Kapitel 3

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Dylan POV

In den nächsten zwei Wochen fiel mir erst auf, wie oft ich dem Wuschelkopf eigentlich über den Weg lief. Obwohl ich bezweifelte, dass er das überhaupt bemerkte. Immer lief er mit gesenktem Kopf durch die Welt, immer die Hände in seinen Manteltaschen vergraben und immer allein.
Irgendetwas faszinierte mich an diesem jungen Menschen, ich wusste noch nicht genau was es war. Die Art und Weise wie er lief, wie er hin und wieder sich die Haare aus dem Gesicht wischte, das unruhige Bein-Gewackel, wenn er an einer Ampel stehen blieb. Genau konnte ich es nicht sagen, aber jedes Mal, wenn ich sein Gesicht sah, war es, als würde man mir ins Herz stechen. Nie sah man ihn lächeln oder schmunzeln, geschweige denn lachen. Aus irgendeinem Grund sah er verunsichert und ängstlich aus. Und das konnte ich nur schwer ertragen.
Im Park hatte ich ihn nicht mehr gesehen, dabei hatte ich Ausschau nach ihm gehalten. Ich hatte ihn bei unserer letzten Begegnung nicht einschüchtern wollen, ich wusste ja nicht mal, ob ich es getan hatte oder was es war, dass ihn so fluchtartig gehen lassen hatte. Tyler war der Meinung, der Typ sei nicht ganz dicht, hat mit den Schultern gezuckt und war weitergegangen. Mir war der Wuschelkopf jedoch nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Ich kenne schüchterne Leute und wie sie sich verhalten und etwas schrie mich gerade zu an, dass er nicht nur schüchtern war, sondern noch  irgendetwas anderes im Busch war.

                                ~       •       ~

Das Café war relativ leer im Gegensatz zu sonst, wahrscheinlich waren viele bei dem schlechten Wetter lieber gleich zu Hause geblieben.
Ava und ich gingen rüber zum Tresen und ich lächelte die Angestellte freundlich an. Nachdem ich bestellt hatte, ließ ich meinen Blick schweifen auf der Suche nach einem schönen Platz, wo sich Ava gemütlich hinlegen konnte. Mir fiel erst beim zweiten Anblick auf, dass ich den zusammengekauerten Wuschelkopf in der Ecke wieder erkannte. Ava schien ihn ebenfalls bemerkt zu haben, denn sie fing wild an mit dem Schwanz zu wedeln. Langsam schlenderten wir zu ihm rüber. "Hey, na alles klar bei dir?", der Junge kauerte praktisch über einigen auf dem Tisch verteilten Papieren.
Aufgeschreckt sah er hoch.
"Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.",  sagte ich und schenkte ihm ein kleines Lächeln.
"Schon okay.", antwortete er und schaute erst kurz mich und dann Ava an. Die sah den Blick als Aufforderung an näher zu kommen und der rotwerdende Wuschelkopf streichelte sie und krauelte sie hinter den Ohren, was sie offensichtlich sehr genoss.
"Darf ich mich zu dir setzten oder möchtest du lieber alleine sein?", die Frage schien mir blöd, es war deutlich, dass der Junge allein gelassen werden wollte, aber ich wollte ihn näher kennenlernen.
"Ähm... Nein, setz dich.", er schaute mich nicht einmal an als er das sagte. Stattdessen hatte er es in Richtung Ava gemurmelt. Ich hatte auch das Gefühl, dass Ava ein schlagendes Argument gewesen war, weswegen der Wuschelkopf zugestimmt hatte. Anscheinend mochte er meinen Hund genauso gerne wie sie ihn.
"Danke. Ich bin übrigens Dylan.", vorsichtig stellte ich meine Tasse auf ein freies Eckchen auf dem Tisch zwischen all den Zeichnungen und rückte mir den Stuhl so zurecht, dass ich ihm halbwegs gegenüber saß.
"Thomas.", kam von der anderen Seite des Tisches. Tatsächlich freute mich diese kurze Antwort, immerhin wusste ich jetzt wie der kleine Wuschelkopf hieß.
Die restliche Zeit verbrachten wir jedenfalls überwiegend mit Schweigen, ein paar Versuche eine Konversation zu betreiben gingen gründlich schief. Es war kaum zu übersehen, dass Thomas Unterhaltungen für überflüssig hielt, seine Antworten waren knapp und meist genauso viel-silbig wie seine vorherigen.
Allerdings wusste ich jetzt auch, dass er 19 Jahre alt war, gerne zeichnete -hat man ja vorher noch nicht bemerkt- und Hunde mochte -ebenfalls keine große Überraschung.
Da er mir nicht viel über sich erzählen wollte, fing ich an Sachen von mir zu berichten; 25 Jahre alt, arbeite in einer Kinderarztpraxis mit zwei weiteren Ärzten zusammen, lebe mit Ava allein hier in der Gegend.
Trotz seiner Ungesprächigkeit genoss ich seine Gegenwart, mir fiel auf, dass er sich ein klein wenig entspannte, zumindest hoffte ich, dass es Entspannung war, was ich da sah. Eine gute halbe Stunde hatten wir jetzt also da gesessen und mehr oder weniger geredet, als er einen Blick auf seine Armbanduhr warf, die er ums linke Handgelenk gelegt hat, er warf mir kurz einen zögerlichen Blick zu. Während unserer Unterhaltung hatte er sich mehrmals getraut zu mir rüber zu linsen.
"Tut mir leid, ich muss los. Meine Vorlesung fängt gleich an.", das war wahrscheinlich die längste Zeit, die er mit mir geredet hatte. Also nickte ich nur, wünschte ihm viel Spaß und meinte, dass ich hoffte, wir würden uns bald wieder sehen.
Thomas verließ das Café und ich blickte ihm nach, er zog den Mantel enger um sich und lief los in Richtung Universität. Mir war klar, dass ich diesen Wuschelkopf nicht aus meinem Kopf bekommen würde, solange ich nicht wusste, was mit ihm los war.

Hold Me Now. (Dylmas AU) [abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt