25 - Wohin?

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Song zum Kapitel: Love is all around - Wet Wet Wet

Oh Graus, heute werden meine Eltern Damian kennen lernen! Bei dem Gedanken verkrampft sich alles in mir. Hoffentlich werden sie nicht allzu peinlich sein und hoffentlich wird ER sich vernünftig benehmen! Fehlt noch, dass er schlecht drauf ist und die Arschlochnummer macht. „Bitte, bitte, lass ihn in ihrer Anwesenheit seine charmanteste Seite zeigen", flehe ich stumm gen Himmel und komme mir sogleich albern vor. Seit wann mache ich sowas? Müssen die zum Zerbersten gespannten Nerven sein und das mulmige Gefühl über das bevorstehende Kirchenwochenende, das unaufhaltsam näher rückt. Na ja, wenn ich bereit bin, Gott so viel Zeit zu widmen, kann er mir ja vielleicht auch mal kurz zuhören und dafür sorgen, dass Damian sich heute zusammenreißt ... „Geht's noch Ronja? Sind wir jetzt beim Kuhhandel oder was?", fauche ich mich selbst an.

Um mir die Zeit zu vertreiben rufe ich nacheinander Anna, Eva und Nina an. Keine schafft es auch nur ansatzweise mich zu beruhigen, obwohl alle drei ihr Bestes geben. Meine Nerven liegen blank, weil gleich meine Eltern und Damian aufeinandertreffen werden. Zugleich flattert ein gigantischer Schwarm von Schmetterlingen durch meinen Bauch. Ich halte es ohne ihn kaum noch aus. Ich will endlich wieder in seine wunderschönen Augen blicken, seine samtweiche Stimme hören, ihn fest an mich drücken, küssen und noch so einiges mehr mit ihm machen. Aber die Gedanken an Letzteres verbanne ich schnell. Die ungestörte Zeit der Zweisamkeit ist erstmal vorbei. Hätten meine Eltern nicht noch eine Woche länger wegbleiben können?

Ich betrachte missmutig den grauen Himmel. Nach wochenlangem Sonnenschein regnet es heute schon den ganzen Tag in Strömen. Wir können also später nicht mal an den See oder irgendwo draußen Kaffeetrinken gehen, falls die Situation hier drinnen unerträglich werden sollte. Andererseits wird mir vermutlich auch nicht mehr nach gemeinsamen Unternehmungen zumute sein, wenn das hier wirklich eskalieren sollte. Meine innere Anspannung wächst von Sekunde zu Sekunde und ich male mir die schlimmsten Szenarien aus. Meine Eltern könnten Damian ins Kreuzverhör nehmen, was sicher in einem Super-GAU enden würde. Ich sehe Damian vor meinem inneren Auge wutentbrannt aus dem Haus stürmen nachdem er meinen Eltern einige überaus unpassende und unfreundliche Bemerkungen an den Kopf geworfen hat. Oder er verstummt einfach und verweigert jegliche Konversation. Oder meine Eltern packen peinliche Kindheitsgeschichten von mir aus, zeigen womöglich noch Babyfotos, während ich vor Scham im Boden versinke. Oder er kommt gar nicht, oder er kommt viel zu spät und ist völlig dicht. Aaargh! Ich muss dieses Kopfkino dringend abstellen und versuchen, mich zu beruhigen. Obwohl ich krampfhaft versuche, mir einzureden, dass alles gut werden wird, will es mir so gar nicht gelingen.

Als es schließlich vier Uhr ist, bin ich kurz davor durchzudrehen. Wo bleibt er nur? Ich stehe wie angewachsen am Flurfenster und beobachte den regennassen Parkplatz vor dem Haus. Um zehn nach Vier - die zehn Minuten kommen mir wie zehn Stunden vor, mindestens - sehe ich endlich sein Auto um die Ecke biegen und renne wie eine komplett Irre ins Bad, um ein letztes Mal mein Aussehen zu überprüfen. Alles gut. Meine Locken habe ich mit einer Spange gebändigt, damit sie mir nicht ins Gesicht fallen. Ich haste zur Tür und erreiche sie gleichzeitig mit seinem Klingeln. Damian trägt seine Docs, aber dazu eine ordentliche schwarze Jeans, sein lachsfarbenes Polo-Shirt und seine Augen sind kein bisschen rot. Ich grinse erleichtert und falle ihm um den Hals. Er drückt mich mit einem Arm fest an sich und gibt mir einen sanften Kuss auf die Stirn.

„Hi Kleines!"

„Hi Damian! Komm rein."

Ich löse mich widerwillig aus seiner Umarmung und sehe, dass er einen kleinen Sommerblumenstrauß hinter seinem Rücken hervorzaubert.

„Die sind heut leider nich für dich, sondern für deine Ma."

Er zwinkert mir verschwörerisch zu. Ich schnappe überrascht nach Luft und eine ganze Ladung Ziegelsteine fällt von meiner Brust. Er scheint fest entschlossen, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Ich hoffe, für meine Eltern gilt das Gleiche.

Entflammt - Ronja & Damian Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt