37 - Unerreichbar

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Song zum Kapitel: Sometimes Always - The Jesus and Mary Chain


Etwa drei Wochen später

Erschöpft liegt mein erhitzter Kopf auf Damians nackter Brust, die von einem feinen Schweißfilm überzogen ist, und wir schweigen seit einer Weile. Es ist ein distanziertes Schweigen, dem die Worte fehlen, keine Stille, die wir gemeinsam genießen. Kurz zuvor hatte ich beim Sex wie stets dieses unglaubliche Gefühl von Nähe und Einverständnis, das wir von Anfang an hatten. So wie unsere Körper beim Liebesakt harmonieren, unsere Herzen dabei im Einklang schlagen, sollte man doch meinen, dass sich wenigstens etwas davon auf den Alltag überträgt. Aber wir sind weit davon entfernt unsere Beziehung zu festigen, weiter denn je. Die letzten Wochen waren ein einziges Auf und Ab, oder eher ein stetiges Ab, wenn ich ehrlich zu mir bin und unsere nie versiegende Leidenschaft füreinander außer Acht lasse. Sie scheint inzwischen der einzige Kitt zu sein, der uns aneinander bindet, oder ihn an mich. Ich liebe ihn, liebe ihn so sehr, dass jeder Tag, jede Stunde ohne ihn eine Qual ist. Doch er macht es mir inzwischen fast unmöglich weiter an uns zu glauben und selbst die Zeit mit ihm ist inzwischen oft von trüben Gedanken überschattet. Selbst jetzt, wo er hier direkt neben mir liegt, ich seinem von der Anstrengung immer noch hämmerndem Herzen lausche, scheint er ganz weit weg zu sein. Was ich auch versuche, er hält mich auf Abstand, verschließt sich zunehmend vor mir. Ich spüre, dass ihn etwas belastet, seine Laune ist oft schlecht, aber ich dringe längst nicht mehr zu ihm durch. Wann immer ich ihn frage, was los ist, kommt die lapidare Antwort „Nichts! Was soll schon sein?" Es macht mich wahnsinnig! Gerade jetzt spüre ich schmerzlich, dass er mit seinen Gedanken meilenweit entfernt ist.

„Woran denkst du?", wage ich einen zaghaften Vorstoß, genau wissend, dass er mich nicht darüber aufklären wird, was wirklich in seinem Hirn vorgeht.

„Nix eigentlich, bin viel zu erschöpft zum Denken", murmelt er und ich explodiere innerlich, weil die Lüge wie eine dunkle Wolke im Raum steht. Ich möchte ihn anschreien, schütteln, keine Ahnung, irgendwas unternehmen, das ihn zwingen würde, endlich mit der Sprache rauszurücken. Aber nichts davon mache ich. Meine Angst, ihn zu sehr unter Druck zu setzen und erneut zu verlieren ist zu groß. In diesem Moment hasse ich mich, hasse ihn, hasse dieses vertrackte Wir, das nirgends hinzuführen scheint. Das erneute Schweigen ist laut, es hallt in meinem Kopf, übertönt selbst seinen Herzschlag an meinem Ohr. Wenn ich nur wüsste, wie ich dagegen ankommen kann. Irgendeinen Weg zu ihm muss es doch geben. Schließlich ist er immer noch bei mir und obschon er mich nicht an sich heranlässt, weiß ich, dass ich ihm nicht so gleichgültig bin, wie es manchmal scheint, auch wenn er mich vermutlich nicht annähernd so liebt, wie ich ihn.

„Verflucht, wie spät ist es?", durchdringt seine Stimme unterwartet die Stille.

„Keine Ahnung, warum?"

Er schiebt meinen Kopf zur Seite und richtet sich abrupt auf, um nach seiner Uhr auf dem Nachttisch zu greifen.

„Fuck, schon nach zehn. Ich muss los, bin viel zu spät!"

„Wohin musst du?", frage ich erstaunt, weil bisher nicht die Rede davon war, dass er noch irgendwohin muss, noch dazu um diese Zeit an einem Freitagabend.

„Zu nem Kumpel, hab versprochen, ihm bei was zu helfen."

„Wem denn?"

„Kennst du nich."

Na toll, er schmeißt mich quasi aus seinem Bett und kann mir nicht mal sagen, mit wem er verabredet ist? Wut und Enttäuschung brodeln in mir auf und besiegen die lähmende Angst.

„Dir fällt aus heiterem Himmel ein, dass du weg musst, und kannst mir nicht einmal sagen zu wem? Das ist so erbärmlich!", sprudelt es unreflektiert direkt aus meiner verletzten Seele heraus.

Entflammt - Ronja & Damian Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt