34 - Doppelter Absturz

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Seit geschlagenen zwanzig Minuten warte ich auf Damian. Dass er nach gestern wieder deutlich zu spät kommt, erzürnt mich. Wenn wir zusammen sind, habe ich nicht das Gefühl, dass er mir gegenüber unehrlich ist, aber seine Handlungen lassen immer neue Zweifel aufkeimen. Um halb Acht bin ich weg, ich mache mich nicht länger für ihn zum Affen. Auf den Sekundenzeiger meiner Swatch starrend, bereite ich mich darauf vor, den Ort des Nicht-Geschehens zu verlassen. Wenn ich ihm tatsächlich wichtig wäre, wäre er pünktlich, statt mich hier dumm in der Gegend rumstehen zu lassen. Auch wenn ich eine absolute Niete in Mathe bin: Die Wahrscheinlichkeit, dass ständig Situationen eintreten, die ihm ein pünktliches Erscheinen unmöglich machen, tendiert gegen Null. Die Erkenntnis versetzt mir einen Stich ins Herz. Es ist an der Zeit, mir einzugestehen, dass ich die Einzige bin, die bereit ist, in diese Beziehung zu investieren. Ich kämpfe auf verlorenem Posten. Also atme ich einmal tief durch, reiße meinen Blick vom Sekundenzeiger und mache einen zögernden Schritt in Richtung meines einige Meter vor mir abgestellten Fahrrads. Die kurze Distanz bis dahin erscheint mir plötzlich unüberwindbar, da sie vermutlich einen erneuten Schlussstrich nach sich ziehen wird. Ich will Damian nicht verlieren, aber so wie es ist, möchte, kann ich nicht weitermachen. Nachdem ich mein Ziel erreicht habe, beginne ich mit fahrigen Fingern die Zahlenkombination des Schlosses einzugeben.

„Gut, dass du auch erst jetzt kommst, Kleines! Da musstest du wenigstens nich auf mich warten", erklingt in diesem Moment Damians Stimme in meinem Rücken.

„Ich habe schon wieder gewartet und wollte gerade gehen", informiere ich ihn kühl und werfe ihm einen bösen Blick zu, unsicher ob ich bleiben oder wie geplant gehen soll.

„Dann bin ich ja gerade noch rechtzeitig gekommen! Hab auf dem Parkplatz nen Kumpel getroffen, den ich ewig nich gesehn hab und konnt ihn nich einfach so stehen lassen ...", strahlt er mich an und tritt näher an mich heran, wohl um mich zu umarmen. Mit einer abwehrenden Handbewegung trete ich einen Schritt zurück und mache meinem Unmut Luft:

„Ach, aber mich konntest du wartend stehen lassen? Schön zu wissen, wo deine Prioritäten sind."

„Komm schon Kleines, mach kein Drama aus zwanzig Minuten. Ich bin doch jetzt da und lade dich als Wiedergutmachung zum Essen ein. Du kannst wählen. Worauf hast du Lust?"

Sein unsicheres Lächeln und der bittende Blick, den er mir zuwirft bringen meine Entschlossenheit ins Wanken. Habe ich überreagiert? So schlimm sind zwanzig Minuten auch wieder nicht, selbst wenn er sich gerade heute um Pünktlichkeit hätte bemühen sollen.

Einer spontanen Eingebung folgend antworte ich: „Pizza", und quittiere das erleichterte Aufleuchten seiner Augen mit einem zaghaften Lächeln.

„Ganz wie Mylady wünscht, aber vorher muss ich dringend noch was erledigen."

Während ich ihn fragend ansehe, erscheint ein breites Grinsen in seinem Gesicht und er zieht mich in seine Arme.

„Ich hab dich schon viel zu lange nich geküsst, das muss ich dringend ändern."

Er umfasst mein Gesicht zärtlich mit seinen großen Händen und lässt seinen Worten Taten folgen. Wie stets vergesse ich die Welt um uns herum und staune über die Gefühle, die seine Nähe, seine Lippen, seine Hände in meinem Körper und meinem Herzen auslösen. Glückshormone rauschen wie ein Wildbach durch meine Adern, lassen mich wohlig schaudern und wünschen, der Kuss könnte ewig dauern. Atemlos und erhitzt lassen wir schließlich voneinander ab. Ich vergrabe meinen Kopf an seiner Brust und sauge gierig seinen himmlischen, männlichen Duft ein.

„Wenn wir noch essen gehen wollen, sollten wir jetzt gehen, bevor ich mich vergess' und dich ins nächste Gebüsch zerre", flüstert Damian mir mit belegter Stimmte ins Ohr.

Entflammt - Ronja & Damian Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt