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Phils Blick fing meinen.
"Aber mach dir nicht zu große Sorgen Kleine, uns bekommen die nicht."

Obwohl sich ein ungutes Gefühl in mir breit machte, umspielte ein Lächeln meine Lippen. "Ach und wer hält sie auf?"

Phil ging auf mein Spielchen ein. "Ich natürlich. Zum Schutz für Mylady opfere ich sogar meinen Knackarsch."

"Gut zu hören, dass noch ein ehrenwerter Ritter übrig ist. Aber schaffst du das auch?" Er reckte stolz seine Brust raus.

"Klar, ich hab trainiert und das Eisbeschwören klappt immer besser."

Das erinnerte mich an unser ersten Zusammentreffen, bei welchem er mir enthusiastisch den kleinen Fisch zeigte, den er aus Wasser formen konnte. "Kannst du mittlerweile schon einen Eisfisch oder wie?", grinste ich ihn herausfordernd an.

"Besser als Heilpflanzen zu suchen.", feixte er. Meine Stimmung drohte zu kippen, mein Element war immer noch ein empfindliches Thema, und mein Gesprächspatner bemerkte zum Glück die Situation.
"Aber lass mich dir noch eine Geschichte erzählen, Klein-Cora." Seine Augen funkelten schelmisch. "Es ist ein Mythos über die Bändigerinseln. Denn eigentlich existieren nur noch neunundneunzig Inseln, Nummer Hundert ist wegen einer kleinen Furie, wie du es sein kannst, untergegangen." Ein Grübchen erschien auf seinem Gesicht, als der Wasserbändiger sich über seine eigene Anspielung amüsierte. "Aber lass mich von vorne beginnen: Unsere Insel ist ein bunter Mixhaufen voll mit den vier Elementen. Doch es gibt auch spezifische Bändigerinseln, auf denen nur ein Element herrscht. So existierte vor langer Zeit eine Insel, bevölkert von meines gleichen. Es war der Lieblingsort eines mächtigen Wasserbändigers, der der Regent vieler Inseln war. Doch dieses Inselreich war sein prachtvollstes: Drei breite Schutzringe mit Meerwasser durchfluteten Kanälen säumten sich um das Zentrum, eine rießige Ebene, auf welcher sich mit Gold- und Silberverzierungen überzogene Tempel und Kultstätten erstreckten. Sein Herz schlug für dieses Reich und es war ihm nach seiner Geliebten das Höchste auf Erden. Doch er zog die Missgunst seiner Angehimmelten auf sich - durch eine Tat erzürnte er sie. Wodurch ist unklar, doch der Sage nach brach er ihr das Herz, sodass sie ihm nie wieder unter die Augen treten wollte. Doch er liebte sie zu sehr, konnte sie nicht ziehen lassen, wollte sie für immer an seiner Seite wissen. Die Geliebte aber suchte nach einem Ausweg, der Gefangenschaft zu entfliehen, bis ihr wütendes Herz einen Racheplan schmiedete, der in unsere Geschichte eingehen würde. Sie sammelte ihre Kraft, legte all ihre Wut hinein, um ihn genauso zu verletzen, wie er es bei ihr getan hatte. Ihre zornesgeballte Hand rief das Meer und den Wind, der Boden erbebte, zitternd beugte sich alles ihrer Macht. Und die Insel des Geliebten, Atlantis, wurde von den Wellen verschluckt und riss den letzten Teil seines gutmütigen Herzen mit in das tiefe Blau des Ozeans." Gebannt hatte ich meinem Gegenüber gelauscht und wagte in dieser kurzen Sprechpause nicht zu antworten und die mystische Stimmung zu zerstören.
"Natürlich ist 99 Prozent der Geschichte dramatisiert und mit schönen Details ausgeschmückt, aber ich denke sie enthält trotzdem einen wahren Kern." Ein spitzbübisches Grinsen eroberte seine Züge. "Man sollte immer Acht geben, mit welcher Frau man sich anlegt, denn es gibt welche, die bringen nur Ärger mit sich."

Phils lachte so herzhaft, dass ich gar nicht anders konnte, als mit einzusteigen. Aber dieser emotionsgleiteten Zerstörerin wollte ich echt nicht über den Weg laufen.

"Aber wie dein Unkraut mich vorhin vollkommen platt gemacht hat, war auch nicht schlecht.", lenke Phil das Gespräch wieder in die Gegenwart. "Du musst trotzdem noch ein bisschen üben, bis du eine ganze Insel vernichten kannst."

"Lieber eine Unkrautjähterin als eine Eisprinzessin." Er zog einen Schmollmund.

"Manchmal bist du so mies Cora. Könntest du nicht einmal so umschludig sein, wie du aussiehst?"
Ich zwinkerte ihm zu. "Das ist doch nur meine Masche, um andere weich zu klopfen."

Das Gespräch verlief noch weiter über belanglose Dinge und ich genoß die Zeit mit Phil.

***

Der Mond strahlte rein und hell im dunkeln Schwarz des Himmels und das klare Weiß schien jeden meiner Schritte zu verfolgen. Das Hauptgebäude der Insel warf tiefe Schatten, als ich mit großen Schritten darauf zueilte. Ein Windzug streifte an mir vorbei und keine Sekunde später stand ich Lins vorfreudig glühenden Augen gegenüber. Überrascht wich ich einen Schritt zurück und blickte sie irritiert an.

"Als Luftbändiger hab ich übermenschliche Schnelligkeit.", informierte sie mich und zuckte mit den Schultern, als berichte sich mir vom Wetter,"Geht ganz einfach. Ich manipuliere einfach die Moleküle um mich herum, sodass ich schneller vorankomme."

Ich grinste breit. "Das ist verdammt cool."

Lin nickte freudig. "Bei den Feuerdornlern kann ich mir das auch zu nutze machen. Du bist halt leider zu lahm.", stichelte sie. "Deshalb ist dein Part, dass du deine hyperkrasse Hör- und Sehfähigkeit aktivierst. Dann erspähen wir hoffentlich die Ich-fakel-deinen-Arsch-ab-wenn-du-mir-zu-nah-kommst-Dinger, bevor sie uns finden und überraschen."

"Hört sich nach einen Plan an."

So bewegten wir uns dann zwanzig Minuten durch den Wald. Ich trampelte mit wachsamen Augen voran, Lin tänzelte grazil wie eine Elfe neben mir. Ihre Haut bekam durch die Dunkelheit einen unnatürlich hellen Glanz und ihr langes schwarzes Haar umfloss ihren Rücken noch seidener, sodass ihre Gesichtszüge wie aus Porzelan wirkten. Zerbrechlich, fein und unwirklich, aber wunderschön. Sie schwebte in leichten Schritten neben meinem Elefantengang. Als sie sich mit federleichten Sprüngen zwischen den Ästen und trockenen Blättern hindurchstahl, erahnte ich bald, dass ich neben mir nicht nur eine Luftbändigerin als auch eine leidenschaftliche Ballerina hatte. In meiner Faszination versunken, wäre mir beinahe der neuartige Geruch ergangen, der in einem Lufthauch an mir vorbeizog. Angewurzelt blieb ich stehen, schloss die Augen und witterte. Der ausgefallene Duft umfing mich, stahl sich in meinen Geist und überwältigte mich plötzlich so intensiv, dass ich mich ihm nicht entziehen konnte. Kiefernnadeln. Das erste Wort, mit welchem ich versuchte, dieses irgendwie bekannte Gefühl ansatzweise zu beschreiben. Der strenge Geruch von Kiefernnadeln, der sich prikelnd süß und stark in meine Nase grub. Zusätzlich umhüllt von einer rußige Note, einer feurige Eigenartigkeit. Wie wenn man die belebende Ausstrahlung der Flamme selbst in den Duft gepackt hätte. Tief sog ich das betörende Aroma in mich auf und wusste, dass wir hatten die Feuerdornler aufgespürt hatten. So vertraut wie mich ihr heimischer Duft traf - so angezogen fühlte ich mich. Mit neuer Energie stampfte ich los, eingehüllt von Vertrautheit, antrieben von der Verlockung des Neuen. Lin war an meiner Seite, oder hinter mir - oder eben nicht. Gefesselt, diesem allzu vertrauten Geruch zu folgen, bewegte ich mich zügig durch den dunklen Wald. Doch meine geschärften Sinne waren mehr als aktiv, beinahe summte die Luft in meinen Ohren durch meine aufgewühlte Seele. Gleichermaßen geschickt schlängelte ich mich zwischen den Baumstämmen hindurch. Nur ab und zu streifte raue Rinde über meinen Arm und erzeugte eine wohlige Gänsehaut, die sich über meinen ganzen Körper zog. Meine Füße fanden erst Ruhe, als der lieblich strenge Geruch der Feuerdornler mich komplett umfing. Mein Körper stand unter so starker Anspannung, dass ich Lins Tippen auf meinem Oberarm erst bemerkte, als es sich in leichtes Schlagen verwandelte.
"Hallo?? Erde an Cora!" Lin hatte ich ja ganz vergessen. Ich fing ihren Blick und versuchte, ihr meine ganze Aufmerksamkeit zu schenken, selbst wenn meine Gedanken immer wieder zu meinen animalischen Instinkten abtrifteten.
"Kannst du mich nächstes mal vorwarnen, wenn du wieder vor hast, wie eine Besessene durch den Wald zu rennen?", meckerte Lin vor mir. Ihr Mund was missbiligend verzogen, was überhaupt nicht in ihr blasses pupenartiges Erscheinungsbild passte.
"Tut mir Leid, ich hab nur ihre Spur aufgenommen und war wie gebannt und..."

"Jaja und mich hättest du alleine im Wald stehen lassen", unterbrach sie mich und legte beleidigt den Kopf.

"Wie gesagt, tut mir Leid, aber vielleicht ist das hier nicht der richtige Zeitpunkt um-"
Diesmal unterbrach mich ein Knacken. Ein leises Geräusch, wie das Zerbrechen eines morschen Astes, und trotzdem passte es nicht in dem natürliche Klang des Waldes. Lin erstarrte, riss ihre runden Augen auf und lies den Mund offen stehen.
"Sie kommen.", flüsterte sie und ihre Rehaugen huschten zu mir. "Sie kommen uns holen, Cora. Wir sind in ihr Revier eingedrungen und nun umzingeln sie uns."

Auch mein Herz pumpte panisch in meiner Brust. Ganz ruhig, versuchte ich mir selbst gut zuzureden. Du hast diese Tiere schon einmal überlebt. Und vielleicht sind sie dein einziges Mittel zum Zweck um die Lebensblüte heraufzubeschwören.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 06, 2017 ⏰

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