Waldwege

1K 33 1
                                    

Logen ist eingeschlafen. Er sieht total süß aus, wenn er schäft, selbst sein leises Schnarchen finde ich niedlich. Ich traue mich nicht mich zu bewegen, denn ich habe angst, dass er dadurch aufwacht. Gerne würde ich ihm durch die Haare wuscheln, aber ich bin in seinem schweren Arm gefangen.
Die Tür geht auf und Clara kommt mit Sima lachend herein. Als ich sie bemerke, lege ich sofort einen Finger auf die Lippen, um ihnen zu zeigen, dass sie leise sein sollen. Beide schauen sich automatisch etwas schockiert und verwundert an, grinsen dann aber. Ich erkenne wie Clara mit ihrem Mund morgen formt und ich nicke. Sie machen sich flüsternd bettfertig und ich schlafe auch ein.

Als ich aufwache, ist es vier. Draußen ist es noch dunkel. Ich gehe auf die Toilette und trinke was, lege mich wieder schlafen, doch so sehr ich es auch versuche, schaffe ich es nicht und muss auf die Decke über mir schauen. Ist es nicht verwirrend, dass Logen ausgerechnet jetzt so weit mit mir gehen möchte? Ich hab noch gar nicht darüber nachgedacht, ob ich überhaupt mit ihm schlafen will. Der Gedanke Sex mit ihm zu haben, erregt mich und ich schaue auf ihn herab. Ich muss lächeln, doch ich kann nicht wiederstehen ihm durch die Haare zu wühlen. Ich schloss die Augen und denke einen Moment über den heißen Sex, den wir haben könnten. Bei dem Gedanken muss ich lächeln. Amelia, nein. Es ist noch viel zu früh, sagt mein Unterbewusstsein mir.
Sind wir jetzt wirklich ein richtiges Paar? Ich weiß er sagte mir, dass er mich lieben würde, aber kann ich mir da sicher sein? Dieses ganze hin und her hat mich echt fertig gemacht. Ich will nicht schon wieder so hart von ihm belogen werden. Er soll mir die Wahrheit sagen, egal bei was und mir nichts mehr verschweigen. Ich beschließe mit ihm zu reden sobald er wach geworden ist.

Nach einem weiteren Versuch einzuschlafen, gebe ich es auf, ziehe mir eine Jacke über, überlege kurz, ob ich mein Handy mitnehmen soll, lass es aber dann trotzdem weiter aufladen. Dann gehe nach draußen. Auf dem Pausemhof ist es kalt und ich ziehe mir die Jacke bis zum Hals zu, damit ich nicht so friere. Ich habe keine Lust wieder rein zu gehen und einfach die Zeit abzuwarten, während alle schlafen.
Ich gehe auf eine Bank zu und lege mich auf sie drauf. Der Himmel ist dunkelblau und ich erkenne viele leuchtende Sterne. Einen Moment gehe ich in mich und genieße einfach die Aussicht. Als ich noch klein war, bin ich jeden Freitag mit meinen Vater raus gegangen und hab mit ihm die Sterne betrachtet. Dort gab es jede Nacht ein fantastisches Sternbild, sowie ich es heute sehe. Er hat mir beigebracht, wie die ganzen Sternbilder heißen, doch mir ist nur der große Wagen im Kopf hängen geblieben.
"Das da ist der Löwe", höre ich jemanden von hinten sagen. Eine Sekunde rühre ich mich nicht. Wer ist bitte um vier Uhr Nachts draußen? Ja gut ich, aber ich konnte halt nicht schlafen. Die männliche Stimme kommt mir bekannt vor, doch ich komme nicht drauf, wer es ist. Ich drehe mich um und sehe, wie er nach oben guckt und mit seinem Finger auf ein Sternbild zeigt. Von unten kann ich nicht erkennen, wer das ist. Also setzte ich mich hin, ohne den Blick von ihm zu wenden. Er dreht sich zu mir um und ich erschrecke, springe von der Bank auf und gehe ein paar Schritte zurück. Walter sieht mich etwas verwirrt an, bleibt dann aber auf der gleichen Stelle stehen wie zuvor. Mir wird schlecht. Plötzlich ist mir gar nicht mehr kalt, dennoch habe ich eine Gänsehaut. Was hab ich mir auch dabei gedacht mitten in der Nacht raus zu gehen und mir die Sterne anzusehen? Er muss der Anrufer sein, der Entführer. Woher soll er sonst wissen, dass ich jetzt draußen bin? Warum sollte er mich immer anstarren und plötzlich so nett zu mir sein, wenn er es nicht wäre? Ich hab ihn nie beachtet, ihn schlecht behandelt und jetzt habe ich meinen Salat.

Er wird mich entführen und mich vergewaltigen. Ich werde in ein kleines dreckiges Zimmer gesperrt. Ich werde Miley wiedersehen, rede ich mir ein, damit es wenigstens was positives hat. Lebt sie noch? Geht es ihr gut? Immer noch sieht er mich seltsam an und geht einen großen Schritt auf mich zu. In der Dunkelheit sieht er nur noch gruseliger aus als sonst. Leise sagte ich das Vater Unser auf und hofft inständig, dass ich am Leben bleibe. Als er noch einen Schritt auf mich zugeht, schreie ich auf, drehe mich um und renne.

Solange wir schweigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt