26 - Überraschungsbesuch

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Ich verkroch mich in meinem Zimmer unter meiner Bettdecke. Ich war voller Hass und Verachtung.

Immer wieder klopfte es an meine Tür, doch ich öffnete nicht.

Als ich mich am späten Nachmittag der Hunger aus meinem Zimmer trieb und ich das dringende Bedürfnis verspürte mal das Badezimmer zu besuchen, lag vor meiner Tür eine Lieblingsschokolade. Die teure von Lindt, die ich mir selbst nie kaufen würde und stets von meinen Großeltern zum Geburtstag bekam. Ein Zettel klebte an der Schokolade, die vor meiner Tür lag.

Es tut mir leid. Ich weiß, dass Süßigkeiten es nicht wieder gut machen können, aber ich weiß, wie sehr du auf Schokolade stehst, wenn du Kummer hast. Ich war ein Idiot und du hast jegliches Recht sauer zu sein. Wenn du reden willst, komm einfach zu mir. Aber ich versteh natürlich, wenn du erst einmal deine Ruhe brauchst.

Ich zerknüllte den Zettel und schmiss ihn bewusst in den Mülleimer in der Küche. Flo sollte sehen, dass ich einen Scheiß auf seine Worte gab. Die Schokolade schmiss ich gleich hinterher, auch wenn mir das deutlich schwerer fiel.

Er hatte mich geschlagen. Allein das war schon eine Frechheit. Doch er hatte das getan, nachdem bei mir eine Gehirnerschütterung diagnostiziert worden war und nachdem ich die letzten Worte meiner Mutter gelesen hatte. Das war nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um mir so eine Respektlosigkeit ins Gesicht zu feuern. Wenn er etwas brauchte, wo er sich abreagieren konnte, dann sollte er sich gefälligst einen Boxsack zulegen und mich nicht als solchen missbrauchen.

Wo bist du?, schrieb ich an Elyas.

Ich brauchte jemanden an meiner Seite. Ich hatte den Kummer lang genug alleine in mich hineingefressen. Ich brauchte jemanden zum Reden.

Elyas: In der Uni.

Wo sollte er auch sonst sein?

Wann kommst du nach Hause?

Elyas: Das kann dauern. Ich habe morgen eine Präsentation, die noch lange nicht fertig ist.

Ein Gruppenvortrag?

Elyas: Ja.

Kannst du nicht früher gehen und die machen den Rest? Ich brauche dich.

Elyas: Sorry, aber so läuft das nicht. Ich kann nicht einfach gehen. Wir müssen das gemeinsam ausarbeiten.

Frustriert warf ich mein Handy aufs Bett. Er hatte nicht einmal gefragt, warum ich ihn brauchte oder wie es meinem Kopf ging. Dann eben nicht.

Zum Glück gab es jemanden, auf den ich zählen konnte. Ich zog mir meine Schuhe an und schnappte mir mein Fahrrad. Eigentlich sollte ich mit meiner Gehirnerschütterung keinen Sport machen, doch mein Verlangen nach Till war deutlich stärker als die Wirkung der Worte meines Arztes.

„Das sieht irgendwie schlimmer, als auf dem Foto aus", begrüßte Till mich und begutachtete meine verarzteten Wunden. „Geht es dir gut?"

„Nein", sagte ich deutlich, schmiss mein Fahrrad in den Rasen und nahm die paar Stufen zu seiner Haustür. „Es geht mir nicht gut. Es geht mir sogar richtig beschissen", ließ ich meinen Frust raus.

„So schlimme Schmerzen?"

„Nein. Ich habe keine Schmerzen. Zumindest keine körperlichen."

Ich umarmte Till flüchtig und ging ungefragt ins Haus. Ich hatte viel zu erzählen.

„Flo hat mich-." Ich stockte, als ich Thea im Wohnzimmer erblickte „Oh, ich wusste nicht, dass du Besuch hast", ruderte ich zurück. Da standen Kerzen im Raum und ich ahnte, dass ich hier gerade in eine romantische Angelegenheit geplatzt war.

GingerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt