KAPITEL 2 oder Wenn das letzte Bisschen der heilen Welt zerfällt

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Nicht nur die noch relativ neue Schmiede stand lichterloh in Flammen. Auch viele andere Häuser in der Umgebung waren dem Feuer zum Opfer gefallen. Ich erkannte das einst so friedliche Dorf kaum wieder. Der noch vor kurzem so fröhliche Ort war nun tiefe Trauer und Hoffnungslosigkeit getaucht.

Menschen, mit denen ich teilweise Feste gefeiert, gesungen und gelacht hatte, schrien nun und weinten um den Verlust ihres Hofes, Hab und Gutes und vermutlich auch um einige Angehörige, die den Flammen nicht entkommen konnten.

Ich sah eine Mutter, die ihre tote Tochter im Arm hielt. Beide waren dreckig und trugen verlumpte Kleidung. Sie umklammerte sie mit zittrigen Fingern und Tränen rannen unaufhaltsam über ihr verdrecktes Gesicht. Sie schrie immer wieder unverständliche Worte. Sie war schon heiser, konnte aber nicht aufhören ihren Schmerz hinauszubrüllen.

Die kleinen Arme des blonden Mädchens hingen schlaff hinunter. Am Boden lag ein vom Matsch und Dreck braun gefärbten einst schneeweißes Stofftier. Die junge Frau nahm das Tier und legte es der Tochter in den Arm, so als würde sie es und somit auch sich selbst trösten wollen.

Wie in Trance ritt ich langsam zwischen meinen Mitmenschen hindurch. Die Hufe meines Hengstes verursachten schmatzende Geräusche bei jedem Schritt durch den knöcheltiefen Matsch.

Adoris spürte die Trauer, die uns von allen Seiten umgab. Er blickte sich um, schien zu begreifen, dass hier etwas unvorstellbar Schlimmes geschehen war. Wieder einmal mehr erkannte ich in meinem Hengst mehr als nur ein einfaches Tier.

Die verzweifelten Schreie und Hilferufe kamen bald nur noch gedämpft an mein Ohr, alles schien in Zeitlupe abzulaufen. Ich konnte das Schauspiel, welches sich mir bot und kein Ende nehmen wollte nicht mehr ertragen. Ich kapselte mich unbewusst ab, um keine weiteren negativen Gefühle mehr an mich ranzulassen. Denn ich wusste, dass egal wie stark ich sein mochte, es fehlte nicht mehr viel und ich würde genauso wie alle anderen Bewohner Valams zusammenbrechen und so konnte ich Keinem eine große Hilfe sein. Und ich musste sie unterstützen. Und zwar alle.

Denn das alles war meine Schuld. Die barbarischen Ritter waren wegen mir gekommen. Allein wegen mir. Keiner hier konnte etwas dafür. Die Bewohner wussten nicht wie ihnen geschah.

Sie hätten mich ja noch nicht einmal verraten können, denn sie wussten ja nicht über meine wahre Identität Bescheid.

Und weil ich zu spät war, hatten sie alles in Schutt und Asche gelegt. Die, die an wenigsten für das Chaos und den blutigen Krieg in ganz Agäa konnten, hatten die volle Wut und Gewalt der Leibgarde Nevarys abbekommen.

Endlich kam ich bei der qualmenden und einsturzgefährdeten Schmiede an. Eine unbändige Wut hatte sich mittlerweile in mir aufgestaut. Eine Wut auf mich selbst, dass ich das zugelassen hatte und natürlich auf all die Ritter, die es liebten Unschuldigen unendliches Leid und Qualen anzutun.

Ich konnte nicht mehr auf meinem Rappen sitzen bleiben und das alles von oben betrachten.

Ich glitt von Adoris Rücken und rannte in die Scheune hinein. Bey und Maron waren womöglich noch dort drin. Auf jeden Fall hatte ich sie hier draußen noch nicht entdecken können.

Flammen loderten mir schon am Eingang entgegen. Sie leckten an den Holzbalken, die sich schwarz färbten und bedrohlich knackten. Hier drinnen herrschte eine unvorstellbare Hitze. Es war zu heiß zum Laufen, zu heiß zum Atmen.

Ich musste Husten und konnte schon nach wenigen Augenblicken durch einen dichten Tränenschleier nichts mehr erkennen.

"Bey,...Maron", rief ich ins Feuer und Chaos. Meine Stimme brach ab von all dem Rauch, der sich binnen Sekunden in meiner Lunge breitgemacht hatte.

Time to Reign - Die Geschwister✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt