KAPITEL 8 oder Und wir waren einmal Freunde...

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Die nächsten Tage im Schloss von Lumres vergingen wie im Fluge. Ich verbrachte die Vormittage mit Pyero, der mir half wieder richtig auf die Beine zu kommen. Oft trafen wir uns in einem runden Raum, welcher aus hellem Sandstein bestand und den Sockel eines Turmes der Burg bildete. Rings um den Raum herum gab es schmale hohe Fensteröffnungen ohne Glas. So konnte zu dieser Jahreszeit immer ein leichtes Lüftchen durch den steinernen Raum wehen, was sehr erfrischend sein konnte. An allen Fenstern befanden sich Rosen und andere rankenartige Pflanzen, welche wie Vorhänge vor den Öffnungen hingen und so dafür sorgte, dass wunderschönes hellgrünes Licht den Raum durchflutete.

Solange es noch nicht zu heiß in den Hallen des Schlosses wurde, trainierten wir hier den Schwertkampf, Bogenschießen und Nahkampf. Während ich mit dem Bogenschießen und dem Kämpfen komplett ohne Waffen nicht so viel anfangen konnte, da ich darin so gut wie noch nie unterrichtet worden war, klappte das Üben mit dem Schwert schon einigermaßen gut. Pyero bemühte sich mich nicht allzu stark zu überfordern. Ich bemerkte, dass er sich ganz offensichtlich zurückhielt. Es schmeichelte mich einerseits, dass er sich so um mich sorgte, aber ich war es nicht gewohnt geschont zu werden. Ich hasste es eigentlich sogar, wenn man gewisse Vorteile bekam, nur weil man in einen anderen Klassenstand hineingeboren worden war. Im Grunde waren wir alle Menschen gleich und sollten auch so behandelt werden. Wenn ich ein Mann wäre und ein normaler Ritter am Hofe, so hätte ich mit Sicherheit schon wieder ganz normal trainieren müssen.

Zu meinem Bedauern musste er auch merken, wie stark meine Wunde noch schmerzte. Ich hatte das Gefühl, dass sie nicht im Geringsten daran dachte zu verheilen. Mein Verband war immer wieder getränkt mit dem Blut und dem Wundsaft, der unaufhaltsam hinausfloss. Es war zwar etwas weniger geworden, aber so langsam bekam ich Angst, dass die Wunde sich entzündet hatte und es eher schlimmer wurde als besser.

Darüber hinaus trug ich auch noch die neue silberne Rüstung mit den blauen Ornamenten und Verschnörkelungen. Sie saß zwar perfekt und war vergleichsweise sehr leicht, aber ich war es trotzdem nicht mehr gewöhnt schwere und harte Sachen zu tragen.

Generell war meine Stimmung somit auf einem Tiefpunkt angekommen, den ich anscheinend nicht überwinden konnte.

Immer wenn ich mich aufregte weil etwas nicht so klappte wie ich wollte, brachte Pyero mich wieder zum Lachen und schaffte es, dass ich mit neuem Mut an die Sache ging.

Ich wusste, dass ich mich selbst einfach zu sehr unter Druck setzte, da ich wusste, dass die Zukunft der Welt praktisch von mir abhing. Gegenüber ihm konnte ich zwar eine glückliche Fassade aufrechterhalten, aber sobald ich alleine war, kam alles hoch, was mich bedrückte. So war ich froh über jede Beschäftigung, die meine düsteren Gedanken vertreib.

Zum Glück schaffte ich es immer sehr schnell diese schweren Gedanken in der Gegenwart von Skylar beiseite zu schieben. Sie erklärte mir sehr ausführlich meine Aufgaben und gab sich dabei alle Mühe mich nicht als rangniedriger zu behandeln, obwohl ich das ganz eindeutig war. Doch es machte mir nichts aus. Ich war im den letzten Jahren sehr viel weniger gewöhnt gewesen.

Mit Vergnügen begleitete ich sie als Leibwache bei ihren Ausflügen in die Natur und in die Stadt und fühlte mich dabei endlich wieder sehr wohl. Die anderen Ritter hatten mich herzlich aufgenommen, auch wenn der ein oder andere mir aufgrund meines Geschlechts merkwürdige Blicke zuwarf. Doch nach wenigen Tagen waren alle Zweifel verschwunden und sie befolgten meine Anweisungen ohne zu murren, auch wenn es noch sehr wenige waren, da ich noch nicht sehr viel Erfahrung hatte. Skylar übernahm deswegen teilweise meine Aufgaben, was ein weiteres Zeichen dafür sein musste, dass sie mich sehr mochte.

Was ich bei all den anstrengendem Training und den vielen Aufgaben von der Königin ganz verdrängt hatte, war die Tatsache, dass ich im Moment mit meinem Bruder und Dako unter einem Dach wohnte. Ich hatte es bis jetzt zwar geschafft niemanden in düsterer und roter Kleidung zu begegnen, aber das könnte sich ja jeden Moment ändern.

Time to Reign - Die Geschwister✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt