11.

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Der nächste Schultag verlief ohne herausragende Ereignisse. Ich schlürfte von Raum zu Raum, täuschte Aufmerksamkeit bei den Lehrern vor, obwohl ihre langweiligen Reden sich in die Länge zogen. Nur in Deutsch und Biologie kam wahres Interesse auf, dass aber in den folgenden Stunden schnellstens wieder verflog. Es schlich sich immer wieder der selbe Gedanke in meinem Kopf: Ich würde auf die Insel zurückkehren.
Wenn ich daran dachte, flatterte mein Herz aufgeregt und meine Hände zitterten vor Freude. Ich sollte kritisch bleiben, ich wollte doch von Anfang an die Sache nur beäugen, um hinter das Geheimnis der Tricks zu kommen. Aber da war wieder dieses Zugehörigkeitsgefühl, was mich zu Kyle hinzog. Dieses Empfinden, ein innerer Leitfaden, der mir sagte, dass es richtig war, was ich tat. Der mir zusicherte, ich müsste auf die Insel zurückkehren, alles entspreche der Wahrheit. Aber woher sollte ich dieses Wissen ziehen? Am Ende würde ich es nur bereuen, wenn sie mich in ihre komische Gemeinschaft aufgenommen hatten. Doch das stimmte nicht, ich wusste es. Irgendwie.

Es hörte sich nicht so fremd an, wie gedacht, nicht so absurd, wie erahnt. Ich, eine Elementbändigerin. Ich, die das Element Erde beherrschte. Das Flattern in meiner Brust kam zurück, nervös sehnte ich den Mittag herbei. Woher kam das? Wieso wollte ich plötzlich so dringend zurück auf die Insel und zu den anderen Bändigern?
Weil ich es erkannt hatte, als ich dort aufgewacht war. Ich war zu sauer auf Kyle gewesen, um es zu merken, aber mich hatte ein tiefes Gefühl der Erleichterung überfallen. Ein Aufatmen nach einer langen Suche. Ich war angekommen, bei den meinen, den Menschen, die über die Natur herrschten. Tief in mir war etwas zu Ruhe gekommen und ich wollte um jeden Preis zurück an diesen Ort. Dieser Ort, der innere Geborgenheit in mir auslöste.
Das war ja fast krank, seit wann empfand ich denn so etwas? Ich sollte das nicht tun und das Ganze vergessen...
Aber einmal? Einmal, vielleicht - ganz vielleicht - noch die Insel besuchen? Das würde akzeptabel sein. Einmal. Dann musste ich aufhören. Doch der Drang, zurückzukehren, würde nicht verschwinden und sich der Gedanke nicht einfach auflösen.
Nein. Nein. Das war ja schon der schlechte Anfang einer Sucht. Einmal. Schluss. Punkt. Aus.

Es war ein leeres Versprechen, das war mir von Anfang an klar, aber das konnte ich vorerst noch leugnen. Ich würde die Ausbildung zum Bändiger beginnen, es war ein Pflichtbewusstsein, eine Sehnsucht, eine vorherbestimmte Richtung.
Wahrscheinlich wollte ich einfach nur akzeptiert werden, ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln, neu beginnen, diesmal ohne Vorurteile. Nicht die niederträchtigen Blicke meiner Mitschüler im Nacken spüren. Oder alles nur Ausreden? War es doch ein gewisser Junge, der mich beeinflusste?

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Den Unterricht hatte ich hinter mich gebracht und war nach Hause geeilt. Ich hatte mir eine luftigere Jeans angezogen, in der ich mich leichter bewegen konnte. Seit zehn Minuten saß ich wartend auf meinem Bett, zu Mittag hatte ich schon gegessen. Tausend Gedanken schwirrten wieder durch meinen Kopf, die Vorfreude war da, aufbruchsbereit saß ich die Zeit ab. Dann ertönte die erlösende Klingel, ich sprang auf und stürmte hinunter in den Flur. Ich rief ein paar Abschiedsworte und knallte die Tür hinter mir zu. Phil musterte mich draußen kritisch.

"Alles klar bei dir?"

Ich stand auf brennenden Sohlen, der Drang vergrößerte sich, ich wollte Neues entdecken und konnte mich nicht mehr zurückhalten.
Ich nickte übereifrig.

"Gut, dann bin ich gespannt, ob die Freude auch noch während des Trainings währt. Nur am Rande, der Anfang ist der Horror. Die Kunst ist es dabei, nicht aufzugeben." Seine Augen funkelten.

"Dann lass uns loslegen."

Ich spornte Phil an, sodass er von seinem Schlendern in einen schnellen Schritt überging, bis wir in den nahegelegenen Wald gelaufen waren.

Lodernde BlüteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt