KAPITEL 1 oder Die Wälder Valams

712 79 28
                                    

Verträumt starrte ich in das lodernde Feuer des großen steinernen Schmiedeofens. Die orangeroten Flammen umspielten die letzten kleinen Holzscheite, die jetzt nach einem langen Tag noch nicht zu Asche geworden waren. Sie züngelten erbarmungslos und unermüdlich und sorgten so für genug Hitze, um Eisen und andere Metalle flüssig werden zu lassen. Während ich abwesend vor mich hin dachte, umfassten meine beiden Hände den hölzernen Griff eines dunkelbraunen großen Lederblasebalges.

Immer und immer wieder drückte ich ihn zusammen und ließ ihn sich wieder aufblähen. Luft zischte aus der Öffnung am anderen Ende und ließ die Flammen in einem gleichmäßigen Rhythmus tanzen.

Es war eine Arbeit, die ich seit Wochen täglich verrichtete, wodurch ich es mittlerweile auch im Schlafen tun könnte.

Meine Arme waren schon taub vom langen arbeiten, aber das machte mir nichts aus, denn solange ich eine Beschäftigung mit Entlohnung hatte, in diesen schwierigen Zeiten, war alles in Ordnung.

"So wir können dann für heute Feierabend machen", beendete mein Vorgesetzter, Jonah der Dorfschmied von Valam schließlich eine lange und anstrengende Arbeitsschicht. Er löschte das Feuer im Ofen mit einem Zuber Wasser und ich ließ erschöpft nun endlich den Blasebalg los.

Seit der grausame König Nevary von Nuvyenne alle drei Tage Wachen und Ritter aus seiner Leibgarde zur Schmiede schickte, um dutzende von Waffen abzuholen, hatten meine zwei jungen Kollegen Bey und Maron und ich alle Hände voll zu tun, um die Wünsche unseres Herrschers zu erfüllen.

Bey, ein gerade mal 15jähriger dunkelblondgelockter Junge beendete seine Arbeit an einem Schwert und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seine dunkelblauen Augen leuchtenden wundervoll bei seinem schwarzverschmiertem rundlichem Gesicht.

Er arbeitete bereits seit drei Jahren in der Schmiede, da er seine Eltern in einer Schlacht im Königreich Nuvyenne verloren hatte. Dies war schon sechs Jahre her, aber er hatte es erst nach drei Wintern des Bettelns geschafft diese Stelle als Lehrling zu bekommen.

Ich bewunderte ihn für sein Durchhaltevermögen und sein immer positiv gestimmt Wesen. Nicht viele Menschen waren nach so vielen Jahren des Leidens noch so optimistisch.

Er grinste mich freundlich an, als er bemerkte, dass ich zu ihm herüberblickte.

"Cora wir sehen uns dann morgen um 8 Uhr?!", rief er durch die rechteckige Scheune zu mir rüber. "Klar", ich nickte ihm zu und ging anschließend hinter die Schmiede, um dort das eiskalte Wasser aus einem Fass zu nutzen, um mir den Schweiß und Dreck vom Körper zu waschen.

Es war zwar Sommer, so wie eigentlich fast das ganze Jahr im Reich Alayron, welches an der Küste und nah am Äquator lag, aber hier auf der großen Waldlichtung, auf der sich das Dorf Valam befand, war es durch sie Schatten der Bäume immer recht kühl.

Valam lag relativ nahe an der Grenze zwischen Alayron und Nuvyenne im Übergangsbereich von weiten Wiesen und Feldern zu dichtem Wald, der bis zum Horizont zu reichen schien.

Ich tauchte meinen ganzen verschwitzten Kopf unter Wasser, da meine Haare nur so vor Dreck aus der Schmiede standen.

Anschließend drückte ich meine dunkelbraunen Haare, die mir bis zur Taille reichten leicht aus und band sie zu einem Zopf zusammen.

Erfrischt lief ich anschließend zu einem kleinen Verschlag, der direkt am Rande der Lichtung, hinter der Schmiede lag, in dem mein pechschwarzes Pferd Adoris stand. Er war zwar schon alt und somit nicht mehr der Schnellste, aber ich liebte ihn über alles. Er war das einzige, was mir aus meinem früheren Leben geblieben war.

Er war ein Geschenk von meinem Vater, dem König von Nuvyenne gewesen. Er hatte ihn mir an meinem 16. Geburtstag übergeben, kurz bevor mein böswilliger Bruder Nevary ihn und alle anderen getötet hatte.

Time to Reign - Die Geschwister✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt