Jugendlicher Leichtsinn

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A/N: Das nächste Kapitel wird wieder wesentlich spannender, versprochen. Ich musste nur jetzt erstmal einiges an Zeit überbrücken.

Lioras Reaktion machte all die Ängste, die ich durchgestanden, all die Probleme, denen ich mich gegenübergestellt gesehen hatte, wieder wett – mehr als das. Ihre Augen wurden größer und größer, bis sie einigermaßen verstanden hatte, was wir geplant hatten. Lachend fiel sie mir um den Hals, weinte, kreischte, bevor sie sich dann doch wieder verwirrt von mir löste und mir tief in die Augen sah.

„Habt ihr eine Erlaubnis dafür?", fragte sie, ihre Stimme war eine Mischung aus überschwänglichem Quieken und Tadel.

„Gibt es eine Erlaubnis dafür, sie dort einzusperren?", konterte Tom, woraufhin sie ihm gefühlte zehn Minuten überraschte, finstere Blicke zuwarf. „Mach dir keine Sorgen, ich habe das alles geprüft. Wir haben eine wasserdichte Erklärung und es wird überhaupt nichts passieren." Er grinste überheblich, weil er allein diese Erklärung gefunden hatte und sie selbst hatte so überzeugend klingen lassen. Ich war nur mit ein paar fadenscheinigen Sätzen um die Ecke gekommen, die allesamt nutzlos waren.

Liora starrte uns abwechselnd an, als suche sie nach dem Haken in unserem Plan. Ich hatte schon erwartet, dass sie es nicht gerade gutheißen würde, wenn wir unser Leben und sie Geheimhaltung der magischen Gesellschaft aufs Spiel setzten, um ein paar Menschenleben zu retten und ich hoffte inständig, diese Frage war nur aus Sorge gestellt worden.

„Und wie habt ihr euch das vorgestellt?"

„Nun – ähm" – „Das ist so ..." – „Folgendermaßen ..." Tom und ich stammelten um die Wette, bemerkten aber schnell, dass das so keinen rechten Sinn hatte.

„Also nicht", schloss Liora folgerichtig daraus und ließ uns beide wie zwei Trottel vor ihr stehen, doch dann fügte sie murmelnd hinzu: „Aber ich habe vielleicht eine Idee", woraufhin wir auf beiden Seiten neben ihr standen und sie mit Fragen löcherten. Tom war dabei vor allem genervt von ihrer Ausdrucksform und sagte ständig Dinge wie „Sie hat vielleicht eine Idee? – Wie kann man denn nur vielleicht eine Idee haben? – Entweder man weiß es oder man weiß es nicht!", doch sie ließ sich gar nicht weiter davon beirren.

„Eigentlich ist es keine Idee, weil es so simpel ist", grinste sie.

Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in mir aus, denn ich konnte mich nicht so richtig mit dem Gedanken anfreunden, dass jemand so einfach eine gute Idee hatte, auf die ich nach einem ganzen Tag Überlegen nicht gekommen war.

„Wie wäre es denn, wenn ihr das ganze Ghetto einfach mit einem Muggel-Abwehr-Zauber versehen würdet? Man müsste natürlich dafür sorgen, dass sich keine Nazis mehr darin befinden und man müsste den Zauber natürlich so modifizieren, dass die Juden davon nicht beeinträchtigt werden, aber dann hättet ihr so viel Zeit wie ihr wollt, um alles zu tun, was ihr wollt."

Ich denke, ich spreche im Folgenden nun für uns beide, wenn ich sage: Tom und ich fielen aus allen Wolken. Wir hatten in Betracht gezogen, jeden einzelnen Juden aus dem Ghetto wegzuschaffen und jedes Mal, wenn wir in ein neues Haus kamen, alles wieder von vorn erklären zu müssen und damit nicht nur deren Leben, sondern auch unseres zu riskieren. Dagegen kam mir Lioras Idee um so vieles einfacher und vor allem besser vor, dass ich sie am liebsten noch einmal mitten auf dem Gang in die Arme geschlossen, sie mit Küssen überschüttet und ihr tausende Male meine Liebe gestanden hatte. Da Tom allerdings neben uns stand und ein Gesicht machte wie drei Tage Regenwetter, beschloss ich ganz einfach, das zu vertagen.

„Das ist genial", brummte er schließlich. „Ich werde sofort darüber recherchieren. Ich melde mich, wenn ich etwas herausgefunden habe." Und damit wandte er sich und sprang die Treppen des Turmes, zwei Stufen auf einmal nehmend, wieder hinunter.

Kind Des HimmelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt