Q.

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Verschlafen, wie einer dieser Zombies aus The Walking Dead, lief ich durch den Korridor der Schule zum Ausgang, wich anderen Schülern aus, die meinen Weg blockierten und versuchte so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen. Seit den letzten Tagen wusste ich einfach nicht mehr, was mein Kopf mir eigentlich mitteilen wollte. Ein einziges Wirrwarr aus Gedankenfetzen, Wörtern und Personen bombardierte mich. Ich habe nichtmal im Schlaf die Möglichkeit abzuschalten und mich zu verlieren, stattdessen verfolgen mich Alpträume, weswegen ich sogar schon versuchte meine dunklen Augenringe mit Makeup zu überdecken, obwohl ich das Zeug nicht gerne nutze. Eyeliner ausgenommen. Aber das spielt hier gar nicht zur Sache. Das Schlimmste war vorallem, dass es immer die gleichen Themen waren, zu denen ich keine Antworten finden konnte, mir im Gegenzug aber den Kopf darüber zerbrach.

Als Erstes wäre da dieser Überfall von Jimin in der Abstellkammer,- ich frage mich immernoch, was er damit bezwecken wollte. Zweitens, das plötzliche Auftauchen seiner Ex als seine Neue, einen Tag nach dem Vorfall. Ist das nicht etwas unlogisch? Oder sagen wir mal, bizarr? Jemand der 'kurz' vor einer Beziehung steht, hat doch besseres zu tun, als sich ein anderes Mädchen zu schnappen und ihr zu sagen, dass sie sich erinnern soll. Like what? Drittens Emmas Geschichte. Zwar hat sie mich ziemlich mitgenommen und auch ich konnte mich total in ihre Lage hineinversetzen, aber ich wusste nicht, warum sie mir das überhaupt erzählt hat. Sie hatte auch nicht auf meine direkte Frage hin geantwortet gehabt, stattdessen stellte mir sie eine Gegenfrage. Simpel und ziemlich direkt. Es kam schon fast wie eine Feststellung rüber. Du bist in Jimin verliebt, stimmt's?
Warum sagen mir in letzter Zeit so viele Menschen Dinge, die ich entweder nicht zuordnen oder mit welchen ich nicht umgehen kann? Nicht mal Joshua war eine große Hilfe, denn der Dummkopf hatte mich gleich am Montagmorgen auf YeoReum und Jimin angesprochen, Kerle halt. Woher er YeoReum kannte habe ich mich vielleicht einmal gefragt, hatte es aber tief in irgendeine Kiste gesteckt, da es mir egal war, weil alles komisch ist, deswegen würde es mich auch nicht mehr allzu wundern.
Zum Glück geht sie nicht mehr hier auf die Schule, sondern arbeitet in dem Café ihrer Eltern. Laut Emma hatte sie nach der zehnten Klasse dort eine Ausbildung begonnen. Ich wäre umso mehr angepisst oder gestresst, wenn dieses Weib mir auch noch täglich über den Weg laufen würde. Es reicht mir schon, sie Zuhause zusehen. Konnten sie sich nicht bei ihr treffen? Jimin wusste, wie groß der Hass gegenüber YeoReum war. Also wieso provozierte er es?

"Jimin! Kyaa, du weißt ich bin da kitzelig." Im Rahmen der Haustür blieb ich stehen. Wie eine Eisfigur. Erstarrt und kalt. Nur der Stich in meinem Herzen verriet mir, dass ich nicht wirklich tot war. Gerade zog ich den Tod aber dem hier vor.
"Dann hättest du mich nicht provozieren sollen.", seine Stimme war tief. Leise schloss ich die Tür hinter mir und schritt durch den Flur.
"Ich habe doch gar nichts gemacht!" Eigentlich wollte ich nicht ins Wohnzimmer blicken, stattdessen einfach weiter gehen, die Treppe hoch und mich dann in meinem Bett verkrümeln. Aber ich blieb stehen. Sie lag auf dem Sofa Oberkörper frei, sah unschuldig lächelnd zu ihm hoch, der sich über sie beugte - ebenfalls ohne Shirt. Ich schluckte. Mein Hals tat weh, er war wie zugeschnürt. Auf das Sofa kann ich mich nie wieder setzen.
"Du hast mich angeschaut, mit diesem Blick." Noch immer hatten sie mich nicht bemerkt. Ich wollte Husten. Dieses bescheidene Husten von mir geben, wenn sich ein Zuschauer irgendwo im Hintergrund befand und ziemlich unwohl fühlte. Aber als ich sein Lächeln sah, konnte ich es nicht. Dafür sah es zu aufrichtig aus. Auch wenn ich diesem Mädchen nur schlechtes an den dicken Schädel werfen konnte und ich hatte auch keine Ahnung, was die Zukunft mit sich bringen wird, machte sie ihn glücklich. Sehr sogar. Ich biss mir auf die Unterlippe.
Unbemerkt drehte ich mich um und verschwand nach oben in mein Zimmer. Mit jedem weiteren Schritt, welcher mich von ihnen entfernte, fühlte ich mich grässlicher und einfach verletzt. Anscheinend hatte mir Jimin nicht nur mit einem Messer ins Herz gestochen, sondern es auch mit einer Kettensäge zerfetzt.
Verdammt, es tat weh diesen Idioten mit ihr so glücklich zusehen und alles, was ich machen konnte, war dämlich daneben zustehen. Vielleicht auch etwas zulächeln, - niemand sollte sehen wie sehr ich das Mädchen um ihren Platz beneidete. Sie hatte es nicht verdient. Sie hatte ihn nicht verdient. Nicht, nachdem sie so eine Aktion mit ihm abgezogen hat. Ich verstand nicht, was er an ihr fand. Hat sie etwas, was ich nicht habe?
Vor dem Spiegel, der mit der Zeit ersetzt wurde, blieb ich stehen. Kritisch musterte ich mein Abbild. Waren es meine Haare? Weil sie blond und glatt sind? Keine dunklen Locken waren, die kurz unter der Brust endeten?
Mit meinen Fingern fuhr ich durch meine Haare. Sie waren ziemlich lang, länger als die von vielen anderen und meine sahen auch nicht so leicht und einfach aus. Meine waren schwer und dick, wenn sie zu einem langen Zopf geflochten sind, ist dieser gut als eine Peitsche geeignet. Oft genug hatten Menschen, die in meiner Nähe standen, diesen schonmal ins Gesicht bekommen, wenn ich mich ruckartig umgedreht hatte. Störte sowas? Kurz zog ich an ihnen, mein Kopf bewegte sich mit nach unten. Ich seufzte frustriert und spielte mit dem Gedanken, einfach die Schere zunehmen, welche unschuldig auf dem Schreibtisch lag und einen Cut zumachen. Doch würde das etwas bringen?
"Ah, dadurch kriege ich Kopfschmerzen.", genervt drehte ich mich vom Spiegel weg und ließ mich wie ein Kartoffelsack auf mein Bett fallen, nachdem ich an der Bettkante stand. Mit dem Gesicht voran fiel ich in meine weiche Kissen.
"Enya? Kannst du mir ein Shirt leihen?", trällert plötzlich eine Stimme hinter mir und ich fuhr erschrocken mit dem Kopf herum. Mit den Armen vor der Brust verschränkt stand YeoReum im Rahmen und versuchte mich mit einer Art Hundeblick zu überreden. Sie denkt nicht wirklich, dass sowas bei mir wirkt, oder?
"Ja, warte." Innerlich schlug ich mich selbst für die Antwort. YeoReum grinste erleichtert und strich sich über die Schulter, nachdem sie an ihr herumgepult hatte.
"Dir wurde erzählt, was ich damals angestellt habe, oder?", diesmal war ihre Stimme nicht so schrill, etwas ruhiger und ernster. Aus dem Schrank zog ich einen schwarzen Oversize- Pullover hervor, den ich kurz vor mir ausbreitete und skeptisch musterte. Antworten wollte ich ihr nicht, es war offensichtlich, dass ich es wusste.
"Ich sehe das mal als ein Ja an. Du musst wissen, dass es mir wirklich ernst mit ihm ist. Nachdem er mich in den Wind geschossen hatte, habe ich gemerkt, wie wichtig er mir ist und wie sehr sich mein Herz nach ihm sehnte." Wäre es unhöflich, wenn ich ihr hier direkt vor die Füße gekotzt hätte, mit der Bemerkung, dass ich ihr kein Wort glaubte. Ich denke mal schon. Also drehte ich mich leicht lächelnd zu ihr um und gab ihr den Pullover, welchen sie dankend annahm.
"Du scheinst kein Mädchen zu sein, was schnell Vorurteile fällt. Warum dann bei mir? Ich habe mich geändert.", niedergeschlagen blickte sie zu Boden und trat unbequem auf ihren nackten Füßen herum. Sowas konnte ich mir nicht mitansehen. Sie sollte verschwinden und nie wieder mein Zimmer betreten. Ich wollte einfach in meinem Selbstmitleid versinken.
"Wir sehen, was die Zukunft bringt." Seufzend wandte ich mich von ihr ab und verzog mein Gesicht zu einer angewiderten Miene.

Die Maske | JiminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt