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Wir beschleunigen die ganze Sache jetzt mal ein bisschen. Und es folgen noch 2 weitere.

Leben ist wie Schnee, Du kannst ihn nicht bewahren. Trost ist, dass Du da warst, Stunden, Monate, Jahre.
-Herman van Veen.

"Unser ganzes Leben verbringen wir damit, uns Sorgen über die Zukunft zu machen. Wir planen die Zukunft. Als würde uns das vor der Wucht der Zukunft bewahren.
Aber die Zukunft ändert sich dauernd. In der Zukunft wohnen unsere tiefsten Ängste und unsere größten Hoffnungen. Aber eins ist gewiss: Wenn sie sich am Ende offenbart ist die Zukunft nie so wie wir sie uns vorgestellt haben."
- Meredith Grey

"Man weiß vorher nicht, ob es der schönste Tag im Leben wird. Die Tage, von denen man es erwartet, entpuppen sich manchmal als nicht so schön. Sie sind nie so schön, wie man sie sich vorgestellt hat. Es sind die gewöhnlichen Tage. Meistens fängt so ein Tag ganz normal an - und am Ende des Tages stellt man fest, es war der schönste Tag...
Man erkennt den schönsten Tag seines Lebens erst, wenn man mitten drin steckt. Während man sich etwas oder jemandem ganz hin gibt., während einem das Herz gebrochen wird, während man seinem Seelenverwandten begegnet. Und dann erkennt man, dass die Zeit nicht reichen wird. Man merkt, man will ewig leben. Und das sind die schönsten Tage, die perfekten Tage. Nicht wahr?"
- Meredith Grey
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Manchmal müssen wir uns zuerst bei den Menschen entschuldigen, bei denen wir alles für selbstverständlich halten. Seien es die Menschen die uns jeden Morgen wach küssen oder diejenigen, die alles dafür tun um uns glücklich zu sehen. Oftmals vergessen wir, Ihnen zu danken, weil wir all das was sie für uns tun, als selbstverständlich ansehen. Wir müssen uns manchmal einfach wieder ins Gewissen rufen, wie wertvoll diese Menschen für uns sind, denn nichts bleibt für immer.

Ich hatte die Nacht im Gästezimmer von Scott verbracht, weil er nicht wollte das ich schon gehe. Am Morgen haben wir dann gefrühstückt und es lief wirklich alles perfekt. Es war eigentlich noch besser, als ich es mir immer vorgestellt habe. Wir waren auf der gleichen Wellenlänge, konnte über die gleichen Sätze lachen und verstanden uns. Die anfängliche Unsicherheit war schnell verflogen und wir kamen uns viel näher. Und all die Euphorie die mich die ganze Zeit begleitet hat, war nun wie weggeblasen. Ich wusste, dass sie alle Sorgen um mich gemacht haben, vor allem Tyler, doch ich hatte es nicht übers Herz gebracht ihn anzurufen. Wie sollte ich ihm beichten, dass ich fast wieder schwach geworden bin. Er hätte es nicht verstanden, weil er nicht nachvollziehen kann, was in meinem Kopf vorgeht. Ich wünsche mir manchmal das Außenstehende verstehen würden, wie ich mich fühle, nur damit sie mich nicht mehr so ansehen. Mit diesen Schuldvollen Augen, den leicht zusammen gepressten Lippen und den zitternden Händen. Manchmal da konnte ich fast hören, was sie dachten. Wie sie mir Vorwürfe machten, weil ich nichts dagegen unternommen hatte.

Auf Zehnspitzen schlich ich durch den Flur, direkt ins Wohnzimmer um die Treppe zu benutzen. "Hennah?", wie angewurzelt blieb ich stehen und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Eigentlich hätte mir klar sein müssen, dass er die ganze Nacht warten würde, doch ein Teil in mir hatte gehofft er würde vergessen. Er sollte sich keine Sorgen machen, nicht jetzt wo ich gerade glücklich war. Leise wisperte ich ein, "Ja?", in die Stille und wandte mich nun ganz dem Wohnzimmer zu. Meine Hand zitterte leicht, als ich mich von der Tür abstieß und mich auf den Weg zur Couch machte. Tyler starrte mich eine Weile einfach nur an, als ich mich neben ihn setzte. Keiner von uns beiden wusste, wo er anfangen sollte. Ich wusste das ich ihm viel zu sagen hatte, doch meine Lippen blieben verschlossen. Ich hatte Angst das er mich nicht verstehen würde. Ich meine wie konnte er, ich war ja selber daran schuld und doch hoffte ich dass er anfangen würden. Wenn auch nur einen Satz über seine Lippen kommen würde, würde es mich nicht stören. Vielleicht hatte ich dieses Schweigen auch verdient. Ich meine er war meinetwegen die ganze Nacht wach und hatte sich Sorgen gemacht und ich- ich habe mir nicht einmal wirklich Gedanken darüber gemacht, wie es ihm geht. Meine Lungen füllten sich mit Luft, ehe ich ein letztes Mal meine Augen schloss, "Es tut mir Leid". Darauf folgte wieder diese Stille, aber ich gab ihm Zeit. Zeit die auch er mir gegeben hatte. Jetzt müsste ich warten, genauso wie er hatte warten müssen. Wenn ich mal wieder durchgedreht war, wenn ich einfach abgehauen war oder wenn ich ihn auf meine Antwort warten ließ.

"Ich weiß.", seine Stimme war rauer geworden. Ich fing an, an meiner Unterlippe zu kauen und schloss wieder einmal die Augen. Mir fiel auf, dass ich das schon viel zu oft getan hatte, doch ich konnte es nicht abstellen. Vielleicht unterdrückte ich damit meine Nervosität, aber helfen tat es dennoch nicht wirklich. "Können wir uns vielleicht unterhalten?", ich wusste das ich so etwas nicht von ihm erwarten konnte, aber ich musste ihn das einfach fragen. Vielleicht würde er mich irgendwann wieder ohne diesen Schmerz ansehen. Tyler sah auf seine Hände, die in seinem Schoß lagen und leicht zuckten, so als wollte er mich berühren. "Ja. Ja wir können reden, aber lass uns bitte irgendwo anders hingehen." Erleichterung durchfloss meinen Körper. Er wollte mit mir reden, eine richtige Aussprache. Ich wusste, dass ich hier gerade verdammt viel Glück habe, aber ich nutze es. Dieses Mal nutze ich es.

Wir gehen ein Stück. Ich wusste vorhin er mich bringen wollte. In den Park, in dem ich zum ersten Mal seine Freunde getroffen habe und ich mich sofort mit ihren verstanden habe. "Fang einfach an, ok?", ich weiß nicht wieso, aber irgendetwas war anders an ihm. Vielleicht wollte er mich garnicht mehr. Vielleicht hat er seine Meinung geändert, aber ging das überhaupt so schnell?
"Ich muss von vorne anfangen, damit du alles verstehst, ist das ok für dich. Ich meine das kann wirklich lange dauern, aber du verdienst die Wahrheit."
Vielleicht können wir uns heute alles erzählen. Das könnte unser Anfang sein. Kein Anfang vom Ende, sondern ein Anfang für die Zukunft.

The Way of Life (Anorexia Nervosa)✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt