Langsam finde ich das ganz und gar nicht mehr spannend und aufregend. Meine Nerven diesem Jungen so nah zu sein, mit dem Wissen ihn nie haben zu können, wurden langsam überstrapaziert. Und trotzdem wollte ich ihn nicht gehen lassen. Nicht mal ich konnte mich verstehen.
Ich sah Jimin an, der auf mir lag und keine Anzeichen machte, sich von dieser Stelle zu bewegen. Seine Hände stützte er neben mich auf den Boden ab. Unwissend was ich jetzt machen sollte, presste ich meine Lippen aufeinander und zog meine geballten Hände an meine Brust.
"Könntest du von mir runter gehen? ", bat ich freundlich und lächelte ihn etwas unsicher an.
"Natürlich.", meinte er grinsend und rollte sich von mir herunter, setzte sich im Schneidersitz neben mich. "War das der kaputte Fuß?", ich sah zu meinen Füßen und bewegte meine Zehen, schien noch alles in Takt zu sein. Meine Bänder müssten eh schon längst zusammengewachsen sein, die Schiene war nur noch für alle Fälle gedacht, weswegen ich sie trage.
"Alles in Ordnung.", sagte ich und rappelte mich auf. Jimin ließ ich auf dem Boden hocken, als ich wieder in der Küche verschwand. Schließlich standen dort noch meine Nudeln. Da er recht schnell bemerkte, wo ich hin wollte, brauchte man ihn gar nicht aufzufordern, mir zu folgen. Wenn es ums Essen ging, versteht er auch ohne Worte. Das steht zu hundert Prozent fest.Zitternd drückte ich meine verschwitzten Hände zusammen, als wir zwei Tage später direkt aus Busan nach Incheon fuhren, um meine Mutter zu verabschieden, die wieder nach Deutschland fliegen wollte. Den zweiten Weihnachtstag hatten wir ebenfalls in seiner Heimatstadt verbracht, welche er mir näher bringen wollte, weswegen ich eine exklusive Stadtführung von ihm bekam. Das einzige Dumme war, dass kein Geschäft geöffnet hatte. Doch ich musste sagen, dass Busan trotzdessen ziemlich belebt war.
Auch wenn der Schock über die Wahrheit mir noch immer in den Knochen saß, wollte ich sie nicht ohne Abschied gehen lassen. Das könne ich gar nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Je näher wir dem Flughafen kamen, desto ungeduldiger wurde ich und zupfte an der Sporthose rum. Ich musste zugeben, seine Sachen waren mehr als bequem, besonders dieser Pullover hier. Jetzt verstand ich auch, warum Mädchen die Kleidung ihr Freunde klauten und diese auch nicht zurück geben wollten. Vielleicht wird der hier bald auch nicht mehr in seinem Kleiderschrank zu finden sein.
Am späten Nachmittag stiegen wir aus dem Auto aus und standen auf dem Parkplatz des Flughafens. Mein Magen rumorte, obwohl ich vorhin mehrere Cheeseburger verdrückt hatte. Dank Jimin wusste ich, - da er gestern mit Emma telefoniert hatte, die ihn auf den neusten Stand gebracht hat, - dass auch mein Vater mit nach Deutschland fliegen wird. Laut Emma wollte er mit meiner Mutter ein paar Verträge kündigen und erstellen, die seit einigen Jahren nicht mehr korrekt waren. Und über das Telefon wäre dies nicht möglich.
Neben mir studierte Jimin gerade die Departure - Anzeigetafel, und blickte dann auf sein Handy. Erschrocken sah er mich an und fuhr sich durch seine Haare.
"Ich glaube, wir sollten-", er packte meine Hand und sprintete los, führte seinen Satz gar nicht zu Ende. Etwas verdutzt stolperte ich ihm hinterher, umfasste fester seine Hand, da ich Angst hatte, ich könnte sie verlieren. Warum musste ausgerechnet heute so viel los sein?
"Du hast noch zwanzig Minuten, dann hebt der Flieger ab. Sie könnten schon längst im Flugzeug sitzen.", rief Jimin mir über seine Schulter hinweg zu und wich einem Kofferwagen auf, der direkt vor uns auftauchte. Gemeinsam rissen wir einen großen Bogen und kollidierten mit Glück nicht mit einer älteren Dame, welche im letzten Moment noch zur Seite springen konnte. Ich schrie ihr eine Entschuldigung zu, doch konnte mich nicht mehr auf sie konzentrieren, da wir auf die Rolltreppe hechteten und uns an den Menschen vorbeiquetschten, die sich breitärschig mit ihrem Gepäck hoch chauffieren ließen. Einige Beleidigungen wurden uns an den Kopf geworfen, aber das interessierte uns nicht, da wir, nachdem wir eine scharfe Kurve genommen hatten, vor dem Check-in standen, welchen wir gesucht hatten. Schlitternd kamen wir zum stehen und sahen uns hektisch nach meinen Eltern um.
"Da hinten sind sie!", rief Jimin und deutete mit dem Finger auf zwei Personen, die gerade hinter der Glasscheibe verschwinden wollten. Ich löste mich aus seinem festen Griff und lief zu ihnen rüber, doch wurde von einem Sicherheitsmann aufgehalten.
"Mam! Dad!", schrie ich kräftig und hoffte inständig, dass sie mich gehört hätten. Mein Vater drehte sich kurz um und überblickte fragend die Menge, weswegen ich anfing heftig mit den Armen zu winken.
"Hier bin ich!", fügte ich halbkreischend hinzu, doch da hatte er sich wieder nach meiner Mutter umgedreht, die ihn aufforderte, seinen Koffer auf das Band zu legen und durch die Sicherheitsprüfung zu gehen. Aber dann tippte ihm die Frau, die die Pässe kontrollierte auf die Schulter und deutete in meine Richtung. Auch meine Mutter sah zu mir rüber und fing an zu strahlen. Sie ließ alles stehen und liegen und kam auf mich zugerannt. Über die Absperrung hinweg nahm sie mich in die Arme und drückte mich fest an sich.
"Es tut mir leid, dass wir dir nicht früher die Wahrheit erzählt haben.", flüsterte sie in einer traurigen Stimme nah an meinem Ohr, doch löste sich gleich darauf aus der Umarmung und sah mich an. Mein Vater tauchte hinter ihr auf und sah mich liebevoll an. Ich zog ohne weiteres den Umschlag aus meiner Jackentasche und gab ihm diesen.
"Ich brauche nicht zu wissen, wer mein Erzeuger ist. Das ist mir vollkommen egal, denn das wird nichts an der Tatsache ändern, dass du mein Vater bist.", stellte ich klar und war überglücklich ihm das noch zu sagen.
"Du warst immer meine Tochter, wirst es immer bleiben. Es war ein fataler Fehler gewesen, dich damals verlassen zu haben, aber ich konnte -", er wurde unterbrochen als durchgesagt wurde, dass der Flug in zehn Minuten abhebt. Etwas unsicher sah mich mein Vater an, er wusste nicht, ob er jetzt in dieses Flugzeug steigen soll oder nicht. Doch ich lächelte ihm aufmunternd zu und nickte.
"Wir werden richtig reden, wenn du wieder kommst.", sagte ich und nahm ihn in die Arme.
"Okay.", meinte er dann. "Ach bevor ich es vergesse, das hier ist ein Geschenk von deiner Mutter und mir zu deinem Geburtstag. Mach es aber erst an deinem Geburtstag auf, verstanden?", aus seinem Rucksack holte er ein kleines rechteckiges Geschenk heraus, was in rosaglitzerndes Geschenkpapier gehüllt war. Es erinnerte mich an eine Barbie, grinsend wollte ich es ihm aus der Hand nehmen, als er es plötzlich aus meiner Reichweite zog.
"Kannst du es mir versprechen oder muss ich es Jimin geben, der bis dahin drauf aufpasst?", fragte er mahnend und ich seufzte genervt und schnappte es ihm bei einer günstigen Gelegenheit aus seiner Hand. Wie eine Trophäe hielt ich das Päckchen in meiner Hand.
"Keine Panik, die paar Tage schaff ich.", meinte ich, doch der skeptische Blick meiner Eltern entging mir nicht.
"Wir müssen jetzt.", sagte meine Mutter und schnappte sich ihre Koffer, nachdem sie mir einen Kuss auf die Wange gedrückt hatte, welchen ich abwischte, da sie roten Lippenstift trug.
Gemeinsam verschwanden sie hinter der Kontrolle und liefen den Gang hinunter, ich winkte ihnen hinterher. Erst als sie aus meiner Sichtweite waren drehte ich mich seufzend um und sah mich nach Jimin um. Als ich ihn auf einer Bank sitzen sah, und er bemerkte, dass ich ihn suchte, stand er auf und kam auf mich zu.
"Nach Hause?", fragte er vorsichtig und ich nickte. Gerade als er auf die Rolltreppen zusteuern wollte, stellte ich mich ihm in den Weg und breitete meine Arme aus. Er hob fragend eine Augenbraue und legte seinen Kopf etwas schief.
"Danke, dass du in den letzten Tagen für mich da gewesen bist.", ich lächelte ihn breit an.
"Glaub aber nicht, dass das zur Gewohnheit wird.", meinte er und ich ging deprimiert davon. Warum sage ich eigentlich noch was, nein, warum bedanke ich mich bei diesem Idioten, wenn ich doch weiß, dass keine ordentliche Antwort zurückkommen wird? Ich steckte meine linke Hand in die Jackentasche, in der anderen hielt ich das Geschenk. Galant sprang ich von der Rolltreppe, als Jimin plötzlich lachend neben mir auftauchte und seinen Arm um meine Schulter legte. Er zog mich zu sich ran und verwuschelte mir meine Haare. Stimmungsschwankungen, ich sag's ja.
DU LIEST GERADE
Die Maske | Jimin
FanficEnya will ihr Leben in Deutschland vergessen und in Korea von vorne anfangen. Es könnte sogar funktionieren, wenn da nicht dieser eine WG-Bewohner wäre, der geschickt ihre Ängste aus ihr herausprovoziert, welchen sie sich nicht stellen möchte. Sie...