnte mit großen Waffen umgehen. Delia... ich weiß nicht was, aber sie kann etwas sehr großes. Und ich?
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Avaranda - Stadt der Drachen
Fantastik"Du bist eine Fehlgeburt, die niemals hätte existieren dürfen!" - Wenn diese Worte nicht Teil eines verachteten Vorurteils sind, sondern auf einer allgegenwärtigen Tatsache basieren, beginnt ein Alptraum. Die Existenz wurde verspottet, geschändet un...