Ich musste Lukas unbedingt sprechen, nahm ich mir am Dienstag Morgen vor. Logen anzusprechen, würde ich auf gar kein Fall schaffen. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich in seiner Nähe überhaupt nicht sprechen konnte. Mir verschlug es Wortwörtlich die Stimme. Aus welchem Grund auch immer. Mit Lukas allerdings, konnte ich sprechen. Ein, zwei unschöne Erfahrungen hin oder her, ich musste einfach wissen, was zwischen Logen und ihm läuft und vielleicht finde ich ja auch heraus, warum er mich nicht mehr attraktiv findet.
Noch vor Beginn der ersten Stunde suchte ich verzweifelt die Flure nach ihm ab. Wir hatten alle Kurse, jeder hatte im Abitur seinen Schwerpunkt gewählt. Während meiner der sprachliche war, war seiner... ehrlich, ich weiß es nicht so genau.
Ich lauerte vor der Cafeteria und wartete darauf, dass er entweder raus oder reingehen wollte. Ich hatte bereits früh am Morgen gegessen, bin extra früher aufgestanden um ihn zu sprechen. Die anderen Mädchen müssen sicher denken ich sei Verrückt um 5 Uhr morgens aufzustehen um sich frisch zu machen, damit man um Punkt 6 Uhr auf der Frühstücksmatte steht. Um diese Uhrzeit konnte man sich zwar Essen holen, doch es tat niemand. Warum in aller Welt sollte man auch freiwillig früher aufstehen als nötig. Die Schule beginnt ja erst um 8. Ich aber, die dolle Olle, musste aber unbedingt jetzt herausfinden was Sache ist, anstatt bis Donnerstag zu warten. Da hätten wir gemeinsam Mathe und ich könnte ihn wunderbar fragen, während der Lehrer irgendetwas erzählt. Obwohl, nein, könnte ich nicht! Wir schreiben da die erste Prüfung und ich kann überhaupt nichts! Ich darf Mathe einfach nicht verhauen, ich muss irgendwie lernen. Ich beschloss zu lernen. In der Cafeteria, gleich nach der Schule.
Mein Wirrwarr von Gedanken wurde von einer Person unterbrochen. Lukas ging den Flur entlang und betrachtete mich kein Stück. Dennoch fühlte ich mich beobachtet wie noch nie. Als ich nach einigem starren wieder zu mir kam, joggte ich leicht auf ihn zu. In den Filmen machten das immer die starken, sportlichen Jungs, die ziemlich cool rüberkamen. Cool, kam ich aber definitiv rüber. "Was hoppst du denn so rum Am- am Häschen." Oh nein, jetzt habe ich mir auch noch einen scheiß Spitznamen angeeignet. Ich musste mich echt beeilen um ihm hinterher zu kommen. Ich antwortete nicht auf seinen dämlichen Kommentar, stattdessen sprach ich Klartext.
"Lukas ich muss mit dir reden!", versuchte ich so selbstbewusst zu sagen, wie ich nur konnte. Zu meiner Überraschung, klappte das auch. Etwas stolz auf mich war ich schon und klopfte mir gedanklich auf die Schulter. Er bleib stehen und ich knallte direkt auf ihn. Wie sagt man so schön, gerade wenn es gut läuft kommt einer und muss alles vermasseln. In diesem Falle bin ich beide Male gemeint. Er drehte sich wieder zu mir um, sein Gesicht war undefinierbar. Ein Gemisch aus Zorn, Freude und Verlegenheit. "Amelia, ich kann gerade nicht mit dir reden. Verstehst du? Ich kann es nicht." Er drehte sich wieder um und ging weiter, diesmal noch schneller. Ich musste echt schon laufen, als ich ihn endlich am Ärmel erwischte und ihn festhielt. Er drehte sich erneut um. Diesmal war seine Mimik anders. Ungeduld vermischt mit Angst spiegelte sich darin. "Nur ganz kurz", versuchte ich es wieder und wartete auf seine Erlaubnis, anstatt einfach zu fragen. "Okay, aber mach schnell. Sag was es zu sagen gibt", antworte er schnell und blickte dabei suchend über die Köpfe hinweg. Suchte er Logen? Oder vielleicht hatte er neuerdings eine Freundin, die sehr eifersüchtig ist. Das würde seine Abneigung gegenüber mir erklären, aber darum bin ich nicht hier. Ich musste meinen ganzen Mut zusammenpacken, um auch nur an seinen Namen zu denken, geschweige denn ihn auszusprechen. Ich baute in Sekunden den perfekten Satz zusammen, warum hatte ich das nicht schon getan, als ich ihn suchte? "Logen und du, ihr habt da was am Laufen, das weiß ich. Ich will wissen was, denn offenbar habt ihr, besonders Logen, du aber auch in letzter Zeit, etwas gegen mich. Anfangs hatte dich Logen gehasst und jetzt seit ihr beste Freunde? Was ist in der Zwischenzeit passiert?", wollte ich sagen. Stattdessen sagte ich aber:" Ach, nichts." Er schüttelte den Kopf, drehte sich um und verschwand so schnell, sodass ich nicht einmal begreifen konnte, was für eine wunderbare Chance ich gerade verpasst habe.
„Wie konnte ich nur so dumm sein. Ich war mir die ganze Zeit sicher, dass ich ihn fragen würde. Ich bin sogar extra um fünf Uhr morgens aufgewacht. Ich hatte den perfekten Satz im Kopf und dann, dann hab ich einfach den Mut verloren." Mein Gesicht so so enttäuschend aus, das wusste ich, ohne es auch zu sehen. Sima und Clara sahen mich mitleidend an. „Vielleicht war es auch besser so, vielleicht würdest du dann ja etwas hören, was viel schlimmer ist, als jetzt darüber zu trauern."
Clara nickte. „Ja, oder er hätte dir einen furchtbaren Korb gegeben. Das wäre ober peinlich für dich, vor allem, wenn die anderen das mitbekommen hätten." Beide nickten mir aufmerksam zu. Es war nur nicht das, was ich hören wollte, ich wollte hören. Och, nimm deinen ganzen Mut zusammen und mach es jetzt wirklich. Er sitzt hinten mit Logen an deren Stammtisch. Jetzt oder nie. „Und danach hätte er das Logen erzählt und-", ich unterbrach sie. „Okay stopp", sagte ich lachend, „ich will gar nicht wissen, was Logen dann von mir denken würde." Ich musste grinsen, weil es vielleicht doch gut war, ihn nicht darauf anzusprechen. Die beiden lächelten ebenfalls. Und beim nächsten Bissen, haben wir uns fast vor Lachen verschluckt.
Meine Laune war wieder im Keller. Ich holte die Mathesachen aus meinem Zimmer und setzte mich wieder unten in die Cafeteria. Ich starrte auf Arbeitsblätter, von der Tafel abgeschriebenes Zeugs und starrte und starrte. Ich starrte bestimmt eine Stunde auf die Aufgaben und kam immer noch nicht weiter. Meinen Kopf stütze ich mit meinen Händen ab. Meine Haare bedeckten mein ganzes Gesicht. Ich versuchte es so gut wie möglich zu unterdrücken, doch es half nichts. Alles kam wie auf einem Schlag hoch. Meine Mutter die nie anruft, Logen der so seltsam ist und überhaupt weiß ich nicht, was mir an ihm liegt, Lukas der ebenso scheiße zu mir und jetzt auch noch diese Matheklausur, die ich mit vollkommener Sicherheit verhauen werde. Mein ganzes Gesicht war nass und ich konnte nicht mehr richtig atmen, meine Nase war voll. Ich kann einfach nicht mehr! Ich will hier weg, ich will nach Hause. Ich will diese Schule einfach vergessen, diese scheiß Schule! Ich merkte nicht, wie die Zeit verging. Ich hatte das Zeitgefühl verloren.
„Mäuschen, hey, was ist den los?", eine vertraute Stimme sprach zu mir, zu vertraut. Ich blickte auf. Und konnte nicht einfach um noch eine Ladung Wasser aus mir zu lassen. Dieses perfekte Gesicht, ich liebte es, es war so perfekt und ich? Ich sehe aus wie ein unselbstsicheres, kleines Mädchen, welches nicht einmal gebacken bekommt eine einfache Matheaufgabe zu lösen. Und als Logen versuchte aufmunternd zu lächeln, musste ich wieder mehr weinen. Er lächelt mich nie an und jetzt wo ich weine, ausgerechnet jetzt muss er lächeln. Er siegt mal wieder. Sein Lächeln verschwand schnell wieder. Es passierte etwas, von dem ich hätte träumen können. Er sagte nichts, schaute mich nur an und legt den Arme um mich. Fest drückte er mich an sich. Solange ich konnte, versuchte ich seinen herrlichen Geruch einzuatmen. Es fühlte sich so gut an, so richtig, dass ich alles blödes, was er tat vergaß und ihn einfach nur noch mehr liebte. Wie ein Schock fällt es mir dann endlich auf, ich liebte Logen und zwar mehr als ich denken konnte.
Nach einiger Zeit hörte ich auf zu weinen und war einfach nur glücklich. Hätte ich das jetzt nicht gehabt, diese Nähe zu Logen, ich glaube ich wäre zusammengebrochen. Hätte die Schule geschmissen und sonst noch was getan. Aber Logen hatte mich wieder gerettet. Langsam glaube ich, das er sowas wie mein Retter ist, mein Beschützer, ein Engel, der auf mich aufpasst. Ich fühlte mich wohl und ich war glücklich und er Rest war in dem Moment egal.
Ich schaute zu ihm auf, mittlerweile hatte er mich auf sein Schoß gesetzt, er lächelte. Wirklich, er lächelte mich an. Ich wollte zu jedem gehen und ihm von meiner wunderbaren Neuigkeit erzählen. Er lächelte mich wirklich an. Und ich, ich lächelte zurück. Meine Beine umwickelten seine Hüfte, er drückte mich näher an sich heran. Bauch an Bauch saßen wir, gedankenverloren. Seine Augen so wunderschön wie eine Rose, so geheimnisvoll wie ein dunkler Wald und so verführerisch wie ein roter Apfel am Baum. Ich wusste, die Schlange will mich reinlegen, sie will nur, dass ich in den leckeren Apfel beiße, obwohl es mir verboten wurde. Doch dieser Apfel ist so verführerisch. Ich konnte nicht einfach, als in diesen Apfel hinein zubeißen, obwohl ich wusste, dass er mehr schlechtes beschert, als gutes. Seine Lippen fühlten sich so weich an, dass ich in diesem Kuss versank.
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Solange wir schweigen
Mystery / ThrillerAls die 18 jährige Amelia auf ein Internat geht, bekommt sie einen Schock, denn sie begreift, dass es kein normales Internat ist. Neben den merkwürdigen Dingen, die das Internat verheimlicht, kümmert sie noch etwas anderes. Logen. Unwiderstehlich ve...