Schickschalsschläge sind feige.

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"Wie schön, dass Sie Zeit gefunden haben", begrüßte uns Professor Dumbledore, als er uns die Tür zu seinem Büro öffnete. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob er gerade glücklich oder traurig war. Es wirkte, als wäre er ein bisschen von beidem.

Es war schwer gewesen, sich nichts anmerken zu lassen, während ich mir mein Frühstück hinunter quälte. Was konnte Dumbledore uns zu berichten haben? Hatte er Tom gestern Abend noch angetroffen, konnte er mit ihm sprechen? War Mariella gefunden worden? All diese Fragen geisterten mir unablässig im Kopf herum und ließen mir keine Ruhe. Wenn ich zu Zoe schielte, stellte ich fest, dass es ihr scheinbar ähnlich ging. Sie musste vor jedem Bissen, den sie machte, tief durchatmen.

"Ich muss nochmal ein Buch holen", murmelte ich, als ich fand, dass ich lange genug am Tisch gesessen hatte. "Ich hab meine Hausaufgaben oben vergessen", quiekte Zoe mehr oder weniger überzeugend und trippelte neben mir aus der Halle.

"Was gibt es denn, Sir?", fragte ich betont ruhig.

"Nun, es gibt Neuigkeiten", antwortete Dumbledore, zog die Augenbrauen nach oben und verdrehte leicht die Augen. Dann strich er sich seinen langen Umhang glatt und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. "Bitte, setzen Sie sich doch", forderte er uns auf, doch wir verneinten beide. Erwartungsvoll standen wir immer noch halb in der Tür.

"Mariella wurde heute Nacht ins St. Mungo's eingeliefert." Er bemühte sich spürbar, ruhig zu sprechen, doch die Gesichtszüge von uns beiden entgleisten uns.

"Bitte was?", schrie Zoe und machte einen Schritt nach vorn. Ich packte sie schnell am Kragen und zog sie wieder zurück, bis sie mit mir in einer Reihe stand. "Sie haben gesagt, Sie würden uns helfen!"

"Ich habe gestern Abend mit Mr Riddle sprechen können und ihm zu verstehen gegeben, dass das Fortbestehen der Schule in Gefahr ist, sollte das an die Öffentlichkeit gelangen. Er stritt selbstverständlich alles ab. Zwei Stunden später wurde Mariella in der Eingangshalle gefunden. Körperlich unversehrt, aber so traumatisiert, dass sie nicht mehr wusste, wer sie war. Die Heiler meinten aber, dass sie sicher gute Heilungschancen haben würde."

"Sie wurde was?" Ich konnte als erster von uns beiden halbwegs die Fassung wiedergewinnen und starrte den stellvertretenden Schulleiter entgeistert an.

"Ich bedauere, dass wir ihr nicht eher helfen konnten", meinte Dumbledore und sah ehrlich niedergeschlagen aus.

"Was ist mit Tom Riddle?", fragte Zoe und ballte die Hände zu Fäusten.

Professor Dumbledore seufzte. "Es gibt keine Beweise für Ihre Annahme. Trotzdem danke für Ihre Hilfe." Das war der Moment, in dem ich entschied, dass mir das alles zu viel wurde.

Wutentbrannt stürmte ich aus der Tür und ... wusste nicht weiter. Mir kam das gesamte Leben unfair vor. Wieso konnte einem nicht einfach, wenn man sich zumindest bemühte, das Richtige zu tun, auch etwas Gutes passieren? Wieso schien alles, was ich probierte, vollkommen umsonst zu sein? Und wieso war überhaupt alles, was ich machte, falsch?

Ohne darauf zu achten, wo ich hinlief, durchstromerte ich das Schloss. Dass ich an diesem Tag Unterricht hatte, interessierte mich in dem Moment herzlich wenig. Tränen liefen dann und wann über mein Gesicht, und ich wischte sie mit dem Ärmel meines Umhangs weg. Letztendlich fand ich mich auf dem Astronomieturm wieder, von dem sich mir eine fantastische Aussicht über die winterliche, verschneite Landschaft des schottischen Hochlands bot. Ich kam gern hierher, um nachzudenken. Oder um allein zu sein. In diesem Fall war ich hier, weil ich nicht einmal mit mir selbst vereinbaren konnte, dass ich daran die Schuld trug, dass ein kleines, unschuldiges Mädchen ungeheure Dinge erleiden musste. Dinge, von denen sie sich womöglich nicht mehr erholen würde.

Kind Des HimmelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt