Lieben, wer nicht lieben will

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Die Frage, die ich mir stellte war: Werden wir wirklich lernen? Auf der einen Seite, wünschte ich mir nichts mehr, als dass wir uns an diesem „ruhigen Ort" dauerhaft küssen. Allerdings auf der anderes Seite, hatte er mir versprochen, mir Mathe Nachhilfe zu geben und diese brauche ich wirklich dringend. Wenn ich diese Matheklausur lebend überstehen möchte, dann muss er mir einfach helfen. „Wo gehen wir hin?", fragte ich hilflos. Er hielt noch immer meine Hand und hatte ein Tempo drauf, welchem ich gar nicht folgen konnte. Er zerrte mich noch schneller zu gehen und sein Handgriff wurde noch fester. Er sagte nichts. „Logen!" Ich versuchte mit aller Kraft stehen zu bleiben. Eine Weile versuchte er mich mit sich zu schieben, gab es aber kurz drauf auf. Er drehte sich mit einer dermaßen schnellen Geschwindigkeit um, dass ich fast zu Boden fiel. Seine Finstere Miene verriet mir, dass er in dem Moment voller Wut steckte, aber nicht, warum er so wütend war. Er schaute mich nur stumm an. „Logen, was hast du?" Nichts. Er könnte einen Weltrekord aufstellen. Wie lange kann man seine Miene unverändert lassen?

Das erinnerte mich an meinen kleinen Bruder. Damals hatten wir immer einen Wettbewerb gemacht, wer denn am längsten dem anderen in die Augen gucken kann, ohne dabei zu lachen. Er hatte immer gewonnen, obwohl ich mir immer die größte Mühe gab, aber irgendwann musste ich einfach daran denken, wie ansteckend seine Lache immer war. Selbst in Gedanken war sie ansteckend.

Logen schaute mich immer noch mit unveränderter Miene an. „Wenn ich dir sage, dass du mir folgen sollst, dann sollst du mir folgen. Ist das klar?" Sein Blick durchdrängte meine Augen. „Ja Sir", gab ich ohne zu zögern wieder. „Gut." Er drehte sich wieder um, griff meine Hand noch fester als eben und eilte davon.

Ich fand mich in der Aula wieder, mit Angst in der Tasche, was gleich passieren würde. Mitten im Gehen, blieb er stehen. Ich rührte mich nicht. Er strahlte eine Aura aus, bei der man kein einziges falschen Wort sagen sollte. Millimeter waren wir von einander entfernt, sodass ich seinen Duft in mich einatmen konnte. Ich schloss meine Augen und saugte so viel in mich ein, wie ich in diesem Augenblick nur konnte.Himmel, wenn das kein Traum ist?

Ein Kichern unterbrach meine Scheinheiligkeit. Drei Mädchen aus den unteren Klassen liefen an uns vorbei. Ich konnte hören, wie sie von Logen schwärmten. Wer tut das nicht? Immerhin habe ich noch keinen hübscheren Jungen auf dieser Schule getroffen.

Wie lange wir so standen, kann ich nicht sagen, doch als er sich umdrehte, waren seine Augen ganz rot. Hatte er geweint? Ich fragte nicht, stattdessen sah ich ihn nur an. Wartete darauf, dass er irgendetwas sagt. „Amelia", er flüsterte und dennoch versuchte er seine ganze Energie in diese Worte zu stecken. Es hörte sich so an, als wäre er kurz vor dem Zusammenbrechen. Was ging nur in ihm vor? Mit beiden Händen nahm er meine rechte Hand und drückte sie leicht, schaute auf sie herab. Ich wunderte mich. Es passierte nichts in meinem Körper, was ich sonst so kenne. Ich hatte kein Gefühl, dass Schmetterlinge in meinem Bauch flattern, ich konnte kein Knistern spüren, keine Elektrizität zwischen uns. Einzig und alleine was ich empfand war Wut und ich wusste nicht, warum.

Er drehte sich wieder um und ging zu Bank. Still folgte ich ihm und setzte mich neben ihn. „Weißt du Amelia", fing er wieder an, „du bist wirklich ein wunderbares Mädchen, weißt du das?" Meine Wut verwandelte sich in tiefe Trauer. „Ich weiß, es sind hier wirklich viele Jungs so, aber... ich bin einfach nicht der Richtige für dich." Sein Blick ruhte wieder auf meinen Händen. So ein Arschloch. Dann erzählt er mich auch noch so etwas erbärmliches und scheußliches und kann mir nicht einmal in die Augen schauen. Was für ein Dreck von Mann. Ich schwieg, konnte nichts sagen, es hat mir die Sprache verschlagen. Endlich blickte er auf. Seine Augen waren röter als davor. Trauert er...auch? „Wieso tust du das?" Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Wange. „Du bist ja ganz heiß. Hast du Fieber?", frage ich besorgt. Er sengte seinen Blick wieder. „Amelia, nein. Ich... hör zu. Du weißt genau, auf was ich stehe... ich hab das schon mal mit einem Mädchen gemacht. Aber...es war anders mit ihr." Er quälte sich bei jedem Wort, welches er sagte. „In wie fern, meinst du, es ist anders mit mir?" Er schüttelte unmerklich seinen Kopf. „Ich... also sie war nur ein Mädchen. Wir trafen uns nur um Sex zu haben, aber dann traf ich dich und..." Er schaute mir tief in die Augen. Seine wunderschönen Augen. „Ich weiß nicht, wie ich dir das sagen soll", versuchte er wieder. „Du bist einfach so wunderschön." Er drückte seine Lippen aufeinander und drehte seinen Kopf leicht. Er wird gleich weinen, so sieht nur jemand aus, der weinen wird. Und ich muss auch gleich weinen. „Okay Amelia, also. Ich bin total verrückt nach dir. Ich steh auf dich, unbeschreiblich. Noch nie war ich in eine Person so verliebt, wie ich in dich verliebt bin." Ich schmelze förmlich dahin bei seinen Worten. Er erwidert meine Liebe. Noch glücklicher kann ich gar nicht sein. Ich strahle über mein ganzes Gesicht. Gerade aus diesem Grund wundere ich mich, warum sein Gesicht so finster und enttäuschend aussah. Was war falsch? Mein Wunsch, ist in Erfüllung gegangen. Ich liebe ihn, er liebt mich. Wir können ein Paar sein, aber warum freut er sich nicht? „Amelia. Ich liebe dich und genau aus diesem Grund kann ich kein Kontakt mit dir haben!"

„Wie...meinst du das? Ich versteh das nicht." Ich fing wie auf die Sekunde an zu weinen. Sofort nahm er mich in den Arm. „Hey, bitte weine nicht." Ich schüttelte den Kopf. „Wie kann ich jetzt nicht weinen. Ernsthaft, du bist so ein Arsch." Ich schrie, obwohl er direkt vor mir war. „Ich weiß", sagte er, „ich weiß."


Solange wir schweigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt