KAPITEL 24 oder Und der Mond wird auf ewig ein Zeuge sein

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Vor fast sieben Wintern im Schloss von Simaris, Hauptstadt Nuvyennes

Unruhige Träume durchzogen meinen Schlaf und ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Jede Nacht träumte ich von einem riesigen Drachen, der mich verfolgte und Feuer spie. Ich rannte um mein Leben, wollte weg von ihm, doch er war immer so nah bei mir, als wäre er mit mir verschmolzen. Ich wusste, dass ich keine Chance hatte zu entkommen und dennoch hastete ich im Traum immer weiter, bis ich vor Erschöpfung zusammenklappte und dann schweißgebadet aufwachte.

Als ich in dieser Nacht aufwachte, war es dasselbe wie immer. Mein Puls raste, ich war klitschnass und panisch vor Angst. Mittlerweile hatte ich mich aber an diese nächtlichen Attacken gewöhnt und so fand ich schnell wieder Ruhe.

Der Vollmond schien hell in mein Gemacht und verlieh der düsteren Ausstattung des Raumes etwas Glanz. Die schweren dunkelgrünen Vorhänge hatte ich beiseite geschoben, um den in Silber getauchten Wald betrachten zu können und die weiten Berge des Sirus in der Ferne, die wie Ungeheuer in der Nacht auf mich wirkten. Doch es waren keine furchteinflößenden Monster wie der Drache in meinem Traum, denn ich wusste, dass es nur Berge waren. Dennoch liebte ich es mir in den Gegebenheiten der Landschaft etwas anderes vorzustellen als nur Wälder und Gestein.
Ich liebte Nuvyenne und die Stille, die sich des nachts über das Reich legte. Schon so oft hatte ich hier an den hohen, schmalen Fenstern gestanden und einfach nur die Landschaft betrachtet. Dabei tat ich dies in der Nacht sogar noch lieber, als am Tage, denn jetzt schien alles so friedlich und rein. Die Menschen, jene die für alles Unheil in der Welt verantwortlich waren, schliefen. Doch es war nicht nur die stumme Schönheit der Natur, was ich an der Nacht so sehr liebte.
Tagsüber musste ich meine Eltern sehen, die sich Sorgen um meinen kleinen Bruder machten, der schon seit Monaten verschwunden war. Ich wusste, dass sie eine Ahnung hatten wohin es ihn verschlagen hatte, aber ihre Gedanken behielten sie für sich. So konnte ich nur hoffen, dass Nevary eines Tages wieder den Weg nach Hause zu seiner Familie finden würde. Meine Eltern schienen nicht mehr daran zu glauben, dass er freiwillig wieder heimkehren würde, aber ich vermisste meinen kleinen, lieben Bruder und den Spaß, den ich immer mit ihm gehabt hatte. Die wilden und langen Austritte fehlten mir und seine witzigen Ideen anderen Streiche zu spielen, auch wenn er es manchmal übertrieben hatte.

Verträumt blickte in auf den vollen und strahlenden Mond, als ich plötzlich Lichter in der Ferne zwischen den Bäumen bemerkte. Sie kamen rasch näher und ich erkannte, dass es viele Reiter waren, die in vollem Galopp auf das Schloss zujagten. Sie waren ganz in Schwarz gekleidet, soweit ich es bei dem spärlichen Licht erkennen konnte. Die meisten hielten Fackeln in den Händen und alle waren schwer bewaffnet.
Ich beobachtete sie, bis die Mauern der Burg mir den Blick auf sie verwehrten. Ich fragte mich, was diese Reiter wohl mitten in der Nacht hier zu suchen hatten und dazu auch noch mit so viel Eile hier eingetroffen waren. Am meisten beunruhigte mich ihre kriegerische Kleidung.

Unsicher lief ich im Zimmer auf und ab und überlegte, ob ich nachsehen sollte, was geschehen war, als plötzlich ein Schrei die Stille der Nacht durchriss. Ein Schauer lief mir über den Rücken und eine dicke Schicht Gänsehaut bedeckte meinen gesamten Körper, als ich die Stimme meiner Mutter wiedererkannte. Ohne noch länger zu warten schnappte ich mir meinen dunklen Morgenmantel und rannte hinaus in den Flur. Ich befand mich im zweiten Stock und so hatte ich ein gutes Stück zurückzulegen, bis hinunter, woher der Schrei meiner Mutter Masyla gekommen war. Panisch vor Angst um ihr Leben hastete ich, so schnell meine Beine mich trugen, die Gänge entlang und die Treppen hinab. Während ich rannte warf ich mir den Mantel über.
Es war unangenehm still und ruhig in den Fluren. Niemand kam aus seinem Zimmer um nachzusehen. Vielleicht hatte auch einfach keiner den Schrei vernommen.
Vorsichtig und sehr langsam tastete ich mich die letzten Stufen hinab in den Eingangsbereich. Meine zitternden Finger krallten sich in das dicke Steingeländer. Ein kühler Lufthauch zog mir entgegen und ließ mich frösteln.
Auch hier war niemand zu sehen und nur das Mondlicht erfüllte die leeren Hallen des Schlosses.
Aber als ich nach rechts um die Ecke blickte, in die Richtung, in der der Thronsaal lag, so erkannte ich orangefarbenes Licht von Fackeln, welches an den Wänden entlangkroch.

Time to Reign - Die Geschwister✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt