KAPITEL 4 oder Die Schwingen des Todes und eines Engels

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"Du hättest lieber in der schönen heilen Traumwelt bleiben sollen, die ich extra für dich erschaffen habe meine liebe Salira. Denn hier wird das Ganze, was ich mit dir vor habe nicht so freundlich ablaufen." Mein Bruder setzte einen gewollt mitfühlenden Ton auf, doch er gab sich nicht sonderlich die Mühe es echt wirken zu lassen.

"Fahr zur Hölle", fauchte ich ihn an. Ich zwang mich dazu starr und emotionslos in seine abscheulich pechschwarzen Augen zu blicken. Augen, die einst so friedlich und liebevoll gewesen waren.

Der Drache war schuld an all dem. Ohne die Kraft in uns beiden wäre das alles niemals geschehen. Der Teil des Feuerwesens in ihm hatte seine wunderschönen und liebevollen blauen Augen düster werden lassen genauso wie seine dunkelbraunen Haare.

Fuchier hatte es damals meinen Eltern erklärt und diese dann uns Geschwistern. Die Seele verlieh uns eine unschätzbare Macht, aber sie hatte auch einen Preis, den man wohl oder übel zahlen musste. Das Stück der Seele verstärkte zum einen den Charakter seines Trägers. Nevary war schon immer ein kleiner Lügner gewesen, der gerne Schabernack trieb und anderen manchmal auch Streiche mit drastischen Folgen spielte. Ich bezweifelte nicht, dass die Macht in ihm einen großen Teil dazu beitrug, dass er jetzt so war wie er war. Seine dunkle Seite wurde durch sie noch schwärzer.

Der zweite Nachteil war, dass die Seele das Aussehen beeinflusste. Deswegen sah man Nevary seinen dunklen Charakter auch von außen so an.

All dies war auch ein Grund dafür, dass ich noch nie auch nur daran gedacht hatte meine Kräfte zu erwecken. Ich hatte Angst, was die Drachenseele in mir und an mir verändern könnte. Das Negativbeispiel sah ich ja direkt über mir.

"Oh liebste Schwester, glaubst du nicht, dass ich schon längst in der Unterwelt bin?", unterbrach er meine Gedanken und holte mich zurück in die grausame Realität. Tapfer fixierte ich weiter seine Augen. Ich hatte keine Ahnung, was für Kräfte er nun genau hatte. Daher blieb ich starr und versuchte auch an nichts zu denken, da ich die Befürchtung hatte, er könnte womöglich sogar in mich hineinsehen. Schließlich waren wir auf ewig verbunden durch Fuchier.

Er wendete sich langsam ab und lief gemächlich um mich herum während er weitersprach. Sein Blick kreiste durch den Raum, seine linke Hand ruhte auf seinem Rücken, seine rechte hingegen war leicht erhoben und machte passende Bewegungen zu seiner kleinen Ansprache.

"Ich habe es versucht...wirklich. Ich wollte die Kraft von dir ohne dich zu verletzen. Kein Haar hätte ich meiner lieben großen Schwester gekrümmt, schließlich bist du doch alles, was ich an direkter Familie noch habe. Aber so dumm und stur wie du bist hast du dich dagegen entschieden. Deine Art war schon immer nervig und hinderlich. Also werde ich nun alles Mögliche andere versuchen. Egal was es mich, oder wohl er dir kosten mag. Ich werde deine Drachenseele bekommen, auch wenn du es am Ende nicht überlebst." Ich wusste zwar, dass er gefühlskalt war, aber solche Worte direkt aus seinem Mund zu hören und dabei so hilflos zu sein...

Ich wollte etwas erwidern. Ihm zeigen, dass ich stark war und niemals nachgeben würde, aber da war er auch schon aus dem höhlenartigen Raum verschwunden und ich hörte nur noch, wie eine schwere Eisentür leise quietschte, ins Schloss krachte und ein Schlüssel umgedreht wurde.

Als ich nun alleine war fielen alle Hemmungen von mir ab. Ich konnte mir ein Aufschluchzen nicht verkneifen. Tränen der Verzweiflung rannen über meine Wangen. Konnte es noch schlimmer kommen. Adoris, mein geliebter Hengst war tot, das letzte, was mich noch an friedvollere Tage erinnert hatte. Er war mein Anker gewesen, der mir immer geholfen hatte weiterzumachen und niemals aufzugeben egal wie hoffnungslos alles erschienen war. Und Jonah, er hatte sich geopfert. Für mich. Doch in diesem Zustand konnte ich seinen Wunsch, Nevary zu stürzen niemals erfüllen. Es sollte meine Pflicht sein ihn zu rächen.

Time to Reign - Die Geschwister✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt