10 - Theater

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Ich schlage die Augen auf und mein Blick fällt als Erstes auf die Sonnenblume, die gelb und riesig auf meinem kleinen Tisch steht. An ihr vorbeizusehen ist ebenso unmöglich wie nicht an Damian zu denken. Ich war mehr als einmal kurz davor, sie wegzuschmeißen, habe es dann aber doch nie übers Herz gebracht. Es ist schließlich nicht ihre Schuld, dass Damian sich unmöglich benommen hat, also sollte ich sie auch nicht bestrafen. Sie wird ohnehin bald verblühen und  mich dann endlich auch nicht mehr ständig an Damian erinnern. Fraglich ist, ob meine Gedanken, die offensichtlich ihren ganz eigenen Weg gehen, mir den gleichen Gefallen erweisen werden. Wenigstens habe ich heute zur Abwechslung ausgeschlafen. Es ist schon kurz vor eins. Obwohl ich so viel auch wieder nicht geschlafen habe, wenn ich ehrlich bin. Es muss ziemlich spät gewesen sein, als ich nach stundenlangem Grübeln endlich in den Schlaf gefunden habe. Ich erinnere mich schwach daran, dass das Letzte woran ich gedacht habe, Damian war, und jetzt kreisen meine Gedanken schon wieder um ihn. Seit Montagmorgen grüble ich quasi unablässig darüber nach, ob ich mit ihm ins Theater gehen soll oder nicht. Das Thema beschäftigt mich viel mehr, als mir lieb ist. Ich bin trotzdem noch immer zu keiner Entscheidung gekommen. Gehe ich heute nun mit ihm hin oder lasse ich ihn einfach blöd vorm „Na dann" stehen? Verdient hätte er es. Definitiv!

Eva und Nina gehen davon aus, dass ich hingehe. Sie finden die Einladung ganz süß, obwohl sie ihm gegenüber immer noch skeptisch sind. Wenn die wüssten, wie richtig sie damit liegen! Ich habe ihnen immer noch nicht erzählt, was am Sonntag passiert ist. Am Montag war alles noch zu frisch und der Ikea war auch kaum der passende Ort für ein solches Gespräch. Und nach unserem Einkaufstrip war ich fix und fertig. Nina hat uns Ewigkeiten durch den völlig überfüllten Laden geschleift und Unmengen von Deko für ihre Wohnung eingepackt. Keine Ahnung, wie sie das alles in zwei Zimmern unterbringen will. Ich selbst habe nur ein paar Duftkerzen gekauft. Apfel für die momentane Sommerhitze und Vanille für den Herbst.  Eva hat sich ebenfalls ziemlich zurückgehalten, konnte lediglich einem Spiegel nicht widerstehen, der so hoch ist, dass wir ihn nur mit Mühe im Auto unterbringen konnten. Sie wollte endlich einen in ihrem eigenen Zimmer haben, um sich von Kopf bis Fuß betrachten zu können, bevor sie ausgeht. Dabei ist völlig egal, was sie anzieht, sie sieht immer umwerfend aus. Da kann ich nicht ganz mithalten, denke ich mit leichtem Bedauern, obwohl ich auch recht zufrieden mit meinem Äußeren bin. Der Busen könnte etwas kleiner und die Hüfte etwas schmaler sein, aber irgendwas hat man wohl immer an sich selbst auszusetzen. Da macht selbst Eva keine Ausnahme, obwohl sie objektiv betrachtet geradezu der Inbegriff von Perfektion ist. Zumindest ist meine Wespentaille top und an meinem Gesicht gibt es auch nichts wirklich auszusetzen. Jungs finden mich durchaus anziehend, wenn ich nicht gerade neben Eva stehe. Nur in ihrer Gegenwart ist mein Ego manchmal leicht angeknackst. Das ist gerade aber auch völlig egal. Damian steht offensichtlich nicht auf Eva. Die Frage ist eher, ob er auf mich steht? Im Grunde ist auch das egal, da ich schließlich nichts von ihm will. Viel blöder ist, dass meine beiden Freundinnen immer noch nichts von meinem Dilemma wissen.

Um mich abzulenken, habe ich gestern stundenlang gelesen und bin nachmittags ziellos durch die Boutiquen der Innenstadt gebummelt. Einer leicht durchscheinenden, schwarzen Chiffonbluse mit passendem Seidentop darunter konnte ich nicht widerstehen, obwohl sie für mein bescheidenes Budget eigentlich zu teuer war. Seit ich die Lehre mache, finden meine Eltern, dass ich meine Klamotten selbst bezahlen kann, schließlich verdiene ich Geld und muss keinen Unterhalt abgeben. Mama drückt allerdings schon mal ein Auge zu, wenn wir zusammen in die Stadt gehen und bezahlt mir neue Sachen. Im Moment habe ich zusätzlich das Urlaubsgeld, das sie mir dagelassen haben. Sie hatten wohl ein schlechtes Gewissen dabei, drei Wochen nach Italien zu fahren, während ich meinen Urlaub in Buchfeld verbringe. Eine andere Erklärung finde ich jedenfalls nicht dafür, dass sie mir deutlich mehr Kohle dagelassen haben, als ich in der Zeit je für Essen ausgeben könnte. Jedenfalls nicht, wenn ich nicht vorhabe, meine Ernährung komplett auf Kaviar und Champagner umzustellen. Also habe ich mir die Bluse gegönnt. Fürs Theater heute Abend wäre sie perfekt: chic und zugleich sexy. Neben Damian, der sicher wieder in irgendwelchen verwaschenen, labbrigen Klamotten auftauchen wird, wäre ich damit sicher komplett overdressed. Aber er kann ruhig sehen, dass ich in einer anderen Liga spiele.

Entflammt - Ronja & Damian Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt