Kapitel 20

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Als ich das nächste mal die Augen öffnete, war es stockdunkel. Verwirrt sah ich mich um. Ganz weit entfernt konnte ich eine Lichtquelle entdecken. Zögernd lief ich darauf zu und kam diesem Licht extrem schnell näher. Kaum fünf Sekunden später fand ich mich in einem leeren, weißen Raum wieder.

„Averi Cruz. Schön, dich wieder zu sehen.", lachte jemand hinter mir und obwohl ich seine Stimme erst einmal gehört hatte, erkannte ich sie sofort.

„Loki Lazar. Gleichfalls.", erwiderte ich sarkastisch und drehte mich zu ihm um.

Er stand kaum einen Meter von mir weg und musterte mich mit leuchtenden Augen. Jedoch meinte ich damit nicht das Leuchten, wie zuvor in der Hütte. Sie leuchteten eher, als wäre er ein halbverhungerter Wolf und ich ein saftiges Stück Fleisch. Seine Haare waren im Gegensatz zu vorhin matt und seine Augen wirkten leicht glasig. Stirnrunzelnd legte ich mein Handrücken auf Loki's Stirn. Er hatte Fieber.

„Alles okay?", fragte ich leicht besorgt und er lachte belustigt auf.

„Nicht wirklich. Dein Eis ist ziemlich stark.", antwortete der Sakur ehrlich und musterte mich weiter gierig.

Ich sah auf seine Hände, die tatsächlich noch von einer dünnen Schicht Eis bedeckt waren. Kopfschüttelnd strich ich darüber und das Eis schmolz, wie bei Jason zuvor. Wie konnte das sein? Wie konnte ich so stark sein, dass nicht mal Loki stärker als mein Eis war?

„Wie lange bist du schon auf der Academy?", fragte dieser und setzte sich auf ein schwarzes Ledersofa, dass plötzlich im Raum stand.

„Heute war mein erster Tag... ", murmelte ich und ließ mich neben ihn fallen.

„Das ist... ungewöhnlich. Hast du noch mehr Elemente?", fragte Loki mich weiter aus und schlang wie selbstverständlich den Arm um mich.

Seine Arroganz war so schnell verschwunden, dass ich es kaum bemerkte. Da ich jedoch sehr aufmerksam war, fiel es mir genau in dem Moment auf. War das vielleicht ein Trick, damit ich Vertrauen fasste und er mich dann umbringen konnte?

„Ja, aber da Jason mir erzählt hat, was du bist, werde ich dir nicht sagen welche", erklärte ich möglichst sachlich und lächelte ihn falsch an.

„Schlaues Mädchen", lobte Loki lachend und sah schon viel besser aus, als zuvor.

Seine Augen hatten wieder eine dunklere Farbe angenommen und auch seine Haare sahen nicht mehr ganz so matt aus. Mit der Farbe, die jetzt ebenfalls in sein Gesicht zurückgekehrt war, sah er echt erstaunlich gut aus.

„Mach ein Foto, hält länger", meinte er jetzt belustigt und stand wieder auf.

„Vielleicht wann anders. Jetzt belasse ich es dabei, zu bewundern, wie stark ich bin", erklärte ich ihm mit gespielter Arroganz und musterte ihn weiter.

„Das heißt dann wohl, dass du damit rechnest, mich wieder zu sehen", meinte Loki ebenfalls mit falscher Arroganz und einem spitzbübischem Lächeln.

„Ich habe mittlerweile erkannt, dass das nur ein Traum ist und wenn du das einmal hin kriegst, dann sicher auch wann anders wieder", führte ich meinen Gedankengang aus und lief sinnlos in dem leeren Raum umher.

„Naja, also, das ist teilweise richtig, aber ich kann nur in deine Träume, weil du mit Jason in einem Bett schläfst. Wie gesagt, wir sind Zwillinge", meinte der Sakur und lief mir in einem Meter Entfernung durch den Raum hinterher.

„Erstens, wie meinst du das und zweitens, hör auf, mir nach zu laufen, wie eine Ente seiner Mutter, das ist gruselig", brummte ich und blieb so plötzlich stehen, dass er fast in mich rein lief.

„Du bist wirklich noch so unwissend, ich fass es nicht. Haben nicht mal deine Eltern dir was erzählt?", lachte er spöttisch und sofort überkam mich die Trauer.

„Meine Eltern sind gestern bei einem Autounfall gestorben und bis eben hatte ich das erfolgreich verdrängt. Danke auch", knurrte ich beleidigt und lief von ihm weg.

Ansehen wollte ich ihn in dieser Situation nicht. Es war mir zwar irgendwie nicht peinlich, aber ich wollte trotzdem nicht, dass er die Tränen sah, die sich jetzt in meinen Augen bildeten. Krokodilstränen, hatte meine Mutter früher gesagt. Die erste kullerte mir über die Wange.

„Entschuldigung. Ich hätte nachdenken sollen", meinte Loki dicht hinter mir und schlang die Arme um mich.

Ich erstarrte einen Moment, weil ein seltsames Kribbeln durch meinen Körper ging, entspannte mich dann aber. Ich sollte zwar wirklich kein Vertrauen zu dem Sakur aufbauen, aber wie hieß es so schön? Sei deinem Freund nah, aber deinem Fein noch näher.

„Schon okay. Kannst du machen, dass ich aufwache?", hauchte ich mit leicht brüchiger Stimme und wurde jetzt doch verlegen.

„Nein, aber Jason kann ich wecken. Vielleicht hilft das. Bis dann, Kleine. Richte Jase Grüße aus", sagte Loki noch, dann war erst er weg, dann plötzlich das Zimmer und dann schwebte ich im nichts, bis ich wieder tief und fest schlief.


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