Einsicht

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Angie, Germán und Julieta waren erfolgreich bei Violettas Haus angekommen. Nun saßen alle vier auf dem Sofa, während León noch oben im Badezimmer war.

"Also, was führt euch denn hierher?", erkundigte sich Violetta, nachdem sie erste Neuigkeiten über Vilus aktuelles Leben und das Studio ausgetauscht hatten. "Ich will dik was fragen.", verkündete Julieta sogleich, ehe Angie oder Germán irgendetwas sagen konnten. Die Kleine saß auf dem Schoß ihrer älteren Schwester und starrte diese mit großen Augen an.

"Und was?", hakte Violetta sanft nach und blickte Angie etwas irritiert an. Die blonde Frau zog eine Augenbraue hoch und warf ihrer Nichte einen warnenden Blick zu. Dies schien Vilu noch mehr zu verunsichern und Angie hoffte, sie würde sich bei der kommenden Frage richtig verhalten und vor allem entsprechend antworten.

"Mamá und Papá hapen sich vorhin geküsst.", startete Julieta sofort mit ihrem Anliegen. Angie schluckte und nahm aus dem Augenwinkel wahr, dass sich Germán kaum merklich angespannt hatte. Sollte die Sache hier schiefgehen, würde die blonde Frau auf jeden Fall ihrem Ehemann die Schuld daran geben. Er hätte schließlich auch einfach eine Ausrede erfinden können, aber er musste es ja unbedingt Violetta erklären lassen! "Du hast mir doch erzehlt, dass sie sich beim Küssen alz ausziehen! Als ich gefragt hape, ob sie das jetzt auch machen, hapen sie nein gesagt." Aus ihrem Mund sprudelten die Worte nur so heraus.

Angie sah, dass Violetta bei jedem neuen Wort verlegener wurde und den Blicken der beiden Älteren gekonnt auswich. "Ehhh.", kommentierte Vilu unsicher, was Julieta zum Stoppen brachte. "Weißt du es nicht mehr? Das hast du mir an meinem Beburtstag gesagt!"

Violetta saß mit ihrer kleinen Schwester alleine auf dem großen Teppich im Garten. Angélica war in ein Gespräch mit Germáns Eltern vertieft und Brenda sowie Pablo waren gerade mit ihrem Sohn beschäftigt. Angie und Germán waren seit wenigen Minuten im Haus verschwunden, sie wollten nun das Essen bringen. Es war erstaunlich, wie schnell sich der Tag allmählich dem Ende neigte.

"Ich hab Hunger!", stellte Julieta auf einmal fest und legte ihre Bauklötze weg, mit denen sie bis eben noch beschäftigt war. Violetta musste über ihre Entschlossenheit lachen. "Deine Eltern holen es gerade. Es muss gleich kommen, dann kannst du essen." Diese Information schien die Kleine zu beruhigen und glücklich zu stimmen. Tatenfreudig streckte Julieta die Arme nach ihrer großen Schwester aus und stand, sich an Violettas Körper abstützend, langsam auf. "Komm!", forderte sie die junge Frau ungeduldig auf.

Violetta ging auf die Aufforderung hin in die Hocke und griff nach Julietas Hüfte, um diese zu sich zu ziehen. "Ganz langsam, das Essen muss erstmal kommen.", grinste Vilu und versuchte den Tatendrang der Kleinen ein wenig einzudämmen, woraufhin diese eine Schnute zog.

"Kein Funder, wenn es soooo viel zu essen gibt.", ärgerte sich Julieta und schaute ihre Schwester wütend an. Bei dem grimmigen Blick musste Violetta auflachen und dachte unweigerlich an ihren Vater. Dieses Gesicht hatte sie eindeutig von Germán! Dieser musste als Kind genauso ausgesehen haben, wenn er beleidigt gewesen war.

"Wie meinst du das?", kam die Braunhaarige nun fragend auf Julietas Aussage zurück. Ob das so eine gute Idee war? Violetta konnte beinahe sehen, wie sich die Kleine ihre folgenden Worte im Kopf zurechtlegte und kräftig Luft holte, um ihrem Ärger Platz zu machen. "Papá hat ganz, ganz, ganz viel Auswahl gewollt. Ohne Mamá ware Olga bestimmt jetzt noch am Kochen!" Es war so süß mit anzusehen, wie sich Julieta lautstark beschwerte und wild gestikulierend mit den Armen herumfuchtelte. "Wenn Papá noch mehr auf Mamá gehört hätte, dann wäre alles bespimmt schon fertig! Dann würde es jetzt essen geben."

Bevor Julieta noch mehr verzweifelte, zeigte Violetta mit dem Finger lächelnd hinter ihre Schwester, sodass sich diese umdrehte. Vor ihr stand eine lachende Menge, die offenbar mitgehört hatte, sowie Angie und Germán, die die fertigen Gerichte gerade auf dem Tisch abstellten. "Da hörst du es, Germán! Nicht nur ich bin der Meinung, dass du viel mehr auf mich hören solltest.", neckte Angie ihn grinsend. Dieser verschränkte schmollend die Arme vor der Brust. "Es ist doch jetzt alles fertig!"

Dies ließ sich Julieta nicht zweimal sagen. Sie stampfte auf schnellen, wackeligen Beinen zu ihrem Platz und saß sich hin, bereit zum Anfangen...


Nachdem alle völlig satt waren, aber immer noch reichlich übrig war, beäugte Angie ihren Ehemann überlegen. "Hab ich's gesagt, oder hab ich's gesagt?" Germán seufzte einmal tief ein, was seine Eltern grinsen ließ. "Ist ja gut. Du hattest recht. Und ich nicht. Zufrieden?"  Seine Mutter lachte auf. "Solch ein Eingeständnis musst du ihm hoch anrechnen, Angie.", während sein Vater ergänzte, "Du scheinst ihn gut im Griff zu haben."

Um Angies Mundwinkel zuckte es verräterisch, doch sie sah ihn noch immer ernst an. Wenn die anderen wüssten, wie viel Ärger und Überredungskraft sie dieses Thema gekostet hatte. "Ach, Angie. Jetzt guck doch nicht so!", äußerte sich Germán gespielt empört und umfasste kurzentschlossen ihr Gesicht, um sie sanft auf die Lippen zu küssen. Angie spürte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg. Alle anderen sahen ihnen beim Küssen zu! Da seine Lippen jedoch einfach so weich waren und viel zu gut schmeckten, gelang es der blonden Frau diese Tatsache für den Moment zu ignorieren...

"Siehst du das?", flüsterte Violetta ihrer kleinen Schwester zu. "Dass Papá Mamá küsst?" Die Größere erklärte mit gedämpfter Stimme: "Genau. Immer wenn er das macht, ist Angie nicht mehr sauer auf ihn und wieder glücklich." Julieta nickte zustimmend, das ergab für sie Sinn. "Und ich verrate dir jetzt ein Geheimnis. Wenn die beiden alleine sind, dann ziehen sie ihre Kleidung beim Küssen aus, meistens sich gegenseitig." Die Kleine sah Violetta mit großen Augen an und hörte gebannt zu. So etwas erfuhr man nicht alle Tage! "Wenn du das irgendwann mal siehst," meinte Vilu leise, "dann musst du schnell weggehen, denn..."

Sie wurde von einer dunklen Stimme unterbrochen. "Was erzählst du Julieta jetzt schon wieder?", fragte Germán zweifelnd und kopfschüttelnd, während Violetta schnell abwinkte...

"Ich erinnere mich.", meinte die Braunhaarige und Angie stellte erschrocken fest, dass ihre Nichte wieder sicherer wurde. Sie würde doch hoffentlich keine richtige Antwort geben! "Und was ist jetzt deine Frage?", erkundigte sich Violetta an Julieta gewandt. "Warum machen sie das? Es ist dann doch ganz kalt!" Ihre Stimme klang entrüstet, als fragte sie sich, wie man an so etwas nicht denken konnte. Violetta überlegte kurz, grinste, dann wurde sie ernst und schaute ihren Vater und ihre Tante mahnend an. "Also wirklich, Julieta hat völlig recht! Ihr müsst doch wissen, dass es kalt ist, wenn man sich auszieht. Ihr müsst an eure Gesundheit denken!"

Es war erstaunlich, dass Violetta diese Worte mit dauerhaft ernstem Blick sagen konnte. Angies Mundwinkel hoben sich, doch Germán schien das Talent seiner Tochter zu teilen. "Das stimmt, du hast vollkommen recht!" Er schaute nun seine kleinere Tochter an. "Das hast du toll herausgefunden, Julieta! Daran haben wir gar nicht gedacht." Er brachte es so rüber, als wäre es ihnen die ganze Zeit über tatsächlich nie aufgefallen. "Wir machen das in Zukunft nicht mehr, wir wollen ja nicht krank werden!"

Julieta nickte wild, war sichtlich stolz auf sich. "Gut. Ihr müsst nemlich aufpassen. Man kann nicht immer alles machen!"

"Sehr gut gesprochen, Julieta. Du musst deinen Eltern sagen, wo es langgeht!" León kam in den Raum gelaufen, hatte die letzten Sätze wohl gehört. Angie war froh, dass er erschienen ist. Alle anderen hätten in dem Moment kein Wort herausbekommen, ohne laut loszulachen. Julieta bemerkte dies nicht, strahlte León freudig an. Sie schien ihm recht zu geben.

"Und dann wollen Mamá und Papá euch beiden noch etwas erzehlen.", brachte das blonde Mädchen das eigentliche Anliegen plötzlich abrupt zur Sprache...




Germangie - Just a DreamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt