Letzte Nacht kam Diego wieder nicht nach Hause. Mama und Papa machten sich fürchterliche Sorgen, da er nicht mal an sein Handy ging. Es war halb acht morgens. Ich tappte verschlafen die Treppenstufen nach unten als ich Mamas Stimme hörte. Sie war am telefonieren. „Noch heute! Ich halte es keinen Moment länger aus!", keifte sie in den Hörer. Ich blieb an der Tür stehen und lauschte. „Was er getan hat? Er hörte nicht!
Er verschwindet einfach ohne etwas zu sagen! Er geht nicht mehr zur Schule! Er kommt Nächte lang nicht nach Hause! Reicht Ihnen das als Grund?", schrie sie aufgebracht. Das klang nicht gut. Wollte sie Diego etwa los werden? Nein, das darf nicht passieren! Er ist doch mein Bruder... „Wann? In zwei Stunden? Ja, gut. Ich werde ihn ausfindig machen und ich packe seine Sachen. Bis dann! Ciao!", murrte Mama und legte auf.
Tränen liefen über meine Wangen. Ich betrat das Wohnzimmer. Nun sah ich auch Papa, der sich schweigend an die Wand gelehnt hatte. „Ihr wollt ihn weg schicken?!", fragte ich tränenerstickt. „Was bleibt uns anderes übrig? Er kommuniziert ja nicht mit uns und ist kaum da!", fuhr Mama mich an. „Aber das ist nicht fair, Mama! Er ist mein Bruder!", schrie ich sie an. „Nein! Das ist nicht dein Bruder! Er ist ein wildfremder Junge! Du kennst ihn doch gar nicht!", widersprach Mama wütend.
„Ich kenne ihn besser als du ihn kennst und deshalb weiß ich, dass er bei seiner Freundin im Krankenhaus ist! Ihr habt ihm nicht einmal eine Chance gegeben sich in unsere Familie zu integrieren! Er mag uns wirklich!", weinte ich verzweifelt und stinksauer. „Pass auf wie du mit uns sprichst, junge Senorita!", mischte sich nun auch Papa ein. „Wann wird er abgeholt?", fragte er nun Mama.
„In zwei Stunden... Dann fliegt er zurück nach Spanien!", antwortete sie. Ich fing nun richtig an zu heulen. „Das könnt ihr ihm nicht antun!", versuchte ich sie verzweifelt zu überreden. Doch ich wurde eiskalt ignoriert. Schluchzend rannte ich in mein Zimmer und zog mich hastig an. Immer noch weinend rannte ich anschließend die Treppe runter und verließ ohne zu frühstücken das Haus. Ich schnappte mir mein Fahrrad und fuhr schnell zum Krankenhaus.
Im Eingangsbereich traf ich auf Ludmila. „Hey, Fran. Was machst du denn hier?", fragte Ludmila mich überrascht. „Hast du etwas geweint?" Ich schüttelte den Kopf. „Hast du Diego gesehen?", fragte ich leise. „Seine Freundin liegt in dem dritten Stock. Aber ich habe keine Ahnung welches Zimmer..." Ich lächelte dankbar und rannte los. Wieder liefen mir Tränen über die Wangen. Ich nahm immer zwei Stufen nach oben und hatte es in Nullkommanichts nach oben geschafft. Ich traf Diego sogar auf dem Flur an.
„Diego!", rief ich und er drehte sich erschrocken um. „Francesca! Was machst du hier?", fragte er mich und sah sich um, als wäre der Ort hier gefährlich. „Ich... ich muss mit dir reden!", schluchzte ich. Diego sah mich entsetzt an und kam auf mich zu. Sanft umarmte er mich. „Was ist denn los?", fragte er mich unsicher. „Mama und Papa wollen dich wieder wegschicken...", murmelte ich leise und ich spürte wie Diego erstarrte. „Wohin?", fragte er tonlos. „Zurück nach Spanien!", schluchzte ich und löste mich vorsichtig von ihm.
Er war schneeweiß im Gesicht und Tränen liefen ihm über die Wangen. „Ich hoffe ich habe noch genug Zeit...", murmelte er leise. „Um ehrlich zu sein... Du wirst in zwei Stunden abgeholt...", gab ich zögerlich zu. Diego schluckte schwer. Ich hörte eine Tür auf gehen und eine Person trat heraus. Eine mir sehr bekannte Person. „Angie!", rief ich glücklich. Mein Gott, habe ich sie schon lange nicht mehr gesehen! Seit Violettas Unfall nicht mehr und das sind ja in zwischen drei oder vier Monate gewesen. Ich fiel Angie glücklich um den Hals und sie erwiderte leicht die Umarmung.
„Hallo, Francesca!", sagte Angie und ich spürte einen Hauch von Kälte in ihrer Stimme mitschwingen. Sie löste sich von mir und ich folgte langsam ihren Blick. Sie starrte Diego sauer an, dann drehte sie sich um und verschwand wieder in dem Zimmer aus dem sie getreten war. Diego kam auf mich zu und drückte mir einen sanften Kuss auf die Stirn. „Danke, Kleine!", flüsterte er und folgte Angie. Ich starrte ihm eine Zeit lang hinterher. Warum ist er in Angies Zimmer gegangen?
Er kannte sie doch gar nicht! Aber was ist wenn Angie seine... Quatsch! Ich ging langsam wieder zurück nach Hause. Ich habe den kompletten Weg nach Hause darüber nachgedacht, was ich denn tun könnte. Inzwischen hatte ich meine Entscheidung gefasst. Ich brachte mein Fahrrad in die Garage und ging dann in unser Wohnhaus. Ich wurde schon von Mama erwartet. „Wo warst du?", fauchte sie. „Bei Diego!", antwortete ich knapp und ging in mein Zimmer.
Ich hörte wie meine Mutter mir folgte. „Was hast du jetzt vor?", fragte sie und beobachtete mich, wie ich meine Koffer aus dem Schrank kramte. „Ich werde mit Diego gehen! Ob es dir passt oder nicht! Er ist mein Bruder auch wenn wir nicht dasselbe Blut teilen. Ich werde ihn nicht alleine lassen!", erwiderte ich kalt und packte meine Klamotten in die Koffer. Mama starrte mich entsetzt an. „A-aber das kannst du doch nicht machen! Das kannst du uns nicht antun!", stammelte sie. „IHR wollt Diego weg schicken! Jetzt weißt du wie es mir geht! Auch wenn du es nicht so siehst, er will sich ändern und ihr seht es nicht! Ich habe es schon bemerkt!
Seine Freundin ist fast gestorben und er verbringt nun jede freie Minute bei ihr um auf sie aufzupassen! Er ist nicht mehr wie damals! Er hat ein Herz! Du glaubst es nicht, aber er hat immer seine Hausaufgaben und er hat auch immer einen Grund wenn er nicht in der Schule erscheint. Aber ihr könnt es nicht wissen, weil ihr ja nie da seid! Ihr kommt ja nicht mal zu unseren Aufführungen! Er hat letztens einen Song komponiert und ihn uns vorgetragen. Ich habe es gefilmt, warte kurz", erklärte ich ihr und kramte mein Handy aus der Handtasche. Ich suchte das Video aus der Galerie und zeigte es ihr.
Ihr Mund stand ein wenig offen. „Woher weißt du das mit seiner Freundin?", fragte sie kleinlaut. „Ludmila hat es mir erzählt... Sie hat ihn ein paar Mal gesehen als sie im Krankenhaus Violetta besucht hatte. Einmal hat sie ihn halt gefragt, warum im Krankenhaus war. Ich weiß nur nicht wie seine Freundin aussieht oder wie sie heißt. Aber er ist ständig bei ihr. Ihr könnt ihn jetzt nicht wegschicken. So versperrt ihr ihm den Neuanfang!
Ich verstehe euch nicht! Ich verstehe euch wirklich nicht! Wenn ihr Diego wegschickt, dann schickt ihr mich auch weg!", sagte ich und packte weiter meine Koffer. Mama legte mein Handy auf die Kommode und verließ schweigend mein Zimmer. Ich sah ihr irritiert hinterher. „Was hast du jetzt vor?", rief ich ihr noch hinterher. „Ich muss etwas erledigen!", kam es von Mama zurück. Angespannt ließ ich mich auf mein Bett sinken. Was hat sie jetzt vor?
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Tanzen ist das was mich ausmacht ✔
FanfictionFortsetzung von 'Singen ist das was mich ausmacht'. Nach Violettas Geburtstag hat Maria einen tödlichen Unfall... Violetta ist am Boden zerstört. Angie versucht so gut es geht die Familie auf andere Gedanken zu bringen, das sie ihre eigenen Gefühle...