12.

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Stöhnend erwachte ich am nächsten Morgen. Jede Faser meiner Körpers fühlte sich an, als wäre sie zum Zerreißen gespannt, weshalb ich mich nur schwerfällig bewegen konnte. Die Treffer von Leon waren wie Zielscheiben durch blaue Flecken gekennzeichnet und an meinem Schienbein prangte eine angeschwollene Beule.
Schritt für Schritt schaffte ich mich durch den Tag und vermied es, auch nur meinen kleinen Finger zu rühren. Die ganze Zeit schob ich das Treffen mit Kyle vor mir her, bis ich mich beim letzten Schulgong bedauerlicherweise auf die Suche nach ihm begeben musste. Ihn zu finden, war einfacher als gedacht. Seine Schulter lehnte lässig an einem Spind und leider pflegte er sich in bester Gesellschaft. Mal wieder war ein Treffen mit meiner allerbesten Freundin Rhia unvermeidbar.

Seine Hand platzierte er bei der Abschiedsumarmung entspannt an ihrer Taille, während ich missmutig neben den beiden zum Stehen kam. Rhia lies endlich von Kyle ab, doch als ihr Blick zu mir glitt, verfinsterte sich ihr Ausdruck. Gelangweilt erwiderte ich ihre zornig funkelnden Augen, ich durfte mich nicht unterkriegen lassen. Nicht so leicht getan wie gedacht, wenn dich eine giftige Schlange mit ihren Blicken durchbohrt.

"Kyle...", ich drehte dem Biest den Rücken zu, "...können wir reden?"

Ich hörte Rhia hinter mir dramatisch die Luft einsaugen, als hätte ich gerade verkündet, gegen sie bei der Kandidatur der Schulsprecher anzutreten. Aber ihrem Einschub kam Kyle zuvor:

"Sie ist jetzt mit von der Partie.", beschwichtigte er Rhia.
"Natürlich können wir reden.", fügte er an mich gewandt hinzu.
Er steckte seine Hände in die Hosentaschen und schlenderte den Gang hinunter. Ich biss meine Zähne zusammen und ging mit schnellen Schritten neben ihm, um nicht zurückzufallen. Meine Beine fühlten sich an, als würden sie jeden Moment einfach vor Erschöpfung zusammenfallen. Trotz der Schmerzen stahl sich ein verschlagenes Lächeln auf mein Gesicht, als wir Rhia hinter uns ließen. Wenigstens sie konnte meine Laune nicht herunterziehen.

"Was gibt's so dringendes?" Forschend warf er mir einen Seitenblick zu.

Verlegen schaute ich auf die Treppenstufen, die wir hinunter gingen. Irgendwie schuldete ich ihm eine Entschuldigung für das unfreiwillige Wasserbad und für meine Attacke. Und leider war ich auch beim Sporttraining von ihm abhängig. Doch die richtigen Worte zu finden war manchmal schwerer als große Taten zu leisten.

"Ruiniert es nicht deinen Ruf, mit mir gesehen zu werden?", lenkte ich von meinem eigentlichen Thema ab.

Abrupt blieb er am Treppenende stehen und fing meinen Blick auf. Seine Gesicht runzelte sich irritiert und eine kleine Furche bildete sich auf seiner Stirn.

"Cora Melain, ich glaube du hast ein komplett falsches Bild von mir."

Nun war ich die, die überrascht war.

"Bist du dir da sicher? Ich kenne nur den Eindruck, den du mir von dir vermittelst.", konterte ich.

"Ich vermittle dir also, dass ich ungern mit dir gesehen werde?"

"So hat es den Anschein."

Er stutzte, überlegte kurz, bevor er mir seine Hand entgegen streckte.

"Dann müssen wir das schleunigst ändern. Auf einen Neubeginn, ohne Vorurteile und Anschuldigungen.", eröffnete er feierlich.

Ich schlug mit meiner Hand ein. "Dann ist alles verziehen?" In meinen Gedanken blitzte das Bild auf, als ich ihn kreischend wie eine Verrückte in den Fluss rammte.

"Alles verziehen.", bestätigte er grinsend.

"Das denke ich auch. Trotzdem habe ich niemanden gegen seinen Willen betäubt und entführt.", spielerisch beleidigt streckte ich meine Nase in die Luft.

Lodernde BlüteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt