7 - Ich-habe-eine-Freundin-Karte

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Die Jungs hämmerten motivierend auf der Tischplatte herum. Ich kniff die Augen zusammen und schüttete den Kurzen in meine Kehle. Es brannte kurz und ich schüttelte mich wie ein Hund, der gerade ein Bad genommen hatte. Bloß runter damit!

Ich hasste Trinkspiele und trotzdem machte ich aus welchen Gründen auch immer, nahezu jedes Wochenende mit. Mein Gehirn liebte den berauschenden Zustand, während meine Leber jedes Mal genervt seufzte, wenn wieder eine Portion zum Entgiften kam. Spätestens morgen früh würde mein Körper es mir mit Übelkeit und Kopfschmerzen heimzahlen.

„Ginger, du musst würfeln!", erinnerte mich Till, der direkt neben mir saß und stieß mich sachte an.

Ich war schon wieder nur unter Männern gelandet. Ursprünglich hatte ich bei Thea auf Frauenpower gehofft, doch die hatte sich wegen Bauchschmerzen entschuldigt. Während Till dachte, dass sie etwas Schlechtes gegessen hatte, war ich mir sicher, dass sie einfach nur ihre Tage hatte und ihren Abend lieber mit einen Wärmflasche auf dem Unterleib verbrachte.

Ich nahm den Würfel in die Hand. Auf je zwei der sechs Seiten standen die Wörter „Trinken", „Wahrheit" oder „Pflicht".

Der Würfel glitt durch meine Finger und kullerte munter über den Tisch, der mit Kritzeleien übersäht war. Die Kneipe gehörte Tills Onkel, weshalb wir hier zu Sonderpreisen trinken konnten und deshalb Stammgäste waren. Die Möbel waren oll es roch muffig, aber irgendwie war diese Kneipe Teil meiner Jugend.

„PFLICHT!", rief Till, als der Würfel an einer Bierflasche zum Stehen kam.

„Freu dich mal nicht zu früh", bremste ich ihn aus, ehe er mit irgendwelchen verrückten Ideen um die Ecke kam. „Lars ist an der Reihe. Er entscheidet."

Lars setzte einen verräterischen Blick auf und schnippte einen Bierdeckel immer hin und her.

„Nichts Fieses!", warnte ich ihn und hatte schon ein ungutes Gefühl.

Erst in der letzten Runde hatte Simon seinen nackten Hintern einem Autofahrer zeigen müssen. Darauf konnte ich gut und gerne verzichten.

„Du musst Till küssen!"

Der Tisch grölte, nur Till und ich schwiegen. Ich wagte es gar nicht in seine Richtung zu gucken. Allein die Vorstellung meine Lippen auf seine zu legen, war seltsam. Mein Herz nahm die Vorstellung als Anlass, um in Rekordschnelligkeit zu hämmern.

„Auf keinen Fall!", stellte Till klar.

„Och komm schon, nur ein kleiner Kuss unter Freunden", redete Lars auf ihn ein.

Wie Elyas war auch Lars schon immer der Überzeugung gewesen, dass Jungs und Mädchen keine besten Freunde sein konnten. Und das schien er nun beweisen zu wollen.

„Nein, ich küsse sie nicht!", blieb Till standhaft. „Das ist Ginger und ich werde sie mit Sicherheit nicht küssen."

Okay, langsam wurde er etwas beleidigend. Er tat fast so, als müsse er eine Nacktschnecke küssen. So schlimm war es ja nun auch nicht.

„So ist aber das Spiel", berief sich Lars nun auf die Spielregeln.

„Ja, aber sie hat Pflicht gewürfelt. Ich werde da ja als Unschuldiger mit reingezogen."

Unschuldig? Jetzt tat er auch noch so, als würde ich ihn vergewaltigen wollen.

„Es ist doch nur ein Kuss", raunte ich ihm zu. „Ohne Zunge und ohne Gefühle."

Letzteres war eigentlich überflüssig gewesen zu sagen.

„Ich habe eine Freundin. Schon vergessen?"

GingerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt