Glück

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Happiness in intelligent people is the rarest thing I know.
- Ernest Hemingway

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Das restliche erste Schuljahr verlief zu unser aller Freude ohne weitere Zwischenfälle. Ich wusste nicht, was ich genau tat, aber wenn immer ich etwas mit meinem Zauberstab anfangen sollte, reichte ein einfacher Gedanke aus und er tat, was ich wollte - das machte sich besonders in Zauberkunst bemerkbar, was mich flott zu einem Lieblingsschüler von Flitwick gemacht hatte. Der Frühling verzauberte die Schlossgründe, ließ Blumen sprießen, sogar der dunkle Waldrand des Verbotenen Waldes sah weniger bedrohlich aus als im Rest des Schuljahres. Vögel flogen in ihrer bekannten V-Formation über die zahlreichen Dächer der Türme und des Schlosses und die süße, milde Luft schien die Natur komplett zu verändern.

Seit den Ostertagen hatten wir begonnen, uns auf die Prüfungen am Ende des Jahres vorzubereiten. Gemeinsam hatten wir Tabellen und Systematiken entworfen, die uns den Stoff übersichtlich und einfach zusammenfassen sollten. Besonders Panik hatte ich vor der Prüfung in Zaubertränke. Mit Annabelles Hilfe hatte ich es zumindest geschafft, dass Professor Slughorn nie mehr meinen Kessel leeren musste, aber so wirklich zufrieden wirkte er nicht mit mir. Allzu oft lief er mit einem mitleidigen Gesichtsausdruck an meinem Kessel vorbei, manchmal seufzte er sogar, um seine Enttäuschung auszudrücken. Annabelle (die er jedes Mal übertrieben lobte) sagte mir dann zwar immer, dass ich mich deswegen nicht beunruhigen lassen sollte, doch trotzdem ließ mich das nicht kalt. Ich verstand einfach nicht, was das Problem dieses Kessels war, dass er sich scheinbar gegen mich verschworen hatte. Und ich wusste schlicht und ergreifend nicht, wie ich das alles ohne Annabelle anstellen sollte. In meinen Augen würde es an ein schieres Wunder grenzen, sollte ich diese Prüfung auch nur annähernd bestehen.

Und natürlich bestand ich sie nicht. Ich bekam ein M, was bedeutete, dass ich mehr oder weniger knapp an der Grenze zum Bestanden vorbeigeschrammt war. Zu meiner großen Überraschung freute ich mich sogar darüber, denn das bedeutete, dass noch nicht Hopfen und Malz verloren war. Außerdem glichen meine anderen Noten diesen einen Patzer bei Weitem wieder aus. In Zauberkunst und Verwandlung hatte ich die Bestnote, ein Ohnegleichen, bekommen. In VgddK und Astronomie sowie in Geschichte der Zauberei (was mich am meisten wunderte), hatte ich es zu einem Erwartungen übertroffen geschafft. Und in Kräuterkunde, was ebenfalls nicht mein Lieblingsfach geworden war, schaffte ich immerhin ein Annehmbar.

Meine Eltern freuten sich über alle Maße mit mir über meine Prüfungsnoten und als ich meiner Mutter dann noch sagte, dass ich sicher länger als ein Jahr in Hogwarts bleiben würde, war der Sommer perfekt. Sobald wir den ersten Tag unseres zweiten Jahres in Hogwarts verbrachten, bewarben sich Edward und Anthony für die Auswahlspiele für die Hausmannschafft von Ravenclaw. Sie hatten von ihren Eltern für ihre guten Zeugnisse einen neuen Besen bekommen und den ganzen Sommer über mit Edwards älteren Brüdern trainiert. Den ersten Abend im neuen Schuljahr verbrachten wir damit, Edward und Tony zuzuhören, wie sie über ihre neuen Besen schwärmten und Pläne schmiedeten, was sie alles machen würden, sobald sie in die Hausmannschaft aufgenommen werden würden.

"Ich werd der Held von Ravenclaw sein! Wegen mir gewinnen wir den Hauspokal", schrie Tony, als er auf sein Bett sprang und so tat, als wäre das Fußende des Bettes ein Besen. Im letzten Jahr hatten wir nur sehr knapp hinter Slytherin gelegen. Mir persönlich machte das nicht sehr viel aus, ich gab eigentlich nichts auf die Stellung der Häuser im Wettstreit um den Hauspokal und war mir sicher, dass wir ihn so oder so einmal gewinnen würden.
"Du Idiot, ich bin viel besser als du!", quiekte Edward, als er sich mit lautem Gebrüll auf Tony warf und die beiden sich wie besessen auf dem Zimmerboden herumkugelten.
"Ihr seid beide Idioten, weil ihr in diesem verdammten Spiel euer Leben riskiert", murrte Jacques, der soeben ins Zimmer gekommen war.
"Bei Quidditch ist noch nie jemand gestorben!", kam es von den beiden am Boden Liegenden wie aus einem Mund.
"Nur verschwunden", sagte Ryan und winkte ab. "Also kaum der Rede wert." Er grinste. Normalerweise machte Ryan keine Witze, er war immer noch ziemlich in sich gekehrt und still, was wohl größtenteils an seinem Vater lag. Ich wusste nicht genau, wie es bei ihnen zu Hause zuging, aber allein die Tatsache, dass er sich immer nach den Ferien weigerte, sich bei uns im Zimmer umzuziehen, sprach Bände. Das wirklich Schlimme daran war, dass er sich - scheinbar - nicht wirklich helfen lassen wollte. Auch mit meinen Eltern hatte ich das Thema erörtert und sie hatten sofort gesagt, dass Ryan immer bei uns Willkommen wäre, auch für längere Zeit. Doch sobald man ihn darauf ansprach, konterte er, dass er seinen Vater in dieser Zeit nicht allein lassen konnte. Ihn zu sehen, wie er jetzt langsam aus sich heraus kam und wie er sich im Vergleich zu letztem Jahr verändert hatte, war Balsam für die Seele.
"Er ist doch wieder aufgetaucht!", schrien Tony und Edward, die sich gegenseitig an den Haaren zogen.
"Manchmal fällt es mir schwer, zu glauben, dass wir in dem Haus sind, wo die Klugen sein sollen", gab ich zu bedenken, als ich die Szene am Boden analysierte. Jacques setzte sich neben mich aufs Bett, klopfte mir auf die Schulter und sagte "Du sprichst mir aus der Seele. Wenigstens einer ist hier vernünftig." Dann lachten wir alle.

Kind Des HimmelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt