XVII Unterwegs mit einem Monster

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Delia

Als ich wieder zu mir kam, ruckelte alles hin und her. Sofort sprang ich auf, wollte mich, wenn es sein musste, verteidigen. Leider war der Raum deutlich niedriger, als ich zunächst angenommen hatte. Mit einem dumpfen Ton begleitet, stieß ich mir meinen Kopf an und sank auf die Knie. Ich hielt mir den Kopf und konnte meine Jammerlaute und etliche Flüche nicht für mich behalten. Wenigstens, so reimte ich es mir zusammen, war ich nicht in Gefahr. Ansonsten wäre ich wohl jetzt schon tot. Ich war reichlich überrascht, als ich, recht unsanft, am Kragen gepackt wurde und auf eine Bank gedrückt wurde. Verwirrt rieb ich mir die Augen und Blinzelte. Es war zum Glück nicht allzu hell in dem kleinen Raum, so dass sich meine Augen recht schnell an das Licht gewöhnen konnten. Jetzt konnte ich auch das Klappern von Hufen vernehmen und den Raum als Kutsche identifizieren. Als ich mich umschaute, rutschte ich schlagartig an das andere Ende der Bank. Sanjo verdrehte die Augen, seufzte entnervt und verschränkte die Arme. Lässig pustete er eine Strähne seiner roten Haarpracht aus seinem Gesicht. Zusammengekauert, wartete ich auf irgendeine Reaktion von ihm.

Delia? Delia? Geht es dir gut? Bist du wieder zu dir gekommen?

Ich atmete etwas leichter auf. Das Wissen, das Shinishi noch bei mir war, tröstete mich ein wenig. Ich vernahm ein kurzes Zucken in Sanjos Kopf und könnte schwören, ein Murren gehört zu haben.

Er ist schuld! Er ist schuld!

"Halte deinen Piep Matz zurück, sonst passiert sowas nochmal.", sprach Sanjo so ruhig, so gelassen und so emotionslos er konnte. Ich plusterte mich auf und sprach: "Aber du bist schuld, du scheinheiliger [...] scheinheiliger [...] ". Sein Blick durchbohrte mich strafend. Mein Mund schloss sich automatisch und etwas eingeschüchtert starrte ich auf meine nackten Füße.

Noch ein Schlagloch. Mein Hintern tat schon weh. Es hatte Stille geherrscht. Stundenlange Stille. Nur die Hufe und das knistern von Kies war zu hören. Ab und zu knirschte das Holz der Kutsche oder quietschte eines ihrer Gelenke. Ich hatte es gemieden, noch einmal zu Sanjo zu schauen. Im Nachhinein fragte ich mich, was ich da eigentlich gesagt hatte. Dieses Mal konnte ich mich an alles erinnern. Leider. Ich wünschte, ich hätte es nicht gekonnt. Aber eine Erinnerung dominierte über alle, die Erinnerung, die ich hatte, als meine Fingerspitze Sanjos Hals gestreift hatte. Eine Druckwelle hatte mich an die Wand geschleudert. Es kam mir vor, als wäre ich in Zeitlupe geflogen. Und was noch gruseliger war, als alles, was ich dort getan habe: Er ist ein Monster! Ich habe es gesehen, viel zu deutlich. Seine Augen haben aufgeblitzt und seine gespaltene Zunge war deutlich zu erkennen.

„Was hast du gesehen?"

„Das weiß ich nicht Shinishi...", murmelte ich in ohne Nachzudenken. Ich versuchte selber gerade noch die Gedanken zu sortieren. Diese seltsamen Bilder, die wie ein unfertiges Puzzle vor mir liegen und zusammen gesteckt keinen Sinn ergeben. Schlagartig zuckte ich zusammen, als mich etwas sachte an gestupst hatte.

„Ich hatte dich etwas gefragt.", er sprach so ruhig. Er ging mir auf die Nerven. Wie sollte man sich, bei seinen Schwankenden Launen, ein Bild von seinem Charakter machen können. „Wer bin ich?", fragte ich ihn forsch. Er lächelte und strich sich nervös durch seine Haare. Ich beugte mich weit zu ihm vor und sprach ganz deutlich: „Und wer bist du?". Er schaute zur Seite und kratze sich etwas nervös am Kopf. Er brauchte so schrecklich lange, mit seiner Reaktion.

Noch ein Schlagloch. Ich stierte die andere Seite der Kutsche an. Auch Sanjo fand die Wand wohl sehr interessant. „Bald weißt du es." Meinte er sehr leise, fast nicht hörbar.

Delia! Er weiß etwas! Das merkt man doch!

„Shinishi würdest du mir bitte einen Gefallen tun und ruhig sein. Du bereitest mir Kopfschmerzen." Er legte seinen Kopf in seine Hand und stütze seine Arme auf seinen Beinen ab. Er war so seltsam friedlich geworden.

„Moment mal... „Du hörst ihn?", entsetzt starrte ich ihn an. Ich erwartete eine wütende Reaktion, eine eiskalte Reaktion. Überhaupt irgendeine Reaktion! Plusterte mich schon auf, legte etliche Argumentationen, Flüche und durchaus die eine oder andere Beleidigung parat.

Und alles was er tat, war zu schweigen. Ewiges und ruheloses Schweigen. Bis er schließlich Tief einatmete und nur folgenden Satz sagte: „Ja, tu ich." Er schloss die Augen und lehnte sich gegen das Sitzpolster. „Was geschieht hier?" Ich wollte es jetzt wissen. Wenn schon Chrissi nicht da ist, um es mir zu erklären, dann müsste es Sanjo auch tun. „Und wo sind die anderen?" Hecktisch schaute ich mich um, obgleich es an der Tatsache nichts geändert hätte, da wir seit Stunden alleine in dieser Kutsche eingepfercht sind.

„Shinishi und ich kennen uns. Das hab ich leider erst festgestellt, als ich eure Verbindung gesehen hatte." - „Unsere ...?" - „Der Moment in dem du mich anders gesehen hattest." Unterbrach er mein Gestammel. Fast schon, sah er hilflos und Schuldbewusst aus. Aber nur fast. Mich würde er nicht so leicht täuschen. Eines habe ich bei ihm gelernt: er ist niemals im Leben Unschuldig und lieb.

Soll ich es ihr erklären oder machst du es?

„Wie bitte du weißt alles schon?", schrie ich und stand ruckartig auf. Ein weiterer Steinschlag und ich landete wieder unsanft auf dem, zuvor von mir vorgewärmten, Sitz und stieß mir den Kopf am Sitzpolster an.

Ja es ... es tut mir leid...

Delia? Hörst du noch zu?

Nein ich hörte nicht mehr zu. Ich war einfach zu frustriert, als das ich mich jetzt auch nur auf irgendwelche falschen Worte hätte konzentrieren können. Ich fand es so langsam nicht mehr Witzig. Seit Monaten rannten wir weg. Seit Wochen hatte ich diese Stimme Shinishi im Kopf. Und seit Tagen hatte ich dieses große Verlangen, diesem Monster den Hals um zu drehen!

„Inshivari flammar Shevaire Minirae monshu incoru shevair Avaran transino misanje." sagte er, als hätte er den Satz aus einem Buch auswendig gelernt. Ich verstand diesen Satz nicht und das regte mich genauso auf, wie die Tatsache, dass ich müde und hungrig wurde. Außerdem nach wie vor unwissend war und mein einziger Freund scheinbar eine Stimme in meinem Kopf ist, die nicht ehrlich zu mir ist.

Er fing so plötzlich an zu lachen, dass ich mich richtig davor erschrocken hatte. Tatsächlicher weise habe ich ihn noch niemals Lachen gehört. Sein Aussehen war so Jugendlich, so speziell, kühn, anziehend... ja vielleicht auf anziehend, auch wenn es mir nicht gefällt dies zuzugeben. Seine Lache hingegen war tief. Sehr tief und geprägt von vielerlei Emotionen, die er sonst so gut zu verstecken wusste. Es hörte sich schon fast wie eine eigene, ganz andere, Stimme an.

„Danke Delia. Durch dich habe ich so viele Dinge jetzt verstanden, die ich sonst nie verstanden habe." Ich lächelte etwas gequält und hörte kurz darauf meinen Magen knurren. Sanjo drehte den Kopf zur Seite und schaute mich so hilflos an. Fast schon war es ein recht süßer Anblick- aber eben nur fast. Er sprang auf und kletterte auf die andere Bank. Dort angekommen griff er nach Oben und öffnete einen ganz kleinen Schrank. Mit einem eleganten Hüpfer landete er wieder auf seinem ursprünglichen Platz.

Whoa, das riecht man sogar hier! Wie lecker! Sanj' wo hast du DAS den her bekommen?

Er grinste verschmitzt und machte ein kleines Körbchen auf. Es roch wirklich fantastisch, obwohl es mir wiederstrebte, etwas von Sanjo zu nehmen. Wer weiß, was das alles in Wirklichkeit ist. „Flammar Shevaire Minirae unacomati" sprach er langsam, betont und mit Siegreichem Unterton, während er mir feierlich eine Schüssel mit wohlriechender Flüssigkeit überreichte. Ich setzte zum Schlürfen an und spürte formlich, wie meine Geschmacksnerven Tango tanzten.

„Ich heiße Sanjoran Anshavaro Avi flammar Shevaire Minirae."

Fast hätte ich mich schon wieder an einer Suppe verschluckt, vor Schreck.
Die Worte kamen wie aus meinem Mund geschossen:

„Und wer bin ich?"

Hallo meine kleinen Slushis xD
Danke für das bis hier hin lesen xD
In diesem kapitel werden viele Wörter benutzt, die im Sprachenbuch stehen (wink mit Zaunpfahl! !!)
Eure Taddely ♡

Avaranda - Stadt der DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt