Verwirrtheit

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Dankbar aß ich alles auf. Es tat gut zu wissen, das Logen es ernst meinte. Endlich mal, meine Hoffnung wurde größer, dass es vielleicht irgendwann zwischen uns klappen könnte. Mich machte es gar nicht mal mehr so traurig, dass er nicht zugegeben hat, dass er meine Gefühle erwidert. Er tut es, das weiß ich. Er zeigt es mir, wie jetzt mit dem Frühstück. Ich sah es vor mir, wie wir beide später Händchenhaltend in die Mensa gehen und uns alle beneiden. Wir gehen zusammen zum Tisch, ich bin plötzlich beliebt. Moment mal, seit wann schert es mich beliebt zu sein? Ein Klopfen unterbrach meine Tagträume. Sima und Clara würden nicht klopfen, es muss einfach Logen sein. „Herein", rief ich erfreut. Die Tür ging langsam auf und ein strahlendes Gesicht kam mir entgegen. „Guten Morgen süße. Hat es dir geschmeckt?", fragte er mich fürsorglich. Ich strahlte ihn genauso an. „Ja, Dankeschön, dass war echt nett von dir... mich so zu überraschen, mit dem Frühstück." Er lachte kurz auf und setzte sich an das andere Ende des Bettes. Dann veränderte sich seine Miene. Er runzelte die Stirn, als würde ihn etwas ziemlich beschäftigen. Ist es warum er mich ignoriert hat? Bei dem Gedanken daran wurde ich wieder traurig. Ich spürte wie eine Träne mein Gesicht herunterkullerte. Bevor er auch nur was bemerken konnte, wischte ich die Träne weg und kämpfte gegen neue an. Ich versuchte mich wieder auf Logen zu konzentrieren. „Was beschäftigt dich?", fragte ich ein wenig nervös, da ich nicht wusste, wie er reagieren würde.

„Weißt du, es gehen so Gerüchte herum und ich dachte mir, du wüsstest vielleicht mehr", er schaute mir nicht in die Augen, sondern blickte auf seine Hände hinab. Ich bekam es mit der Angst zu tun. „Was sagt man denn über mich?", fragte ich misstrauisch. Ich hatte nicht das Gefühl, dass über mich getuschelt wurde. Er schaute Ruckartig auf, sein Gesicht war geschockt. „Nein... nein", sagte er in einer gewissen Pause nacheinander. „Es wird nicht über dich geredet! Und wenn das jemand tun würde, mache ich alles damit es nie wieder jemand macht!", beteuerte er mit voller Zuversicht.

Jetzt war ich verwirrend: „Wenn es nicht um mich geht, wie soll ich dir dann weiterhelfen? Warum denkst du ich wüsste etwas? Worüber denn?", ich versuchte die richtigen Worte zu finden, weil ich die Sorge hatte, das er mich nicht verstand. Er schaute mich nur total perplex an. Er beugte sich langsam zu mir rüber und flüsterte: „Du hast... gar keine Ahnung." Jetzt war ich noch mehr verwirrend: „Was? Worüber habe ich keine Ahnung? Und warum flüstern wir?", fragte ich ganz leise. Er setzte sich wieder gerade hin und räusperte sich. Kurz bevor er weiter reden wollte klopfte es wieder an der Tür, doch diesmal wurde diese sofort geöffnet.

Die Krankenschwester kam herein, Logen stand sofort auf und verbeugte sich leicht. Er wies auf den Platz, auf dem er gerade noch gesessen hatte. „Guten Morgen ihr beiden. Na Logen, machst du einen Krankenbesuch?", fragte die mir noch fremde Frau. Sie erwartete keine Antwort und widmete sich direkt mir. „So Amelia, erzähl schon, wie ist dein Zustand?", fragte sie. Ihr Stimme war krazig, sie hatte eine Raucherstimme und in ihr Gesicht war voller Falten. Sie war 40 vielleicht auch 50 Jahre alt. Ich hatte sie noch nie zuvor gesehen. Ein wenig erinnerte sie mich an meine Mutter, so fremd. „Ich hab gerade gefrühstückt gab ich als Antwort", wobei ich nicht wirklich auf ihre Frage geantwortet habe, doch das interessierte sie anscheinend nicht wirklich. Satt noch einmal nach meinem Zustand zu fragen, fing sie stattdessen an über sich selbst zu sprechen. Wozu bezahlten meine Eltern diesen Schule eigentlich? „...und dann sagte sie einfach zu mir, das ich zu viel rede. Ist das zu glauben? Meine beste Freundin. Dabei höre ich ihr immer zu wenn sie ein Problem hat und jetzt, habe ich ein einziges Mal ein Problem und sie sagt ich rede zu viel. Naja, ich schreib dir dann leichte Schmerztabletten auf. Du musst viel trinken und naja auch nicht vergessen zu essen. Das tun so viele in deinem Alter. Ich hab das auch gemacht, als ich in eurem Alter war. Ich hab nie etwas gegessen, weil ich mich zu dick fand. Das ist natürlich gesundheitlich nicht gut... also mein Selbstbewusstsein war da auch nicht so gut. Heute zum Beispiel fühle ich mich total wohl in meiner Haut", sie schwamm förmlich in ihrem Fett, „also, naja was ich eigentlich sagen wollte. Glaubst du du bist in der Lage morgen zur Schule zu gehen?", fragte sie mich. „Öh, ich denke schon", gab ich knapp als Antwort wieder. „Gut ich gebe es den Lehrern weiter. Gute Besserung", sie drehte sich um und ging.

Ich schaute Logen an. Er schaute mich an. Wir dachten das gleiche.

In nächsten Moment kam er auf mich zu und fing an mich zu küssen. Wie lange wir uns küssten kann ich nicht sagen, aber als wir Simas Stimme vor der Tür hörte, sprang er auf und holte innerhalb einer Sekunde seine Mathesachen heraus und fing an mir Nachhilfe zu geben. Was war das denn? Diese Frage stand mir ins Gesicht geschrieben. Ich schaute hilfesuchend zu Sima, die gerade mit Clara in das Zimmer kam. Wir verständigten uns stumm. Was macht er hier? - Keine Ahnung.- Habt ihr euch wieder geküsst?- Jaa....- Verdammt Amelia.

Logen schaute abwechselnd mich und Sima an und verstand natürlich nichts. Laut ihm haben wir uns ja auch bloß gegenseitig angestarrt. Jetzt hebte Sima das Kinn hoch und ging auf ihr Bett zu, Clara machte es ihr nach. Sie tuschelten ein wenig, dann fragte Clara neugierig: „Lernt ihr beide?" Logen drehte sich zu ihr herum. „Sieht man das nicht?", knurrte er fast. „Logen rede nicht so mit ihr!", aus irgend einem Grund hatte ich das Gefühl ich könnte ihn herumkommandieren, denn die Sache zwischen uns wäre ja gesichert. Ich lag falsch. Er stand sofort auf und nahm eine Haltung an, die ich noch nie an ihm gesehen habe. „Du hast mir überhaupt nichts zu sagen!" Er sprach mit der gleichen Stimme, wie in diesem Raum, denn er mir gezeigt hatte. Als ich mich daran erinnerte, senkte ich sofort den Kopf und reagierte, wie ich in diesem Raum reagieren würde. „Tut mir leid", ich verstummte. Ich konnte sein zufriedenes Lächeln förmlich spüren, auch wenn ich ihn nicht anschaute. „Na komm Amelia, wir gehen an einen ruhigen Ort, an dem wir lernen können." Er hielt mir die Hand entgegen und ich ergriff sie widerstandslos. Während er mich mit einem festen Griff zu Tür führte, drehte ich meinen Kopf noch einmal zu den Mädchen. Sie sahen genauso besorgt und verängstlich aus, wie ich mich gerade fühle.
Und ich hatte keine Ahnung was mich erwartet.

Solange wir schweigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt