Time to Reign - Die Geschwister✔

KAPITEL 20 oder Auf der Brücke der Entscheidungen

Als ich im Hof ankam nahm ich mir erst einmal sehr viel Zeit, um die Umgebung zu betrachten, denn ich wollte mich ablenken und jedes Detail erfassen, was mich umgab. So hoffte ich sicher gehen zu können, dass ich nichts Wichtiges übersah, was mir später von Nutzen sein konnte.

Der runde Innenhof war voller Bediensteter und Ritter, die sich zwischen die Berge von Stroh und anderen Waren drängten, die hier gelagert wurden. Alle bereiteten sich eilig auf die Parade vor und hasteten von einem Ende des Platzes zum anderen. Nervös betrachtete ich das Treiben, bis mich etwas wirklich Beeindruckendes in seinen Bann zog.

Es war eine wunderschöne weiße Senfte, die mitten in den Hof getragen wurde. Sie hatte wohl in einem der angrenzenden Räume gestanden. Sie strahlte förmlich vor Sauberkeit. Hellblaue Vorhänge waren an den Eingang und die Fenster angebracht worden.

Skylar, die ein langes traumhaftes blaues Kleid trug unterhielt sich daneben mit einigen Wachen. Es war ein Bild wie aus einem Märchen. Wie eine Göttin stand sie da, aufrecht, erhaben und wunderschöner als alle Male zuvor, als ich sie gesehen hatte.

Es war verständlich, dass sie sich für so einen Anlass sehr herausputzte, denn sie war das Aushängeschild für dieses Königreich und ihre Schönheit ihr Markenzeichen.

Erst als einige Pferde in den Innenhof gebracht wurden, die allesamt den selben weißen Sattel und Zaumzeug trugen, konnte ich meinen Blick von ihr reißen.

Pyero, der still neben mir gestanden hatte, begab sich zu seiner Schwester, er würde direkt neben ihr reiten, während Nevary und sie in der Senfte platznehmen würden. Vom anderen Ende warf er mir einen letzten ermutigenden Blick zu, dann wendete er sich ab und stieg auf seine Stute.

Ich hatte die Anweisung bekommen, dass ich mit ein paar anderen Rittern das Schlusslicht bilden sollte, da ich so gut den ganzen Zug überblicken konnte. Dies war bestimmt Nevarys Idee gewesen, denn so war ich weitmöglichst von der Senfte entfernt und konnte schlecht eingreifen, wenn etwas Unvorhergesehenes passieren sollte.

Nervös zog ich mich in den Sattel und nahm meinen Platz in der Aufstellung ein. Man hatte mir Shaytan gegeben, was ich normalerweise sehr schön gefunden hätte, denn ich mochte den sensiblen Hengst, aber ich war so aufgeregt, dass er wegen mir aufgebracht auf der Stelle tänzelte und ich mal wieder Mühe hatte ihn dazu zu bringen auf seinem Platz zu bleiben.

Und dann ging es los. Quer bahnte sich der Umzug den Weg durch die schmalen Gassen, die immer breiter wurden, je näher wir der Stadtmitte kamen. Erst standen vereinzelt Menschen an den Seiten und jubelten Skylar zu, die aus der Senfte hinaus den Zuschauern zuwinkte. Nevary hielt sich still und versteckt. Er wusste natürlich, dass ihn sowieso keiner sehen wollte. Stumm und ohne Regung betrachtete ich die Menschen um mich herum. Während die Ritter alle genauso angespannt schienen wie ich, waren die Stadtbewohner voller Freude, dass sie die Königin zu Gesicht bekamen.

Als wir auf den großen Marktplatz kamen, staunte ich, wie viele Menschen sich hier her begeben hatten, um Skylar zu sehen. Wir hielten kurz und sie zeigte sich dem Volk einen Moment. Die Königin stellte sich vor die Senfte, wo sie sogleich von einigen Wachen, die zu Fuß den Zug begleiteten, umringt wurde, damit die Menschen ihr nicht zu nahe kamen. Ich mochte den Abstand, der gewollt zwischen Volk und Herrschern erzeugt wurde, nicht. Natürlich musste man sie schützen, aber es wirkte so, als wäre das einfache friedliche Volk fähig sie zu ermorden und musste deswegen in einer gewissen Entfernung gehalten werden.

Sie bekam Geschenke sowie Blumen über die Wachen hinweg zugereicht, was sie alles dankend entgegen nahm. Sie war eine tolle Königin. Alle liebten sie wegen ihrer Gerechtigkeit und auch ihre Schönheit trug da sicher etwas dazu bei. Die Angespanntheit, die momentan im Schloss und Volk herrschte konnte man ihr nicht anmerken, auch wenn ich wusste, dass sie nicht so glücklich war, wie sie sich nach Außen gab. Doch die Menschen brauchten eine starke Person, an die sie ihre Hoffnung hängen konnten und da ich anscheinend völlig in Vergessenheit geraten war, als Gegnerin für Nevary, war nur noch Skylar im Rennen.