Nach einer Weile löste ich mich zögerlich aus der Umarmung und trat einen Schritt zurück.
"Ich glaube, ich sollte langsam gehen. Phil meinte nachdrücklich, dass ein längerer Aufenthalt in der Seelenlandschaft erheblichen Schaden mit sich bringen kann.", gab ich niedergeschlagen von mir.
"Nicht traurig sein, mein Liebling. Ich bin mir sicher, wir sehen uns bald wieder." Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Und bei Gelegenheit musst du mir mehr über diesen Phil erzählen."
Ich schaute ihn überrascht an.
"Phil ist nur irgendein Trottel, Dad. Ein Freund, weiter nichts."
Seine Augen blitzten wissend.
"Aber natürlich. Dann auf Wiedersehen."Ich lächelte und danke ihm innerlich, dass er mir half, wenigstens ein kleines Stück der Schuld wegen seinem Tot von mir zu nehmen. Als sich meine Gedanken Mom zuwendeten, verblasste Dads Statur immer mehr, bis selbst sein schmutziger Mantel mit ihm verschwunden war. Ich schloss meine Augen und es war wie eine leitende Hand in mir, die wusste, was zu tun war. Ich dachte an mein neues Zuhause, in welchem nur ich und meine Mom verweilten. Das kleine, gemütliche Häuschen stand am Rande einer wenig befahrenen Straße und im Garten konnte man im Sommer auf der Wiese liegend in den blauen Himmel schauen. Meine Kinderschaukel hatte ich wie fast alle alten Sachen in dem teils verbrannten Haus zurückgelassen. Meine Mom konnte in den neuen Wohnräumen wenigstens ein neues Leben beginnen und ich verband meine neue Heimat mit vielen freudigen Erlebnissen.
Einmal hatte ich aus Versehen den Gartenzwerg von Tante Else mit dem Rasenmäher zerschreddert. Mom hatte nur gelacht und mir gebeichtet, dass sie Elses Geschenk ohne hin hässlich gefunden hätte. Damals hatte sich auf mein Gesicht ein Lächeln geschlichen. Auch jetzt spiegelte sich dort die fröhliche Erinnerung wieder."Freust du dich so, mich zu sehen?", erklang der bekannte Tonfall von Phils Stimme.
Ich hob meine Lieder, drehte mich stürmisch in seine Richtung und umarmte ihn voller Glück.
"Ich habe es geschafft!" Überglücklich löste ich mich von ihm und schaute stolz die Straße entlang, bis mein Blick das Haus meiner Mom fand. Mein fettes Grinsen war auch von einem Kribbeln begleitet und ich versuchte mir meine Verlegenheit wegen des Körperkontakts nicht anmerken lassen.
"Die Röte ist nicht zu übersehen, Cora. Du kannst dein Gesicht noch so sehr mit deinen Haaren überdecken." Ich seufzte verzweifelt auf, der Haarvorhang war doch keine gute Tarnung. Belustigt klemmte er mir die Haarsträhne wieder hinter mein Ohr.
"Ich muss jetzt los." Schnell sprudelten die Worte aus mir raus und ich zeigte hinter mich.
"Natürlich, es wäre mir eine Ehre."
Fragend schaute ich Phil an.
"Mit Vergnügen bringe ich dich noch zur Tür. Das wolltest du doch gerade fragen, oder?"
Etwas perplex schaute ich ihn an.
"O-okay."
"Wie ich sehe, beruht die Begeisterung auf Gegenseitigkeit."
"Nein, so war das- Ich meine...Was ich sagen wollte, ist-"
"Schon gut, du musst in meiner Gegenwart doch nicht anfangen zu stottern, kleine Cora."
Empört reckte ich den Hals.
"Das- Nein, da hast du aber...Also ich-"
"Keine Sorge, ich verrate es auch niemandem." Er grinste verschwörerisch, als teilten wir beide jetzt ein kleines Geheimnis.
Ich konnte einfach nicht mehr antworten, mein Kopf war so überfordert mit der Situation, dass ich mich einfach umdrehte und in Richtung Haus lief. Ich hörte seine eiligen Schritte hinter mir und kurz darauf hatte er mich eingeholt.

DU LIEST GERADE
Lodernde Blüte
FantasyVerunsichert, ohne Freunde. Allein, kein Vater. Unbeachtet, ein Nichts. Niemand kennt sie. Niemand sieht, was tief in ihrem Inneren verborgen liegt. Bis jetzt. Der Schein trügt die junge Cora, welche mit der Existenz der verborgenen Inseln, der Heim...