Die Sonne ging gerade am Horizont unter und der Himmel war von orangenen Strahlen durchzogen.Meine Beine setzten sich in Bewegung, ohne dass ich über die Richtung nachdachte. Ich schaltete den Kopf aus und lief, lief immer weiter. Energie durchströmte meinen Körper und Hitze kroch über meine Haut. Die rötlich gefärbte Landschaft neben mir veränderte sich, leichter Sommerwind fegte mir um die Ohren und lies meine Haare im Wind wehen.
Ich fröstelte nicht, mein Körper ergoss sich in Hitze. Meine Hände glühten und meine Haut brannte. Ich brauchte Freiheit. Keine Gesellschaft, ein abgeschiedener Ort. Der Wald.
Meine Beine trugen mich in Richtung Wald, die Bäume kamen in Sicht. An Erschöpfung war nicht zu denken. Die letzten Monate Training hatte meine Ausdauer gestärkt. Ich verlor jegliches Zeitgefühl. Meine Atmung war perfekt auf meinen Schrittrhythmus abgestimmt. Vielleicht vergingen Minuten. Oder Stunden.
Am Anfang folgte ich einem kleinem Trampelpfad, bis ich in einen anderen einbog, immer weiter, nur weg. Einfach weg, von den verachtenden Worten der anderen Bändiger. Ohne denken, ohne Sorgen. Nur die Energie, die Macht, die mich kontrollierte.Eine Dorne verhakte sich in meinem Haar und mein Kopf wurde nach hinten gerissen. Ich blieb ruckartig stehen und zerrte an meinen hellbraunen Locken, die sich in der Pflanze verknotet hatten. Mit einem Ruck befreite ich den Großteil meiner Haare. Ich gab einen zischenden, schmerzerfüllten Laut von mir, als ich mir den letzten, nicht los zu lösenden Haarbüschel brutal ausriss. Ich stolperte zurück und verfing mich fluchend erneut in einem Gestrüpp, fiel aber zum Glück nicht hin. Die ausgerissenen Haare wehten spöttisch an der gegenüberliegenden Pflanze in einem Luftzug und schienen mich zu verspotten. Verbittert zog ich die Luft ein.
Ich betrachtete meine Beine, die komplett in einem Wirrwarr von Grünzeug gefangen waren.
Ich wollte weiter, meinen Beinen freiem Lauf lassen und mich in diesem Rausch verlieren. Aber meinen Fuß konnte ich kaum bewegen. Doch nichts würde mich aufhalten, mein Zorn war durch den Verrat der anderen Elemente entfacht.
Ich fokussierte die Ranken, die sich um meine Beine schlangen. Ein absurder Befehl entwich meinem Mund, an den ich nicht zu denken gewagt hätte.Weiche deinem wahrem Meister!
Ich dachte, ich würde überrascht nach Luft schnappen, als sich die Pflanze zurück zog. Aber das war falsch, es war nichts Unerwartetes, denn insgeheim hatte ich es gewusst. Ich hatte gewusst, dass Tränke brauen nicht alles sein konnte.Zufrieden umspielte ein Lächeln meine Mundwinkel. Ich schritt weiter hinein in den Wald, diesmal viel langsamer. Keine summenden Insekten durchbrachen die harmonische Stille und kein Vogel zwitscherte. Ich wusste, was zu tun war, ich kannte die Richtung, ich die ich laufen musste. Eine innere Ruhe strömte von mir aus, stolz bewegte ich mich vorwärts. Kein Ast wagte sich mehr in meinen Weg, kein Zweig verfing sich in meinem Haar. Unberührt schritt ich durch den Wald und mir war, als neigten sich die Pflanzen gebieterisch zur Seite, um mir Platz zu machen. Mein Weg endete auf einer kleinen Lichtung und sofort wurde mein Blick auf etwas gelenkt. In der Mitte wuchs eine einzige Blume, die sich zum Himmel richtete. Sie leuchtete in einem tiefen Rotton, wie gebannt zog sie meinen Blick auf mich. Sie zog mich an und ihre ganze Pracht erfüllte mich. Ein Fuß setzte sich wie automatisch vor den anderen.
Ich spürte einen erleichterten Laut meiner Kehle entkommen, als meine Finger über die samtig weichen Blätter fuhren. Ich kniete mich auf den Boden, jede Handlung fühlte sich vorherbestimmt und sicher an. Die Blüte pulsierte in kräftigem rot, wie Blut, als wäre sie das Leben selbst. Meine Finger glitten unter den Kelch ich spürte wie die zarten Blätter mein Handgelenk kitzelten, als ich die Blume auf meinen Pulsadern platzierte. Vertraute Energie durchflutete mich und belebte meinen Geist. Ich hörte die Vögel wieder summen und die Blätter des Waldes rauschen. Erleichtert atmete ich aus. Ein sanfter Druck lies mich zu meinen Unterarm schauen. Die rote Blume leuchtete in ihrer vollen Schönheit auf meinem Handgelenk, um meinen Unterarm wand sich ihr Stiel. Fasziniert wendete ich meinen Arm und beobachtete die Pflanze, die sich schraubenförmig um meine Haut schloss.
Ohne Vorwarnung schoss ein stechender Schmerz durch meinen Körper und meiner Kehle entwich ein überraschter Schrei. Die Ranke wand sich enger um meinen Arm. Ich brach auf dem Boden zusammen und presste die Hände an meine Schläfen. Dunkelheit umfing mich. Mein Gesicht war schmerzverzerrt und ich presste meine Augen zusammen. Mein Handgelenk brannte und mein Unterarm fühlte sich wie lebendiges Feuer an. Plötzlich tauchten zwei eisblaue Augen vor mir auf und durchbohrten mich. Ich keuchte unter den Schmerzen auf. Doch im selben Moment verschwand der lauernde Blick und der Schmerz wich so plötzlich, wie er gekommen war. Zitternd lag ich auf dem Boden und schnappte nach Luft. Mit einem Keuchen richtete ich mich auf. Augenblicklich flogen meine Augen zu meinem Arm, der fürchterlich zu jucken begann. Ich zog vor Schreck die Luft ein und betastete meinen Arm, doch die Pflanze war nicht zu erfassen. Aber ich sah sie. Wie eingebrannt schimmerte mir die rote Blüte von meiner Haut entgegen. Hektisch rubbelte ich über meine Haut. Die innere Ruhe und Harmonie war verschwunden. Dieses Ding soll verschwinden! Ich gab meinen verzweifelten Versuch auf und lies den Kopf hängen. Was hatte ich mir nur wieder eingebrockt? Ich wollte mein Element stolz machen und hatte mich nur selbst enttäuscht. Rhia hatte ganz Recht, mein Element war zu nichts gut. Ich war verloren im Wald und hatte ein unerklärliches Tattoo auf meinem Arm, das sich nicht entfernen lies. Doch viel schlimmer als all das war, dass ich versagt hatte.

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Lodernde Blüte
FantasyVerunsichert, ohne Freunde. Allein, kein Vater. Unbeachtet, ein Nichts. Niemand kennt sie. Niemand sieht, was tief in ihrem Inneren verborgen liegt. Bis jetzt. Der Schein trügt die junge Cora, welche mit der Existenz der verborgenen Inseln, der Heim...