Keine Gerechtigkeit

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Eigentlich möchte ich auf mein Zimmer gehen, meine Sachen packen und von hier verschwinden, doch auf dem Weg dorthin begegne ich Miley, die ebenfalls in ihren Gedanken ganz woanders ist. Als ich sie sehe, versuche ich zu lächeln, doch ich kann es nicht. Mich beschäftigt die aktuelle Situation viel zu sehr. Logen, Lukas, die Entführung und Miley. Ich bin so damit beschäftigt mir über alles Gedanken zu machen, dass ich noch gar nicht draüber nachgedacht habe, dass Logen und ich jetzt kein Paar mehr sind. Erst jetzt realisiere ich, wie ich einfach nur verarscht wurde und mein Herz mir vor Trauer weh tut. Verdammt, wie konnte ich nur so auf ihn reinfallen? Mit einem mal bebt mein ganzer Körper und mein Herz fühlt sich so an als würde man es stückchenweise auseinander nehmen. Ich liebe ihn, ich liebe ihn wirklich, aber diese Erkenntnis lässt den Schmerz nur noch größer werden. Ich versuche für einen kurzen Moment meine Augen zu schließen und inne zu halten. Alles wird gut, sage ich mir selber.

Es fällt mir sehr schwer die Tränen zu unterdrücken als ich in das Gesicht von Miley schaue. Auch sie schafft es nicht ein Lächeln über ihre Lippen zu bringen. "Wie ist es gelaufen?", fragt sie dann nach einigen Sekunden. Amelia, reiß dich jetzt zusammen. Nicht mehr lange und du bist hier raus, versuche ich mich zu beruhigen. "Ich weiß nicht, es ist einerseits so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe, aber es macht mich so verdammt traurig. Dabei bist du die Jenige, sie am Meisten gelitten hat und das auch nur wegen mir. Ich bin schuld an deinem Schmerz und heule über das rum, was mir wiederfahren ist, dabei ist das nichts im Vergleich zu deinem Verlust. Du müsstest mich dafür hassen", ich wische mir die Tränen von meinem Gesicht, die brereits über meine Wangen laufen. Sie kommt auf mich zu und ich merke, dass sie ebenfalls den Tränen nahe ist, doch sie kann sich besser in Kontrolle halten als ich. "Ich hasse dich in keinster Weise, weil dich gar keine Schuld trifft. Du konntest nichts dafür, du hast alles richtig gemacht." Ich schüttelte nur meinen Kopf. Wie konnte sie nur so etwas sagen? Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte niemand einen Grund dafür gehabt sie zu entführen. "Logen versucht dir eine Gehirnwäsche zu unterbreiten, damit du ihm deinen Glauben schenkst und zu ihm zurückkommst. Aber das darfst du nicht. Du kannst werder umkehren was geschehen ist, noch trägst du in irgendeiner Weise die Verantwortung dafür." Ich nicke. Ich weiß, dass sie Recht hat, aber ich wünsche mir es wäre niemals so weit gekommen. Ich muss meine Zähne zusammenbeißen, um frei sprechen zu können. "Miley ich will hier nicht länger bleiben. Diese Schule macht mich kaputt und das halte ich nicht mehr lange aus. Ich gehe auf eine staatliche Schule oder ich weiß nicht, ich mache eine Ausbildung, schmeiße das Abitur hin. Aber ich will hier weg und nie wieder herkommen. Ich muss gehen, verstehst du? Kommst du mit mir?", frage ich, weil es zu zweit noch besser ist als wenn man alleine ist, auch wenn ich verstehen kann, wenn sie nicht in meiner Nähe sein will. "Das kann ich verstehen und ich unterstütze dich, egal was du jetzt vor hast, aber ich weiß nicht ob ich mit dir kommen kann."Erst dachte ich ich höre nicht richtig, doch als sie sich nicht korrigierte, konnte ich es nicht fassen. Sie will freiwillig hier bleiben? Ich bin überzeugt geswesen, dass sie hier ebenfalls so schnell wie möglich weg will.
"Was hält dich denn hier? Wie kannst du an so einem Ort noch ruhig schlafen?"
Sie schaut mich eine Weile einfach nur an. Nur schwer kann ich mir vorstellen, was sie alles durchmachen musste, aber noch weniger kann ich ihre Entscheidung nachvollziehen.  Nach einer Weile atmet sie durch und spricht.
"Der Direktor hat mir einen Deal angeboten und der ist gerecht, doch ich kann ihn nur annehmen, wenn ich hier auf der Schule bleibe und weder zur Polizei noch zur Presse gehe." Sie redet so schnell und leise, dass ich mich wirklich darauf konzentrieren muss, was sie sagt.  Ab und zu laufen einige Schüler an uns vorbei und bemerken gar nicht in welcher Lage wir momentan stecken. Ich beneide sie dafür, dass sie ein sehr viel einfacheres Leben leben, auch wenn man das nicht einfach so pauschalisieren kann. "Was ist das für ein Deal?", frage ich bevor ich auch nur darüber urteilen kann. Wieder zögert sie, doch erzählt es mir dennoch. "Sehr viel Geld. Er verspricht mir eine so große Summe an Geld, dass ich eigentlich für den Rest meines Lebens nicht mehr arbeiten müsste und ich dennoch im guten Wohlstand lebe." 
Ich schweige. Mein Körper versteift sich wieder.  Warum bekommt sie ein so großes Angebot und ich eine Drohung, die mein ganzes Leben ruinieren würde? Ja, Miley hat um einiges schlimmeres erlebt als ich, aber dass ich gar nichts bekommen würde, wenn ich schweige, macht mich traurig und wütend. Herr Dilito zwingt mich zu schweigen, denn ich habe eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben, die mich dazu verpflichtet Unmengen an Geld an die Schule zu zahlen, wenn ich etwas veröffentliche. Ich beiße die Zähne zusammen.
"Hat man dir denn nichts dafür angeboten damit du niemanden etwas erzählst?", fragt sie sichtlich erschüttert. Ich schüttelte nur den Kopf. Ich kann verstehen, wenn sie das Geld annimmt, aber ich weiß nicht ob ich mit so einer Tatsache leben könnte. "Willst du denn keine Gerechtigkeit für das, was dir zugestoßen ist?", frage ich sie enttäuscht darüber, dass ich in keinster Weise Gerechtigkeit bekommen werde.  Sie überlegt eine Weile bis sie weiter spricht. "Ich glaube, dass ich mit diesem Deal mehr Gerechtigkeit bekomme als wenn ich einfach zur Polizei gehe. Klar ich würde Logen am liebsten schlagen und anschreien. Ihn das antun, was er auch mir angetan hat, aber dann bin ich nicht sehr viel besser als er. Und das Geld kann ich brauchen. Es wäre dumm es abzuschlagen."Dabei hat sie recht. Ich lass den Kopf und die Schultern leicht hängen. Nicht einmal ein Jahr lang war ich auf dieser Schule und mir ist mehr passiert als in meinem ganzen Leben. Es macht mich einerseits traurig, dass ich gehen werde, andererseits bin ich froh darüber, denn dann kann ich noch mal von vorne anfangen. Ich werde auf eine neue Schule gehen und dort Leute kennenlernen, die ich vorher nicht kannte. Ich muss meine Mutter kontaktieren fällt mir ein. Sofort versuche ich den Gedanken zu verdrängen und es aufzuschieben. Ihr wird es nicht gefallen, dass ich zurück komme und sie wird es auch nicht verstehen. Ich kann es ihr nämlich nicht erklären. Und dann bin ich nur die, die es nicht auf einem Internat ausgehalten hat, jemand, der nur im Hotel Mama überleben kann. Aber vielleicht ist das auch so. Dann verkrieche ich mich in meinem eigenen Zimmer, wo nur ich Zugang zu habe, gehe nur zu Schulzeiten raus und liege sonst Serien schauend unter der Bettdecke. Kein Logen mehr, kein Anrufer mehr. Und alles wird gut, solange ich schweige.

Solange wir schweigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt