The First Taste #I

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Als ich am nächsten Morgen aufstand, hatte ich nicht viel geschlafen. Mein Gedankenkarussell hatte sich weiter gedreht, egal wie sehr ich versucht hatte alles abzuschalten und von mir wegzuschieben.

Spät in der Nacht hatte mich eine schwache Gefühlsschwingung erreicht und riss mich aus meinem leichten Schlaf - irgendjemand hatte ziemliche Angst und furchtbare Schmerzen. Ich sprang aus dem Bett und rannte nur in einem winzigen Nachthemd bekleidet vor die Tür, in der Erwartung jemanden auf der Veranda zu finden, oder jedenfalls in der Nähe von meinem Haus, aber ich sah niemanden. Merkwürdig..., schoss es mir durch den Kopf. Ich erhielt nur Schwingungen von Menschen in meiner Nähe, oder von Gegenständen, die einen besonders emotionalen Wert für jemanden haben. z.B. Schmuckstücke, Tagebücher und Hochzeitskleider, aber auch Computer und Betten. Hier war aber weit und breit nichts in Sicht, dass mir solch ein schlechtes Gefühl bereiten konnte. Die Schwingungen verebbten nach ein paar Minuten wieder und ich beschloss mich wieder hinzulegen.

Heute stand die Beerdigung von meiner Großmutter an und langsam beschlich mich eine starke Nervosität. Nicht nur, dass ich sie seit Ewigkeiten nicht gesehen hatte, auch wusste ich nicht sicher, ob sie überhaupt Freunde und/oder Angehörige hatte, die sich für sie interessiert haben. Ich hatte Angst davor, ganz alleine bei der Beerdigung zu stehen. Früher hatte meine Großmutter mir so viel bedeutet, sie war ein herzensguter Mensch und hat mich sehr liebevoll behandelt. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es sich anfühlen würde, zu sehen, wie einsam sie war. Immer noch stand ich unter der heißen Dusche und versuchte mich zu entspannen, es war nun die vierte Nacht in Folge in der ich nicht gut geschlafen hatte. Ich schrubbte mich von Kopf bis Fuß und versuchte das schlechte Gefühl von letzter Nacht abzuwaschen, das mir immer noch in den Knochen saß. Als das heiße Wasser langsam versiegte, stieg ich aus der Dusche und begann mich herzurichten. Ich schlüpfte in ein Unterwäsche-Set aus schwarzer Spitze, föhnte und drehte dann meine Haare zu Locken, schminkte mich dezent und ging zum Kleiderschrank um das scheußliche schwarze Kleid anzuziehen, dass ich extra für diesen Anlass gekauft habe. Ich wollte nicht eins von meinen anderen Kleidern anziehen, denn ich hätte es nach der Beerdigung nie wieder tragen wollen. Ich ging die Treppe herunter und bahnte mir einen Weg zwischen den vielen Kisten im Wohnzimmer hindurch zu Großmutter's altem Sekretär. Ich wollte dort nach der Taschenuhr suchen, die sie wie ihren eigenen Augapfel gehütet hat. Ob sie eine besondere Bedeutung hatte, wusste ich nicht, aber sie verließ das Haus nie ohne diese Uhr. Wenn sie abends nach Hause kam, polierte sie die Uhr und legte sie in die oberste linke Schublade ihres alten, braunen Sekretärs - und genau dort fand ich sie. Zurück im Flur überprüfte ich noch einmal, ob ich meine Notizen für meine Rede eingepackt hatte und verließ dann das Haus. Mit dem Auto fuhr ich zum Friedhof. Dort angekommen, parkte ich und stellte mit Erstaunen fest, dass noch einige andere Autos in der Umgebung parkten. Erleichterung überkam mich, es gab tatsächlich Angehörige meiner Großmutter. Alles war wie mit dem Bestatter abgesprochen und genau so, wie Großmutter es sich in ihrem letzten Willen gewünscht hatte. Der weiße Sarg war über dem frisch ausgehobenem Grab aufgebahrt, rote Rosen zierten ihn. Zwei Reihen weißer Stühle standen neben dem Grab, um Sitzgelegenheiten für diejenigen zu bieten, die wie ich, Brunhilde auf ihrem letzten Weg begleiten wollten. Ich blickte durch die Reihen und entdeckte kein bekanntes Gesicht. Woher auch! Neben ein paar älteren Herrschaften, die Großmutter wohl aus dem Seniorenclub kannte, sah ich noch eine rothaarige Frau mittleren Alters und einen Mann mit dunklen Haaren zusammen mit einem Jungen und einem Mädchen, einen jungen Schwarzen der mit seinem Lidstrich ein wenig wie ein Paradiesvogel aussah und einen Typen mit längeren aschblonden Haaren und Bart. Ich musste unwillkürlich ein wenig lächeln. Meine Oma schien doch nicht einsam gewesen zu sein. Da alle Personen so schienen, als ob sie in tiefe Gespräche verwickelt waren, wollte ich niemanden stören. Ich stellte mich an den Rand des Geschehens und wartete, dass der Reverent kam.

Who Am I? - True Blood.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt