Tag 77 ~Abend

7.8K 484 16
                                    

„Ich kann das nicht, Thoran," verzweifelte Fae neben ihm und strich erneut das rote Hemd glatt. Sie standen vor dem Haus seiner Eltern, bereit zu läuten und mit ihnen Abend zu essen.

Nachdem er ihr gesagt hatte, dass sein Vater von ihrer Arbeit beeindruckt war und sie kennenlernen wollte, war alles in ihr erstarrt. Thoran hatte ihm gesagt, dass sie seine neue Freundin war und sie wusste nichts von den beiden. Weder wie sie aussahen, noch wie sie sich gegenüber ihrem Sohn verhielten.

Waren sie unterstützend oder doch abneigend? Kritisierten sie ihn und wie würden sie sich ihr gegenüber verhalten?

„Du schaffst das," ermutigte er sie und hörte sich dabei aber nicht zuversichtlicher an, als sie, sog schließlich die Luft ein und läutete.

Das Haus war groß und sie hatten alleine zwei Stunden gebraucht, um von Manhattan in die Hamtpons zu kommen. Das Haus war direkt am Strand und hatte eine riesige Glasfront hin zum Meer, zumindest hatte Thoran ihr das erzählt. Im Sommer aßen sie draußen, aber da es beinahe November war und es kühler wurde, war das nicht möglich und sie würden sich eher im Erdgeschoss der weitläufigen Villa aufhalten.

Fae schreckte zusammen, als auf die Tür aufging und eine ältere Frau sie anlächelte. Es sollte vermutlich herzlich sein, aber dafür war es viel zu gezwungen, zu kalt und unwillkürlich erstarrte sie.

„Guten Abend Thoran," sagte die Frau und wandte sich zuerst ihrem Sonn zu. Ihre grauen Haare trug sie kurz und ihr Gesicht war von tiefen Falten durchzogen, was ihre blauen Augen beinahe von ihrer fahlen Haut herausspringen ließ, so stark war der Kontrast. Sie trug roten Lippenstift und ein edles, blaues Kostüm. „Und du musst dann Fae sein, kommt herein, kommt herein."

Thoran griff hilfesuchend nach der Hand seiner Freundin und sie lachte innerlich über die Absurdität der Situation auf. Sie war die, die eigentlich vollkommen ausflippen müsste und dennoch hatte er nach ihrer Hand gegriffen. Nicht umgekehrt.

Das Innere des Hauses war von warmen Licht erhellt und die weitläufige Halle, in die sie eintraten, mündete in ein Wohnzimmer, in welches gleich die Küche inkludiert war, in der gerade Thorans Vater Thomas Gemüse in kleine Stücke schnitt.

„Guten Tag Thoran," sagte er und begrüßte seinen Sohn mit einem Nicken, ehe er sich, noch immer mit dem Messer in der Hand zu Fae umwandte und sie in eine herzliche Umarmung zog.

„Es freut mich dich kennenzulernen, Fae. Mein Name ist Thomas. Thomas Flux, wie du vielleicht bereits weißt," sagte er und sie erwiderte sein Lächeln, welches absolut echt und authentisch wirkte. Sein schwarzes Haar, welches er beinahe militärisch kurz trug, wurde von grauen Strähnen durchzogen und er war um leicht zwanzig Zentimeter größer als seine Frau, die an seiner Seite stand. Unter der weißen Kochschürze trug er ein elegantes Anzugshemd und eine schwarze Hose und seine braunen Augen funkelten warm.

„Die Freude ist ganz meinerseits," antwortete Fae und ließ sich von ihrem Freund zum Tisch führen. „Das Essen ist bereits im Ofen, die Beilagen sind in zwei Minuten fertig," sagte Thomas und holte im selben Moment die Teller vom Tisch und öffnete den Ofen, aus dem warme Luft kam und nahm das Essen heraus.

„Ich hoffe du hast nichts gegen Kartoffelauflauf mit gebratenen Tomaten, Petersilie und Oregano," sagte er und platzierte den Teller vor ihr und auch auf Thorans Platz, ehe er sich selber und seiner Frau ebenfalls das Essen auf den Tisch stellte.

„Guten Appetit," sagte er und alle nahmen die Gabeln und Messer in die Hände und antworteten mit den selben Worten, wie er, doch im nächsten Moment wurden alle unterbrochen, als ein Telefon anfing so laut zu vibrieren, dass es auch hätte läuten können.

Thoran schreckte auf und holte es heraus, drückte aber den Anruf weg und lächelte leicht in die Runde. „Es tut mir leid."

Das Telefon selber legte er neben sein Teller und schweigend begann das Essen und damit auch das Verhör.

„Also, Fae," sagte Miranda und musterte über den Tisch hinweg die Begleitung ihres Sohnes. „Du arbeitest also in der Firma meines Sohnes?"

Fae bemühte sich über ein Lächeln. „Ja, ich war von der Fusion betroffen. Jetzt bin ich Leiterin der Grafikabteilung."

„Und deine Familie?"

Thoran sah, wie Fae ihre Lippen fest zu einem Strich zusammenpresste und atmete durch die Nase ein, als würde sie ihre Nerven beruhigen, obwohl sie natürlich genau mit dieser Frage gerechnet und sich in Folge dessen gewappnet hatte.

„Mein Bruder studiert Jura und meinem Vater gehört das Immobilienimperium Adler."

Erstaunt zog Miranda die Augenbrauen hoch und sah die kleine Freundin ihres Sohnes mit ganz neuen Augen. „Deine Familie ist recht bekannt, wie mir scheint."

Fae nahm einen weiteren Bissen, kaute und schluckte, ehe sie antwortete, doch wurde sie von dem erneuten Klingeln des Telefons ihres Freundes unterbrochen und Thoran fluchte unterdrückt.

Fae sah besorgt in sein Gesicht und erhaschte gerade noch einen Blick auf die Anzahl der verpassten Anrufe, vor der ein Name stand, der ihr mehr wehtat, als alles andere.

Ihre Gedanken flogen wild in ihrem Kopf hin und her, während sie versuchte aus dem, was sie gerade erfahren hatte, schlau zu werden. Sieben verpasste Anrufe, von niemandem Geringerem, als Joaquin Sanchez. Doch was hatte ihr Ex-Verlobter mit ihrem Freund zu schaffen?

Fae konnte sich nicht mehr auf das Essen konzentrieren, oder auf das Verhör von der Frau und nahm einen Schluck Wasser.

„Entschuldigt mich bitte für einen Moment," sagte sie leicht und stand dann, ohne auf eine Antwort zu warten, auf.

Doch kaum war sie aus dem Raum getreten, hinaus auf die Veranda, spürte sie warme Hände auf ihren bloßen Schultern.

Das Meer war wunderschön und der lange Sandstrand, an dem die Wellen anbrandeten, erschien in der Dunkelheit beinahe schwarz, doch Fae schüttelte, noch immer schwer atmend und komplett mit der Situation überfordert, die Hände ab und stolperte weiter vorwärts.

„Fae, warte!", rief Thoran, doch diese beugte nur den Kopf, während sie versuchte zu begreifen. Joaquin wurde vielleicht von Fenris erpresst, aber was hatte Thoran damit zu tun? Wieso warf er seine Pläne, die sie mit Thiago hatten, einfach so über Bord?

Doch er holte sie wieder ein und schnitt ihr geschickt den Weg ab. „Es ist nicht so... du verstehst nicht. Ich helfe Joaquin."

„Du hilfst ihm?", fragte sie und lachte heiser auf. „Wobei? Das Geld zu beschaffen?"

„Fae," sagte er, hielt sie an den Schultern fest, als wäre sie sein Fels in der Brandung. „Ich helfe Joaquin aus der Sache rauszukommen. Er hat einen Fehler gemacht und Fenris hat Beweise, dass er mit einer Frau geschlafen hat, die... von hinten... die... egal. Aber ich kann ihm helfen. Thiago Plan ist Schadenbegrenzung, doch Joaquin und ich können das verändern, wir können allen helfen. Fae, er hat ein Video. Ein Video, welches ihm und dir zu gleicher Maßen schaden kann. Und weder er noch ich sind gewillt das zuzulassen."

Thoran sah, wie Faes Blick zu Boden sank und ihre gesamte Haltung sich veränderte. Sie ließ die Schultern hängen, fiel beinahe gegen ihn, doch als er in ihr Gesicht sah, sah er keine Tränen. Eher schaute sie geschockt in Richtung Meer, immer noch von Unglaube besessen.

Sie hatte es gewusst, aber dennoch, zu hören, dass sich die Situation wiederholte, dass sich die Situation, die sie vor zwei Jahren in Spanien hatte, wieder hier abspielte, erfüllte sie gleichzeitig mit Trauer, aber auch mit Zorn, mit Schwermut, aber auch mit Rachegelüsten.

„Fae... ist alles gut?", fragte Thoran und sie machte sich schließlich zögernd von ihm los, wobei noch immer ihre Finger zitterten, beinahe ihr ganzer Körper schien zu erbeben, doch er konnte nicht sagen ob vor Angst oder etwas anderem.

„Also gut. Zwei Sachen: Es ist Zeit. Zeit, dass du mein Geheimnis erfährst und dann will ich sofort erfahren, was ihr vorhabt. Ich war schon in der Situation. Ich kann euch helfen. Ich bin stark genug." 

How to Fix a Broken HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt