KAPITEL 9 oder Das Leben am Hofe

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Zu meiner Verwunderung hatte sie meine Verspätung anscheinend nicht einmal bemerkt oder ihr machte es nichts aus.

Sie lächelte mich freundlich an. Ihr Aussehen war wie immer bezaubernd. Sie trug ein langes hellblaues enganliegendes Kleid mit einem V-Ausschnitt. Nach unten hin war das Kleid mit glitzernden Steinchen besetzt. Ihre verschnörkelte Krone, die sie heute trug, bestand aus denselben Steinen.

Sie stellte mich ohne lange Umschweife dem Prinzen Sargû von Ristorak vor, der für ein paar Wochen im Schloss bleiben würde. Er kam aus der Hauptstadt Samaku, die am Fuße der Berge des Sirus lag. Er hatte eine monatelange beschwerliche Reise hinter sich, die ihn mit seinem Gefolge durch die berüchtigte silberne Steppe geführt hatte, in der es, wie man sich erzählte, spuken sollte. Die Geister von Toten, die keine Ruhe finden konnten, schwebten dort umher und führten so manchen Reisenden in die Irre.

Ich war gespannt darauf zu hören, was er für Geschichten zu erzählen hatte. So gerne würde ich selbst all diese Orte bereisen, egal wie groß die Gefahren wären, die dort lauerten. Ich verstand die Adeligen nicht, die so reich waren, um sich alles leisten zu können und die dann ihr ganzes Leben lang nur im Schloss mit saufen und essen verbrachten.

Sargû hatte einen großen Haufen an Handelsware bei sich und hoffte seine kostbaren und seltenen Mineralien und Gesteine gegen Salz und Fisch eintauschen zu können. Dies waren die typischen Rohstoffe, die es in Ristorak und Alayron gab. Jedes Land in Agäa hatte seine Produkte, die es nur in diesem Bereich gab. Da es sich aber oft um Sachen handelte, die jeder gerne hatte, reisten Adelige oder enge Vertraute von den Hochgeborenen durch das Land um zu handeln. So kam es oft vor, dass sich die Königshäuser aus allen verschiedenen Himmelsrichtungen trafen und ihren Überfluss gegen nützlichere Ware eintauschten. Dazu gab es dann immer rauschende Feste, an die ich mich gerne noch zurückerinnerte. Zwar hatte ich nie an welchen teilnehmen dürfen, da ich noch zu klein gewesen war, aber manchmal hatte ich mich oberhalb des Ballsaals im Schloss von Nuvyenne in den Dachbalken versteckt und die Gäste beobachtet. Bis mich mein Bruder eines Tages erwischt hatte und alles meinen Eltern erzählte.

Danach war ich nie wieder auf den Dachboden gegangen.

Auch der Prinz von Ristorak musste bei meinem Vater mindestens einmal zu Gast gewesen sein, denn ich erkannte ihn aus den Geschichten meines Vaters wieder.

Raergo hatte mir erzählt, dass er schon über 50 Jahre alt wäre, aber dass sein Vater noch immer Leben würde und den Thron nicht freigäbe. Es war sehr ungewöhnlich, dass ein Thronfolger in diesem Alter noch nicht die Herrschaft übernommen hatte. Wenn man sich Skylar als Beispiel nahm mit ihren 25 Jahren, war sie dem Prinzen um einiges voraus.

Zu Sargûs Bedauern witzelte man darüber dass der König noch seinen Sohn überleben würde. Man sagte er wäre wie einer der Berge, die das Schloss in Samaku umgaben. Uralt und unzerstörbar. Bereit alles zu überleben, was auch kommen mochte.

Dies war wirklich ganz zum Leiden von Sargu, denn ihm blieb nichts anderes übrig, als die Befehle seines altersschwachen Vaters auszuführen.

Als Skylar uns bekannt gemacht hatte, erklärte er, dass er mich wiedererkenne. Er hatte mich einmal im Garten hinter dem Schloss von Nuvyenne spielen sehen, als er mit meinem Vater Geschäfte gemacht hatte. Er hatte meinen Vater sehr gemocht und bedauerte seinen Tod sehr. Durch die Blume merkte er an, wie sehr er es verabscheute nun mit dem Mörder dieses Königs verhandeln zu müssen. Doch ihm blieb nichts anderes übrig. Sein Volk brauchte die Produkte aus Alayron.

Am Ende von unserem Gespräch lud er mich zu seinem Abschiedsball in zwei Wochen ein, der für ihn veranstaltet werden würde. Es sollte eine Tanzveranstaltung werden, die hier im Schloss im großen Saal stattfinden würde.

Time to Reign - Die Geschwister✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt