27 - Das Wochenende

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Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch sitze ich neben Damian in seinem R4. Das Unbehagen stammt nur zum Teil von den – nennen wir sie mal überraschenden – Fahrten, die wir bisher gemeinsam verbracht haben. Ich gebe mir die allergrößte Mühe, ihn nicht zu reizen, weil er schon extrem angespannt wirkte, als er mich vorhin zu Hause abgeholt hat und es wurde im Laufe der Fahrt nicht besser.

Er hat mich zur Begrüßung zwar stürmisch umarmt und Ewigkeiten an sich gepresst, aber die Farbe seiner mal wieder leicht rot geäderten Augen war viel zu dunkel und sein Lächeln wirkte gezwungen, hat seinen Blick nicht erreicht. Ich konnte nichts dazu sagen, weil meine Ma direkt hinter uns aufgetaucht ist, um Damian freudestrahlend zu begrüßen und uns eine schöne Zeit zu wünschen. Ihr gegenüber war er die Freundlichkeit in Person, was wohl der Grund dafür war, dass ihr an seinem Verhalten nichts Eigenartiges aufgefallen zu sein schien. Wie sollte es auch? Sie kennt ihn nicht so gut wie ich und zu ihr war er äußerst charmant.

Seit wir im Auto sitzen herrscht jedoch mehr oder weniger Schweigen. Meine Versuche, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, sind kläglich gescheitert, weil Damian mir stets nur einsilbige Antworten gab. Meine nach einer Weile vorsichtig geäußerte Frage, ob etwas nicht stimmt, hat er mit Worten „Alles bestens. Was sollte sein?" abgetan. Letzteres frage ich mich schon die ganze Zeit. Ich sehe deutlich die Anspannung in seinem fest zusammengepressten Kiefer, was mich wiederum umso nervöser werden lässt. Was hat er nur? Er wollte doch unbedingt dahin und dass ich ihn begleite. Hat er es sich anders überlegt und würde lieber alleine fahren? Dann hätte er das vielleicht einfach mal sagen können. Schließlich weiß er genau, dass ich auf diesen Ausflug nicht wild bin. Ich staune immer noch darüber, dass ich tatsächlich hier neben ihm sitze, um die Geschichte durchzuziehen. Was soll ich da nur? Noch dazu, da es mittlerweile so aussieht als könne Damian auf meine Anwesenheit durchaus verzichten. Ich bin völlig verunsichert und mein Magen krampft sich mehr und mehr zusammen. Vor lauter Nervosität zupfe ich unablässig an der Nagelhaut meiner Finger. Eine furchtbare Angewohnheit, die ich seit Jahren loswerden will. Meistens klappt es inzwischen auch. Aber heute habe ich einen heftigen Rückfall. Mein rechter Zeigefinger blutet inzwischen leicht, weil ich ein zu großes Stück herausgezupft habe. Ich fluche innerlich und keife mich selbst an, endlich damit aufzuhören. In dem verzweifelten Versuch es zu lassen, trommle ich nervös auf meinen Knien herum.

„Könntest du damit aufhörn? Das nervt total!", herrscht Damian mich gerade an.

Jetzt reicht es mir endgültig.

„Könntest du mir dann endlich sagen, was eigentlich los ist? Habe ich irgendwas falsch gemacht?", bricht es aus mir heraus und mein Unterkiefer zittert bedenklich. Jetzt bloß nicht heulen!

Er sieht mich einen kurzen Moment überrascht an und hält Augenblicke darauf an einer Ausbuchtung der Landstraße.

„Wie kommst du denn darauf, Kleines? Du hast ganz sicher nichts falsch gemacht!" Er zögert kurz, bevor er weiterspricht: „Ich bin grad einfach nur etwas schlecht drauf."

Er zieht mich in seine Arme und übersät mein Gesicht mit zärtlichen Küssen. Mit jedem Kuss schwindet meine Panik und als er schließlich seine Lippen auf meine presst und seine Zunge beginnt mit meiner zu spielen, sind da nur noch die allzu bekannten Schmetterlinge, die nicht nur durch meinen Bauch, sondern durch jede einzige meiner Adern flattern. Ich hasse meinen Körper dafür, so ein gemeiner Verräter zu sein. Eine einzige Berührung von Damian reicht, um meinen Verstand völlig außer Gefecht zu setzen und ich will immer nur mehr. Wir küssen uns lange und intensiv und als wir endlich weiterfahren sind meine Bedenken beinahe weggewischt. Ich bin hier mit ihm und nur das zählt. Dennoch spüre ich nach wie vor, dass Damian weiter mit sich kämpft und längst nicht alles okay ist. Zumindest bemüht er sich jetzt so zu tun, als sei das der Fall. Da er offensichtlich nicht bereit ist mit mir zu teilen, was ihn bedrückt, beschließe ich erstmal abzuwarten, obschon es mich innerlich zerreißt. Das hier sollte zumindest für ihn ein schönes Wochenende werden, nur deshalb habe ich zugestimmt mitzukommen. Dass er jetzt derjenige ist, der sich völlig eigenartig verhält, habe ich so gar nicht kommen sehen. Entsprechend ratlos fühle ich mich. Als hätte ich nicht schon mit mir selbst genug zu kämpfen. Sollte nicht gerade ER derjenige sein, der mich beruhigt?

Entflammt - Ronja & Damian Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt