Übung macht den Meister

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Mit zitternden Händen griff ich nach der Klinke des Erberkopfs, dem Lokal in Hogsmeade, zu dem Dumbledore mich bestellt hatte. Der Eberkopf lag in einer Seitengasse, abseits vom Getümmel der Hauptstraße des kleinen Dorfs, der Putz bröckelte von den Wänden und ein gebrechlich wirkender Zauberer mit schäbigem Mantel musterte mich argwöhnisch, als meine Finger das Metall der Klinke umgriffen.

Du bist sicher falsch hier. Das oder etwas Ähnliches musste der Mann wohl denken, denn er sah mir etwas belustigt hinterher, als ich mich durch einen kleinen Spalt ins Innere des Lokals schob, um möglichst wenig Aufsehen zu erregen. Und ja, ich fühlte mich auch immer mehr fehl am Platz, als ich mir das Etablissement genauer besah. Hatte Dumbledore auch wirklich diesen Ort gemeint?

Der Schankraum des Eberkopfs war düster, in den Ecken der kleinen Fenster hingen Spinnenweben und auf dem Fußboden lag eine Schicht Sägespäne. Es roch nach Ziegenstall. Wie konnte jemand freiwillig hier herkommen und etwas trinken? Der Wirt, ein großer Mann in den mittleren Jahren mit dunkelbraunen Haaren, stand hinter dem Thresen und polierte geistesabwesend ein Glas, allerdings war das Tuch, mit dem er das tat, so dreckig, dass ich am liebsten zu ihm getreten wäre und ihm empfohlen hätte, es einfach bleiben zu lassen.

Niemand beachtete mich, als ich mich zwischen den Tischen hindurchschob, um Dumbledore zu finden. Irgendwo hier musste er doch sitzen... Stattdessen fand ich nur ein Pärchen, bestehend aus einer dürren Hexe mit strähnigen roten Haaren und einem alten Zauberer mit dickem Bauch, die sich hier ganz offensichtlich vergnügten, und zwei junge Zauberer, die kaum fünf Jahre als ich sein konnten, die untereinander kleine Säckchen austauschten.

Wer hierkam, gehörte der Sorte von Menschen an, vor der einen die eigenen Eltern früher immer gewarnt hatten. Und was beinahe noch schlimmer war: der Wirt schien sich in diese Gruppe einzuklinken. Er musste sehr wohl sehen, was in seiner Kneipe vor sich ging, aber er entschied sich einfach dazu, all das nicht zu sehen und stattdessen weiterhin Gläser mit seinem vor Staub und Schmiere strotzendem Tuch zu polieren.

"Kann man dir irgendwie behilflich sein?", schallte plötzlich eine tiefe Stimme in meinem Nacken.

Ich wirbelte herum, nur, um in die himmelblauen Augen des Wirts zu blicken. Sein Blick fixierte mich, und mit Schrecken begriff ich, dass er nach dem Ärmel meiner Jacke gegriffen hatte. Ich konnte nicht fliehen.

"Dumbledore", murmelte ich. "Ich suche - Professor Dumbledore."

Irgendwie erwartete ich, vor die Tür gesetzt zu werden oder zumindest eine Ohrfeige zu erhalten. Dumbledore spaltete die Zauberergemeinde in die eine Seite, die ihn beinahe vergötterte, vor allem, nachdem er 1945 Grindelwald besiegt hatte, und in die andere Seite, die sich partout gegen ihn stellte und alles, was er tat oder sagte, verteufelte. Wer dieses Lokal besuchte, da war ich mir fast zu 100% sicher, konnte unmöglich auf Dumbledores Seite stehen.

"Albus", knurrte der Wirt, und fügte zu meinem Erstaunen hinzu: "Du musst Noel sein."

Perplex nickte ich mit vor Anspannung steifem Hals. Ich konnte meinen Blick nicht von den Augen des Mannes nehmen, der mir einerseits so bekannt, andererseits so fremd und unheimlich vorkam.

"Albus hat ein ganzes Schloss Platz für Gäste, die er empfangen will, trotzdem bestellt er sie in meine Kneipe."

Obwohl die Worte des Mannes abwertend waren, klangen sie nicht harsch, sondern auf eine verrückte Weise belustigt. Er klang wie jemand, der eingesehen hatte, dass er verloren hatte, und mit dieser Niederlage fertig wurde, indem er über sich selbst und sein Versagen lachte. Er war nicht wütend auf Dumbledore. Er fand es amüsant, dass er auf ihn und seine schäbige Kneipe angewiesen war.

Kind Des HimmelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt