Tag 84 ~Nachmittag

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„Sie hat es gemacht, ohne irgendwie nach irgendwelchen Details zu fragen, einfach so," erklärte Fae einige Stunden später Thoran, der nur die Stirn skeptisch runzelte. „Andere zu erpressen liegt in der Familie, hat sie gesagt und ihn angerufen. Marella hat Fenris vor meinen Augen so laut zusammengeschissen, dass wahrscheinlich die Nachbarn jetzt noch ein Trauma haben, so viel geflucht- und dabei ist sie seine Schwester." Sie schüttelte ungläubig den Kopf.

„Also... ist es jetzt erledigt?", fragte Thoran zögernd, konnte noch immer nicht ganz glauben, dass Fae es einfach so geschafft hatte. Es schien beinahe zu einfach und er wollte es so glauben, verdammt, er wollte nichts mehr, als das der Spuk endlich sein Ende finden würde. Ob sie das jetzt geschafft hatten? War es wirklich... vorbei?

Nach dieser langen Zeit, nach dem Wirbel und der Frischluft, die Fae in sein Leben gebracht hatte, nach allem, was geschehen war, sollte es jetzt einfach so vorbei sein, sollte wirklich Ruhe in sein Leben einkehren?

Erst da erinnerte er sich an die jüngsten Ereignissen, von denen Thoran seiner Freundin noch gar nichts erzählt hatte.

Seine Freundin.

Daran würde er sich nie gewöhnen und ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er sie einmal mehr musste, den Schwung ihrer Augenbrauen bewunderte, die kleine Narbe auf der Stirn und die blauen Augen, die ihn jetzt fragend ansahen.

Was hatte er schon wieder verpasst? Es geschah ihm immer öfter, dass er einfach Fae ansah, und dabei die Zeit vergaß, dass er einfach sich in ihrem Anblick verlor, einfach weil sie sein Leben so auf den Kopf gestellt hatte und das innerhalb von drei Monaten.

Natalia hatte das nie geschafft. Sie war aufregend gewesen, ja, aber irgendwann hat sich das Neue gelegt, war es zu etwas Stetigem geworden, wie ein Kaminfeuer, dem man dabei zusah, wie es sich durch das Holz fraß, bis es ein Ende fand.

Er wusste aber, dass Fae in jedem Fall anders war. Die Flamme, die sie verband würde nie so herabbrennen, wie es mit Natalia geschehen war. Zum einen, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass es mit Fae langweilig oder normal werden, zum anderen, weil sie ihn nicht betrügen würde. Dafür vertraute er ihr zu sehr und kannte sie gut genug. Sie verlor bereits so viel in ihrem Leben; jemanden zu betrügen schien ihr nicht ähnlich.

„Uh, was war die Frage?", fragte er beinahe dämlich und wunderte sich einmal mehr, wie Fae es geschafft hatte, ihn aus seiner Wohnung zu bekommen und das harte, sarkastische Etwas, das er war, in jemanden zu verwandeln, der Frauen mit Kaminfeuer verglich.

„Ich habe gefragt, wie dein Tag war," sagte sie ruhig, betonte jede einzelne Silbe und griff nach seinem Arm. Ihre Augen leuchteten und Thoran wusste, dass es von der Zuversicht war, die sich in ihr Herz geschlichen hatte.

„Der Anwalt meinte, dass, Fenris intelligent genug sein muss, um das nicht mit dem Gericht oder dergleichen in Verbindung zu bringen. Immerhin hab ich ihn nicht windelweich geschlagen. Auch wenn er es verdient hat. Er hat das bekommen, was er verdient hat," brachte er hervor, während er an Faes Blick zurückdachte, ihr ganzer Körper, der vor Selbstbeherrschung gebebt hatte, die großen Augen, die ihm zeigten, dass sie nicht mehr wegen ihrer Vergangenheit, ihren Entscheidungen weglaufen würden. Dieser harte Blick in ihren Augen, diese Kälte hatte genug gewirkt, um ihn ausrasten zu lassen, wie noch nie in seinem Leben.

Faes Arm strich über seinen Arm und sie rückte auf der Couch, auf der sie in Thorans Wohnung saßen, näher. Ihre kalten Hände hinterließen eine eisige, aber dennoch angenehme Schauer auf seinem Armen und er schloss genießerisch die Augen.

„Fae," keuchte er, als sie sich provozierend auf seinen Schoß setzte und ihn hart küsste.

Der Kuss war voller Leidenschaft und er zog sie noch näher zu sich heran, strich über ihren Körper, ihre Brüste und genoss ihr Gewicht auf ihm. „Was machst du nur mit mir?", fragte er und sie lächelte beinahe siegessicher, wollte etwas erwidern, wurde aber vom Klingeln des Telefons in ihrer Hosentasche unterbrochen.

Sie erstarrte kurz, bewegte sich nicht und zuckte dann mit den Schultern. „Scheiß drauf," flüsterte sie und fuhr mit ihren Händen unter sein Hemd, brachte ihn zum Stöhnen und das alleine durch so einfache Berührungen. Doch als wenige Sekunden später Thorans Telefon zu Klingeln begann, lösten sie sich fluchend voneinander und missmutig griff Thoran nach seinem Telefon, welches er auf dem kleinen Beistelltisch neben der monströsen Couch abgelegt hatte.

„Mich haben Thiago und Joaquin angerufen," sagte Fae und ihre Stimme klang heiser vor Leidenschaft. Auch Thoran musste sich räuspern ehe er etwas erwidern konnte. „Mich nur Joaquin. Ich rufe ihn zurück."

„Und ich seinen Bruder." Schon wandten sich die beiden gegenseitig den Rücken zu und tigerten wie eingesperrte Raubkatzen durch die Wohnung.

Joaquin hob zuerst ab, seine Stimme atemlos an Thorans Ohr. „Thoran, gut dich zu hören. Ich habe dich und Fae angerufen. Ich wollte dir nur danken, was auch immer du oder Fae gemacht haben, Fenris ist gegangen, er hat gekündigt. Das Video hat er mir auf einem USB-Stick hinterlassen. Einfach so." Sogar über das Telefon konnte Thoran die wiedergewonnene Fröhlichkeit hören und ein widerwilliges Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Sie hatten es geschafft, etwas Gutes getan.

„Ich setze die Tour fort, aber ich wollte mich eigentlich von euch persönlich verabschieden. Ohne euch hätte ich das nie geschafft. Ich schaue morgen vorbei, wenn es euch nichts ausmacht." Thoran sah zu Fae zurück, die ihm gerade den Rücken zuwandte und lächelte. „Ja natürlich. Wir freuen uns." Joaquin lachte, ein Lachen, das von Herzen kam und legte dann auf. Ungläubig sah Thoran auf das Telefon und fragte sich, wann genau er begonnen hatte Joaquin zu mögen, den Ex seiner Freundin zu sich einzuladen, ohne gleich vor Ekel kotzen zu müssen.

Er legte das Telefon zurück auf seinen Platz und sah weiterhin Fae zu, wie sie einfach nur lauschte. Auf einmal blieb sie mitten in der Wohnung stehen und drehte sich zu ihm um, ihre Augen weit aufgerissen. „Du hast was gemacht?", fragte sie und selbst in ihren Ohren hörte sich ihre Stimme verdammt hoch an.

„Ich bin Fenris gefolgt und als er seine Tasche abgestellt hatte, um ein Model zu fotografieren, habe ich die Tasche genommen und alle Fotos mitgenommen. Er hat draußen fotografiert, weswegen ich unbemerkt hinein und wieder hinaus schlüpfen konnte. Nachdem du uns erzählt hast, dass sie im doppelten Boden waren, war es leicht sie mitgehen zu lassen," erwiderte Santiago Sánchez seelenruhig, während Fae ihm am liebsten links und rechts eine Ohrfeige geben würde. Auch wenn es ihr verdammt wehtat zu wissen, dass der schwedische Fotograf immer diese Fotos haben würde, hatte sie nie daran gedacht, auch nur einen Gedanken daran verschwendet, sie jemals zurückzuholen.

Anders als Thiago anscheinend. „Ich habe sie verbrannt," erklärte er weiter und Fae spürte, wie jede Farbe aus ihrem Gesicht entwich, während sie an all das dachte, was falsch gehen könnte und es wahrscheinlich auch war.

Auf einem Fotoset waren immer Menschen, irgendjemand musste ihn gesehen haben, oder? Aber wenn es draußen war und alle beim Set waren, dann hätte er so etwas wie Glück... nein. Das war eine Wunschvorstellung und jedes Mal, wenn Fae sich gewünscht hatte, dass etwas gut für sie ausgeht, hatte alles eine 180 Grad Wendung gemacht und ihr Leben in Scherben zurückgelassen.

„Wie auch immer, Joaquin hat mich vorhin angerufen. Marella hat also das mit Fenris geregelt?"

„Ja," erwiderte Fae und ignorierte den abrupt herbeigeführten Themenwechsel. „Danke nochmal. Ich schulde dir viel zu viel."

„Ach bitte," erwiderte Thiago und sie sah beinahe seinen linken Mundwinkel vor ihrem inneren Auge in die Höhe gehen, was dieses typische schiefe Lächeln hervorrief. „Für dich mache ich alles, das weißt du. Ich schaue morgen vielleicht bei euch vorbei, hört sich das gut an? Ich nehme Kuchen mit."

Fae lächelte leicht und nickte schließlich. Ob Thoran damit eine Problem haben würde? Nein, er wusste, dass sie es nie ohne ihn geschafft hätte jemals aus der Erpressung wegzukommen oder das hier zu schaffen. Er musste einverstanden sein.

Deswegen drehte sie sich endlich zu ihrem Freund um, noch immer das Telefon an ihr Ohr gepresst und grinste breit, wie sie es schon lange nicht mehr getan hatte, ein Grinsen, das beinahe sorgenlos war. „Ja natürlich."


How to Fix a Broken HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt