Der Ausflug

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Wir waren zwar kerngesund, gingen aber trotzdem nicht zur Schule. In einem Internat die Schule zu schwänzen ist etwas komplizierter, als auf einer ganz normalen Schule. Um dich vom Unterricht befreien zu lassen, braucht man ein ärztliches Artest von unserer Schulärtzin. Sima war bereits gestern Abend bei ihr und hat sich wegen schrecklicher Unterleibschmerzen beschwärt. Sie wurde für den heutigen Unterricht befreit. Damit es nicht weiter auffällig ist, ist Clara heute morgen vor der Schule zu ihr gegangen und redete von schrecklicher Migräne, die sie selbstverständlich nicht hatte. Sie wurde, wie auch Sima, vom heutigen Unterricht befreit. Beide saßen bereits auf ihren Zimmern und überlegten sich verzweifelt, was sie den an so einem schönen Unterrichtsfreien Tag anziehen sollen, während ich im Unterricht sitzte und gespannt dem Unterricht von Herrn Gollon folge. Ich war natürlich nicht gespannt darauf, wie diese eine Aufgabe ausgehen würde, sondern, wie sich der heutige Tag entwickeln würde. Doch bevor ich diesen aufregenden Tag beginnen kann, muss ich hier raus. Es war so abgeplant, dass ich heute morgen noch im Unterricht erscheine, doch ich fand die Idee von anfang an total bescheuert. Gerne hätte ich mit Sima oder Clara getauscht, aber sie waren zusammen einfach hartnäckiger als ich.

Lukas lächelte mir zu. "Ich hab dich noch nie so gut gelaunt im Mathe Unterricht gesehen. Wieso freust du dich so?" Er druchwühlte mit einer Hand seine Haare und lächelte frech. Dabei sah er total süß aus. Ich lächelte zurück und flüsterte: "Ich freue mich doch gar nicht", und guckte wieder Herr Gollon an. "Natürlich, du grinst die ganze Zeit. Oder hast du dich wieder mit Logen vertragen?" Sofort verflog meine Laune wieder. Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Wieso musste er unbedingt Logen ansprechen? Außerdem war er mit ihm auf einem Zimmer und muss doch wissen, was sache ist.
Ich bin stinksauer auf Logen. Noch immer haben wir nicht miteinander gesprochen und offenbar machte es ihm auch nichts aus. Ich wünsche mir, dass diese Sache einfach geklärt wird, aber ich will ihm auch nicht einfach so vergeben, das wäre falsch. Ich glaube er will sich gar nicht mit mir vertragen, denn er hat nicht einmal versucht sich zu erklären. Sollte ich ihn einfach ansprechen? Dann würde sich das wenigstens schneller klären. Kurz dachte ich darüber nach und bevor ich zu einem Enschluss kam, sprach Lukas wieder. "Tut mir leid", sagte er, "ich wollte dich nicht verärgern. Ich finde es nur total seltsam, wenn ihr beide zerstritten seid und ich der Grund dafür bin." Ich schaute ihn reflexartig an und schüttelte langsam meinen Kopf. "Du bist nicht daran schuld", meine Hand lag zum Trost auf seiner Schulter. Wie konnte er sich denn nur sowas einbilden? Der arme Kerl. "Ich beschuldige dich von allen am Wenigsten, nein, überhaupt nicht. Du hast alles richtig gemacht, hör auf dir so etwas einzubilden." Während ich das sagte,  schüttelte ich die ganze Zeit meinen Kopf.
"Wenn ich es dir gesagt hätte, wäre das alles nicht passiert."
"Wenn du mir das gesagt hättest, hätten Logen und ich möglicherweise mehr Stress."
"Okay", sagte er nur und blickte nach vorn. 

Ich schaute auf die Uhr, die an der Wand hing und geriet in einen Schockzustand. Es war schon eine Stunde vergangen und ich saß immer noch in Herrn Gollons Unterricht.
Sofort fing ich an zu husten. Absichtlich natürlich. Ich hielt eine Hand auf meiner Brust, die andere auf meinen Bauch. Ich hustete meine Wut raus und hatte damit Erfolg. Bei jedem Hust zogen sich meine Schultern zusammen und ich sank immer weiter zu Boden, zumindest tat es mein Oberkörper.
Kurz hörte ich auf zu husten, richtete mich auf, blickte um mich. Die meisten schauten mich an, sehr gut. Meine Hand wanderte sofort zu meinem Hals und ich versuchte so angewidert wie möglich zu gucken. "Amelia? Gehts dir gut?", fragte mich Lukas leise und legte seine Hand auf meine Schulter. Bei der Berührung überzog sich eine Gänsehaut auf mir und kurz vergas ich, warum ich hier war, als ich sagen wollte, dass es mir gut ginge. Er schaute mir in die Augen und sein Blick war besorgt. Ich sehnte mich nach dieser Fürsorge, doch schnell konnte ich mich wieder fassen und fing wieder an zu Husten. Ich dachte an Logen. Verdammt, der soll aus meinem Kopf verschwinden. Ich versuchte ihn raus zu husten, aus meinem Kopf raus. Ich muss hier raus und zwar schnell. Ich überlegte was ich machen sollte und hörte auf zu husten, blickte kurz um mich, als wäre ich betrunken und  fiel mit dem Stuhl nach hinten und ein Aufprall am Kopf sorgte dafür, dass ich wirklich in Ohnmacht fiel.

Solange wir schweigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt