Herr Kalen. Das war der Name meines Kunstlehrers.
"Das ist eine interessante Interpretation des Themas."
Das waren die einzigen Worte, die sich am nächsten Tag einen Weg über seine Lippen gebahnt hatten, als er meine Bambuszeichnung sah.
War das jetzt gut oder schlecht?
Herr Kalen drückte sich viel zu eindeutig aus. Ich seufzte.Als wir anfingen, über unsere Gefühle und Gedanken zu reden, die wir bei dem uns vorliegendem Bild empfanden, klinkte ich mich endgültig aus. Leider empfand ich keinerlei Emotionen gegenüber meines Stück Papiers. Doch ich durfte meine Unbeteiligtheit nicht lange genießen.
"Frau Melain, Sie hat die Stärke des Bambus inspiriert, die Mächtigkeit dieser Pflanze. Sie haben sie auserwählt, wegen ihrer beeindruckenden Größe und Standhaftigkeit. Habe ich das so weit richtig verstanden?"
Ich unterdrückte gekonnt meinen ungläubigen Blick.
Nein, überhaupt nicht. Ich hatte mich auf dem Waldboden gewälzt, als ich die Pflanze entdeckte. Ich war erschöpft, wollte auf die Caoch und brauchte noch etwas für die Kunsthausaufgaben."Im Großen und Ganzen erfasst das meine Gedanken." Ich nickte zustimmend.
"Ihr Bild unterscheidet sich deutlich von den anderen. Meist wurde eine zierliche Pflanze gewählt, beispielsweise ein Löwenzahn, welche über längeren Zeitraum viel bewirkt."
Mein Kopf bewegte sich, ich versuchte, Herr Kalen interessiert anzuschauen. Aber meine Augenlider gehorchten nicht und schlossen sich immer mehr, bevor ich aufschreckte und meine Augen aufriss. Doch ich hatte einen dauer anhaltenden Schlafmangel, der nicht dazu beitrug, mich wachzuhalten.
Irgendwann ertönte der erlösende Gong und ich trottete zu Chemie. Fünf Schulstunden hinter mir, noch zwei weitere Stunden Chemie.Fröhlich hüpfend beeilte ich mich mit Vorfreude auf mein neues Fach. Falsch. Schlürfend kam ich am Fachsaal an, in dem ich wieder zwei quälend langsam verstreichende Stunden über mich ergehen lassen musste. Chemie war einfach nicht meine Welt. Für mich kompliziert, unverständlich und nicht nachvollziehbar. Letztes Jahr hatte ich es gerade so geschafft, eine ausreichende Note zu bekommen.
Und das Glück erreichte mich heute nicht, irgendjemand versperrte garantiert den Weg zu mir, denn mein alter Chemielehrer kam zur Tür herein. Meinen entsetzten Blick aus der letzten Reihe bemerkte er nicht.
Das war nicht gut.
Das konnte gar nicht gut enden.
Er hasste mich. Ob es an meiner gänzlichen Unfähigkeit im chemischen Bereich oder an meinen bissigen Kommentaren, mit denen ich ihm am Ende des letzten Schuljahres geantwortet hatte, lag, ich wusste es nicht. Ich dachte, ich würde nie wieder seine Sticheleien ertragen müssen. Er musste in jedem Unterricht darauf hinweisen, wie schlecht ich in Chemie war, indem er mich mit schweren Fragen bombardierte.
Ich war mir absolut sicher gewesen, eine Chemielehrerin zu haben. Und das da vorne war absolut kein weibliches Wesen."Guten Tag. Für die Unwissenden unter Ihnen, ich, Herr Jung, werde sie das nächste Jahr mit meiner Anwesenheit beehren und eine Aushilfskraft für Ihre bedauerlicherweise krank gewordene Chemielehrerin sein. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit."
Ein lautes Geräusch ertönte, als ich frustriert meinen Kopf auf den Tisch knallen ließ. Ein Schmerz fuhr durch meine Stirn, doch das war unwichtig.
"Cora Melain. Ich bin überrascht, sie hier anzutreffen. Ich hätte Sie wirklich nicht erwartet, aber ich bin gespannt auf ein weiteres Jahr voller Unwissenheit und ungeklärter Fragen." Es war geklärt, er war ohne Frage mein Lieblingslehrer.
Ich hob meinen Kopf und lächelte gequält.
"Die Freude ist ganz meinerseits.", erwiderte ich und starrte ihn an.
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Lodernde Blüte
FantasyVerunsichert, ohne Freunde. Allein, kein Vater. Unbeachtet, ein Nichts. Niemand kennt sie. Niemand sieht, was tief in ihrem Inneren verborgen liegt. Bis jetzt. Der Schein trügt die junge Cora, welche mit der Existenz der verborgenen Inseln, der Heim...