Kapitel 8

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Er brummte nur:" Mhm" und dann saßen wir wieder schweigend nebeneinander. "Ich hätte dir jetzt eigentlich das Haus gezeigt, aber das hast du ja schon selbst erkundet", versuchte ich die Stimmung zu lockern doch seine Antwortwn blieben demonstrativ Einsilbig. "Ja", sagte er diesmal und wieder war es still, ich hatte ja keine Ahnung, worüber ich mit James reden sollte. Doch plötzlich fiel mir etwas ein, etwas, das die ganze Anspannung und schlechte Laune vielleicht übertrumpfen könnte. Ich sprang freudig auf. "Komm James, ich muss dir etwas ganz wichtiges zeigen. Komm schon!", rief ich während ich die Treppen hinunterstolperte. Ohne darauf zu achten ob er mir folgte oder nicht, lief ich zu dem kleinen Kasten, in dem wir unsere unsere Schlüssel aufbewahrten. Ich angelte mir schnell den passenden, drehte mich um und knallte gegen James' Brust. Ich bin zwar nicht klein, aber James ist einfach so groß, dass ich tatsächlich nur auf seiner Brusthöhe bin. "Aua, was stehst du denn hier im Weg rum?", fragte ich etwas verärgert, während ich mir meinen nicht wirklich schmerzenden Kopf rieb. "Du hast gesagt, ich soll dir folgen, das hab ich getan", sagte er mit selbstverständlicher Kälte in seiner Stimme und zuckte mit den Schultern. Ich schüttelte nur den Kopf und lief zurück ins Vorhaus. Dort schloss ich die Tür zur Garage, die wir eher als 'Bastelraum', wenn man es so sagen will, verwendeten. Ich betrat die Garage und James folgte mir immer noch unbeeindruckt. Schnurstracks lief ich auf die, mit einem Leintuch bedeckte, Überraschung zu. Es würde mir irgendwann nützlich sein, dass wusste ich und jetzt war dieser Zeitpunkt gekommen. Ich zog das mit Motoröl und Staub bedreckte Tuch weg und da stand sie. Unsere alte Harley Davidson. "Es ist ein Sondermodell aus dem Jahr 1943. Von diesem Prachtstück wurden nur 10 Stück hergestellt. Es hat auch nur für evhte Kenner einen Wert. Also persönlichen Wert, es ist nicht viel Geld wert. Man kann es nur mit viel Schweiß, Mühe und Geduld wieder herrichten. Mein Dad hat es geerbt, wollte es aber verschrotten. Ich konnte ihn zum Glück noch davon abhalten. Hätte er einen Sohn gehabt, hätte er es wahrscheinlich mit ihm hergerichtet. Wenn du Fortschritte in der Schule machst, können wir sie gemeinsam herrichten und du kannst damit fahren. Deal?", fragte ich und drehte mich beim letzten Satz in seine Richtung. Die Faszination meinerseits gegenüber der Maschine war so groß, weil sie eine ganz besondere Geschichte hinter sich hat, die sich in unserer Familie zugetragen hatte. Das ist jetzt aber nicht so wichtig. James, der bis jetzt noch genauso fasziniert wie ich um die wunderschöne Maschine geschlichen war, blickte mir kurz ins Gesicht. Das Motorrad war jedoch viel fesselnder für ihn. Er nickte kaum merklich und hauchte:" Deal". Da war es wieder, das kurze glitzern in seinen Augen, das aber sofort wieder verschwand. "Warum?", flüsterte er. "Du bist der einzige, der diese wunderschöne Maschine zu schätzen und fahren weiß. Du hast es dir in meinen Augen verdient, so ein Prachtstück zu besitzen. Ich würde sie nicht für alles Geld der Welt verkaufen, wenn der Käufer der Maschine keinen Respekt zeigt und sie nur irgendeine Errungenschaft für ihn wäre. Das würde ich nicht übers Herz bringen. Darum", antwortete ich ihm wahrheitsgemäß und er sah mich kurz ehrfürchtig an. " Danke, schätze ich mal", sagte er, den Blick der Maschine zugewendet. Man merkte sehr gut, dass es nicht seine Stärke war, sich zu bedanken, aber damit kam ich klar. "Mit dem Motorrad können wir allerdings erst beginnen, wenn du Fortschritte in der Schule gemacht hast", sagte ich, erschrak aber, als ich den leicht strengen Ton in meiner Stimme hörte. James, der es hasste Anweisungen zu bekommen und besonders wenn man so mit ihm redete, bemerkte diesen Unterton wohl auch. Er knirschte mit den Zähnen und brachte nur ein gequältes "Ich weiß" zustande. Um das, was ich gerade gesagt hatte, wieder gut zu machen, ohne, dass er es merkte, musste ich schwere Geschütze auffahren. Ich sah ihn an und wedelte mit dem Garagenschlüssel vor seinen Augen herum. "Ich vertraue dir, deshalb gebe ich dir den Schlüssel. Du kannst damit die Garage von außen aufschließen und dir unser Projekt jederzeit ansehen, aber ohne meine Anwesenheit schraubst du nicht an dem Motorrad herum. Ich will ja nicht eines Morgens aufwachen und eine reparierte Harley vorfinden.", erklärte ich ihm und zwinkerte am Ende. Er nickte und ich lies den Schlüssel in seine Hände fallen. Da ich den gleichen Schlüssel selbst um meinen Hals hängen hatte und meine Eltern, die unser Auto ohne Grund immer vor dem Haus parkten, ebenfalls einen besaßen, brauchte ich mir diesbezüglich keine Sorgen zu machen. "Ich geh mal davon aus, dass du heute nicht mehr lernen willst und da du schon so gut wie alles nötige über mich weißt, schlage ich vor, dass du dich jetzt auf deinen Nachhauseweg machst", sagte ich einfach so, aus heiterem Himmel, da mir beim besten Willen nichts besseres einfiel. Er betrachtete noch ein letztes Mal die Harley, drehte sich dann aber ohne ein Wort zu sagen um und lief zurück in den Vorraum. Ich folgte ihm. "Weißt du, du könntest mir ruhig mal antworten, ich fühle mich, als würde ich gegen eine Wand reden", fluchte ich vor mich hin. "Ich fahre", war seine schlichte Stellungnahme. Ich seuftze auf. "Mehr als zehn Wörter gleichzeitig werde ich wohl nie von dir zu hören bekommen oder?", fragte ich und lehnte mich an das Treppengeländer. Als er diese Aussage hörte, musste unser Mr Emotionslos dann doch leicht schmunzeln, auch wenn es nur kurz war. Er schüttelte den Kopf und öffnete die Haustür. "Tschau", war das letzte, was ich zu hören bekam, bevor er durch die Tür verschwand.

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