XXI Kupfer im Blitz - der Donner folgt

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Delia

In der Ferne war ein grollen zu hören. Der erste Tropfen küsste meine Stirn. Kurz darauf ergoss sich ein Schwall aus Regenwasser über mich. Der eisige Wind nagte an meinem durchnässten Kleid und ließ mich frösteln. Eine Drehung. Ein Hieb aus dem Handgelenk. Mein Dolch traf nichts außer Luft. Ich biss mir auf die Zunge und versuchte dieser grauenhaften Lache keine Beachtung zu schenken. Vergebens. Sie stachelte mich an und machte mich umso demotivierter, je öfter ich ins Leere stach. Er wirbelte umher mit einer Eleganz, wobei er niemals seine Gerade Haltung vergaß. Ich schaute mich um. Sanjo war weg. In diesem Moment spürte ich, wie sich die Verzweiflung in mein Herz hinein fraß. Ein Blitz erhellte seine abscheuliche Fratze und erschreckte mich. Ich taumelte zurück. Der Donner folgte und wurde untermauert von einer Lache des Bösen.

Shinishi wo bist du? Wenn du mich hören kannst, ich flehe dich an, so mach etwas.

Die Gestalt schaute mich plötzlich so ernst an. Gerade noch hatte er Gelacht und mich verspottet und dann nahm er langsam eine andere Haltung ein. Er begab sich bedrohlich schleichend in eine Kampfposition. Seine Miene verriet nichts und dennoch schrie mein Kopf: " Gefahr, Gefahr!". Seine Augen bohrten sich in meine Gedanken. Mein Herz raste, meine Hände zitterten und war mein kompletter Körper schon immer so schwer auf den Beinen zu halten gewesen? Ich machte einen kleinen Schritt nach hinten. Wäre er schneller als ich? Meine kleinen, zierlichen Hände umklammerten beide verzweifelt den ach so winzigen Dolch. Es wäre egal gewesen, auch ein Schwert, mit der Größe eines Pferdes hätte mir in dieser Situation nicht geholfen. Warum? Weil ich immer noch wie angewurzelt an Ort und Stelle vor mich hin litt.

Er nahm seine Hände aus dem schwarzen Mantel heraus. Meine Augen weiteten sich und mein Herz ahmte den Galopp eines Pferdes nach. Riesige Pranken offenbarten sich mir. Ein weiterer Blitz. Die immensen Krallen glänzten bedrohlich im hellen Licht.

Verängstigt ließ ich den Dolch fallen und rannte so schnell ich nur konnte. Meine Füße wurden getragen von der Angst und Panik. Wenn es Geräusche gab, so vernahm ich keine. Die Umgebung um mich herum verschwamm. In meinen Schleier aus weißem Nebel lief ich um mein Leben. Das einzige was ich wahrnahm, war ein kleiner Punkt am Horizont, den ich mir als mein Ziel markiert hatte.

Die Erde bebte und riss meine Beine vom Boden. Ich konnte mich gerade noch so mit den Händen auffangen.

Der feuchte Dreck brannte fürchterlich in meinen Frischen Schürfwunden in den Handflächen. Mir war als hätte ich ein hohes Kreischen gefolgt von einem hohlen Fauchen gehört. Verzweifelt kauerte ich mich auf meine Knie zusammen und hielt meine Hände schützend über den Kopf. Ein tiefes Schnaufen - direkt neben mir. Will ich es wirklich wissen? Als es auch noch kurte schaute ich auf.

Was ich sah schockierte mich. Ein erneuter Donner, fast zeitgleich der Blitzeinschlag in einem Baum hinter ihm. Seine Schuppen glänzten im kurzen Lichte wie Kupfermünzen. Seine großen Augen schauten mich eindringlich an. Er musterte mich sorgsam. Macht er sich Sorgen um mich? Sein muskulöser Hals rekte sich zu mir und ich konnte in seine wunderschönen braunen Augen starren. Seine Nüstern bliesen warme Luft gegen meine eingefrorene Wange. Ich streckte die Hand aus und wollte diese glitzernden Schuppen berühren. Die Neugier hatte mich gepackt, nicht zuletzt, weil mich diese braunen Augen an etwas erinnerten. Trotz der Gefahr die wahrscheinlich noch hinter mir lauerte, fühlte ich mich noch nie geborgener.

Der Drache brummte und riss sein Maul auf. Erschrocken zuckte meine Hand zurück. "Entscheid dich mal! Bist du jetzt für mich oder gegen mich?", schrie ich ihn an und stemmte dabei die Hände in die Hüfte. Das riesige Tier schien mich auszulachen. Konnte es sein... Nein, war nicht möglich... oder doch? Ein markerschütterndes Brüllen drang aus seiner Kehle und ließ die Erde beben. Reflexartig hielt ich mir die Ohren zu und wendete mich ab. Ein wuchtiger Windstoß ließ mich erneut nach vorne Fallen. Gleichzeitig spürte ich den Luftzug und sah einen immensen Drachen, mit ausgebreiteten Flügeln über mich springen.

Du verschwindest jetzt du Ungetüm!

Shinishi! Des Himmels sei Dank. Ich glaubte, dass dies der erste Moment war, indem ich froh gewesen war, diese kleine Wahnvorstellung überhaupt bekommen zu haben. Mir wurde endlich wieder heiß um mein Herz und diese wohlige Wärme breitete sich wieder am Hals aus.

Mit dem Fauchen einer Katze sprang das Wesen mit Krallenhänden aus dem Dickicht und sprang dem Drachen an den Hals. Dieser Brüllte erneut und schüttelte den lästigen Parasiten von seiner Panzerung ab. Der Naivling fauchte und entblößte lange, gezackte Zähne. Blut drang aus seinem Maul. Er leckte sich über die Lippen und so starrten sich Monster und Ungetüm an, als ob sie auch ohne Worte reden konnten.

Delia? Geht es dir gut?

"Shinishi! Du bist hier! Was ist los! Wie konnte das..." -

Später,

Unterbrach er mich ruppig. Ich hätte schwören können einen Hauch von Nervosität in seiner schnippischen Sprache gehört zu haben.

Wir müssen sofort hier weg. Er ist stark aber das ist der Schattenläufer nun mal auch.

Ein Schattenläufer? Von diesen Wesen hatte ich gehört. Sie seien der letzte Schatten den man jemals noch sehen würde. Ich hatte Bilder von diesem Wesen gesehen, doch immer sah er anders aus. Und doch passte kein einziges Bild so wirklich zu diesem Viech. Mich schüttelte es als ich mir den Moment in mein Gedächtnis rief, als er mir so nah war und er so plötzlich so gefährlich aussehen konnte.

Ein schmerzerfüllter Schrei des Drachen ließ mich aufspringen. Der Schattenläufer hing an ihm wie eine Klette. Dickes, rotes Blut rann aus der klaffenden Wunde, welche der Läufer immer weiter aufzureißen schien. Das mysteriöse und ansonsten so Majestätische Tier kreischte und biss um sich.

Ich musste etwas tun, das wusste ich. Ich war es ihm schuldig. Niemals könnte ich mir verzeihen, wenn diese riesigen, braunen Augen mich niemals mehr anstarren würden. Im Schein des Mondes glitzerte etwas weiter weg im Gras. Ich sah es und wusste sofort, dass der Zeitpunkt gekommen war, endlich mutig zu werden.

Avaranda - Stadt der DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt